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Deutschlands Schlüsselspieler fürs Endspiel gegen Costa Rica

In diesem einen Moment lässt er all seine Bescheidenheit und Zurückhaltung fallen. Und spricht einfach aus, wie es ist. „Ich bin der Beste von uns“, sagt Jamal Musiala und lächelt. Es geht um Basketball. In einer Halle neben dem Al-Shamal-Trainingsstadion der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Norden Katars wirft er in den freien Stunden zwischen den Übungseinheiten gern ein paar Körbe, meist mit seinen Kollegen Leroy Sané und Ilkay Gündogan. Das sei für ihn Entspannung, da bekomme er den Kopf frei. Die Reporter im Mediencenter nebenan können hören, wie die Spieler beim Basketball ausgelassen jubeln und herumalbern.

Auch wenn er es nie sagen würde: Musiala ist auch im Fußball derzeit der Beste – bezogen auf die deutsche Offensive. Beim 1:1 im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien ließ er zwar eine Torchance aus und haderte deshalb mit sich („Ich muss passen oder den Ball ins Tor schießen“), doch er ist derjenige, der für Überraschungsmomente sorgt. Der Angriffe initiiert, der mit Dribblings schon mal vier Gegenspieler stehen lässt. Sein Duell mit Spaniens „Golden Boy“ Gavi entschied Musiala für sich.

Das letzte Spiel der Gruppe E gegen Costa Rica an diesem Donnerstag (20 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) muss Deutschland gewinnen, um eine Chance auf den Einzug ins Achtelfinale zu haben. Auf Musiala kommt es ganz besonders an. Für den 19-Jährigen ist es das wichtigste Länderspiel seiner noch jungen Karriere. Deutschland ist mit einem Punkt Gruppenletzter, Costa Rica mit drei Punkten Dritter. Ein Sieg – und Costa Rica wäre weiter, je nach Ausgang der Parallelpartie zwischen Tabellenführer Spanien (vier Punkte) und Japan (drei) kann dem deutschen Gegner auch ein Unentschieden reichen.

Musiala mit 84 Prozent Passquote gegen Spanien

19-Mal ist Musiala bislang für die Nationalelf aufgelaufen. Und ist schon ein Schlüsselspieler. In Katar agiert er in vielen Situationen wie einer, der bereits viele Weltmeisterschaften gespielt hat: Sein Laufpensum ist enorm, beinahe alles sieht leicht und elegant aus, zudem arbeitet er auch defensiv mit. Dabei ist die WM seine erste. Mit seiner Beteiligung am Ausgleich gegen Spanien wurde er mit 19 Jahren und 274 Tagen zum jüngsten deutschen Spieler seit 1966, der in einem WM-Spiel einen Treffer vorbereitete. Er löste seinen Münchener Teamkollegen und Mentor Thomas Müller ab, der bei der WM 2010 in Südafrika mit 20 Jahren und 273 Tagen beim 4:0 gegen Australien erstmals ein Turniertor vorbereitet hatte. Musiala initiierte gegen die Spanier die meisten Chancen der Deutschen (drei) und kam auf eine Passquote von 84 Prozent.

Sané gab Musiala einst den Spitznamen „Bambi“, auch wegen dessen dünner Beine. Seine Mitspieler beeindruckt vor allem, wie sich Musiala in Katar trotz seiner schmalen Statur gegen körperlich deutlich stärkere Gegner durchsetzt. Bei der EM 2021 kam Musiala unter dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw zu zwei Kurzeinsätzen. Nachfolger Hansi Flick baute ihn immer weiter auf. Auch sein Klubtrainer Julian Nagelsmann fördert ihn: In der aktuellen Bundesligasaison ist Musiala mit neun Toren der Top-Torschütze der Bayern und mit sechs Vorlagen der beste Torvorbereiter seines Klubs. Das 2:0 gegen den FC Schalke kurz vor WM-Beginn war bereits sein 100. Pflichtspiel für den deutschen Rekordmeister. Kein Teenager hatte das bei den Bayern zuvor geschafft. Sein Marktwert wird inzwischen auf hundert Millionen Euro geschätzt. „Jamal ist ein absolut exzellenter Spieler, der unserem Spiel sehr, sehr guttut“, sagte Flick: „Er hat gegen Spanien etwas Pech im Abschluss gehabt. Wir sind froh, ihn zu haben. Er ist eine absolute Bereicherung für uns.“

Auch die internationalen Experten schwärmen bei dieser WM von ihm. Englands früherer Nationalspieler Owen Hargreaves, einst beim FC Bayern, sagte bei Eurosport: „Als ich ihn das erste Mal spielen sah, hat er mich sofort an Kaká erinnert: die Art und Weise, wie er sich bewegt, wie grazil er ist, wie gut er dribbelt.“ Dänemarks Torwartlegende Peter Schmeichel betonte in der BBC: „Derjenige, der mich am meisten begeistert hat, war Musiala.“ Was der deutschen Mannschaft in diesem Turnier bislang zum Teil fehlt, ist die Effizienz. Gegen Costa Rica muss der Offensive etwas einfallen. Müller sagt: „Du wirst gegen Costa Rica Risiko gehen müssen: Durch ein Dribbling oder einen Doppelpass, durch etwas Dynamisches.“ Dafür steht Musiala. Man brauche „goldene Momente“, so Müller. Costa Ricas Spieler haben vor, Musiala so gut wie möglich zu isolieren. „Wir werden wie die Stiere kämpfen, um unserem Land viel Glück und Freude zu bereiten“, sagt Torwart Keylor Navas dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Musialas großer Traum: Weltfußballer werden

Die erfahrenen Spieler im deutschen Aufgebot sind sich längst sicher: Musiala kann ein Superstar, ein Weltklassespieler werden. Sie wissen aber auch, dass man nicht alle Erwartungen und Hoffnungen auf den Schultern eines 19-Jährigen abladen kann.

Musiala zeigt sich in Katar reflektiert. Er lebt sehr professionell. In München arbeitet er mit einem Neuroathletiktrainer, zum Einsatz kommt dabei auch die „Shutter-Brille“. Sie wird elektronisch gesteuert und wechselt zwischen Hell- und Dunkelphasen. Es geht um das Training der Antizipation: Die Bildrate im Gehirn wird verlangsamt, der Ball ist nur kurz zu sehen. Musiala trainiert so auch mal in seinem Garten. Zudem begeistert ihn das Buch „Relentless“ von Tim S. Grover. Der Autor arbeitete als Mentaltrainer unter anderem mit der gestorbenen Basketball-Legende Kobe Bryant und mit Michael Jordan. Musiala strahlt bei dieser WM Selbstvertrauen aus. Er sagte vor dem Turnierbeginn, er wolle „einer der besten Spieler der Welt“ werden. Sein Traum: Weltfußballer.

Ein großes Spiel gegen Costa Rica könnte ein kleiner Schritt sein, um diesen Traum langfristig wahr werden zu lassen. Vor allem aber geht es darum, seine Mannschaft im Turnier zu halten - um dann Freitag wieder entspannt ein paar Körbe werfen zu können.

„Wenn heute Abend Japan gegen Spanien gewinnt, weiß ich, da läuft irgendwas verkehrt. Dann bin ich stinksauer“, unkt WM-Experte Jimmy Hartwig bei WELT. Er bezeichnet Fifa-Präsident Infantino als „Ganoven“ und kritisiert, dass es kein Mittel gibt, um Spanien davon abzuhalten, eine B-Elf aufzustellen.