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DFB-Team in der Einzelkritik: Chef Kimmich außer Dienst, Schlotterbeck bockt

Es soll die Wiedergutmachung für die peinliche Pleite gegen Ungarn werden, am Ende bleiben aber viele Zweifel. In gut elf Minuten verspielt Deutschland eine 2:0-Führung in der Nations League gegen England. Immerhin rettet Doppel-Torschütze Kai Havertz noch das Remis.

Was macht man nun mit diesem seltsamen Abend von Wembley? Niemand weiß es. Nicht mal Bundestrainer Hansi Flick. Der sah beim 3:3 (0:0) gegen England in der Nations League gute Dinge und weniger gute Dinge. Puh, wie das klingt! Irgendwie anstrengend. Arbeitsreich. Und so werden die kommenden Wochen bis zum Winter-Wüsten-Spektakel dann auch werden. Die Agenda von Flick ist prall gefüllt mit Arbeitsaufträgen. Wie offensiv oder auch nicht lasse ich die Außenverteidiger agieren? Welche Männer besetzen die Abwehrmitte? Wie bekommen die Schlüsselspieler des FC Bayern wieder Form? Und wer besetzt eigentlich das Sturmzentrum?

Alle diese Fragen und Probleme verdichteten sich in Wembley in 90 plus X Minuten. Es waren 45 gähnend langweilige und 45 viel zu wilde. İlkay Gündoğan per Foulelfmeter (53. Minute) und Kai Havertz (67.) sorgten vor 78.949 Zuschauern zunächst für eine klare und verdiente Führung. Es sah nach der erwarteten Wiedergutmachung für die Blamage gegen Ungarn vom Freitagabend aus. Doch England bestrafte die folgenden Abwehrfehler der Deutschen und drehte durch Luke Shaw (72.), Mason Mount (75.) und Harry Kane (83., Foulelfmeter) das Blatt, bevor Havertz doch noch der Ausgleich gelang (87.).

"Natürlich sind wir enttäuscht, wir haben hier 2:0 geführt. Wir haben nach der Halbzeit 20 Minuten richtig guten Fußball gespielt und sind verdient in Führung gegangen. Nach dem Anschlusstreffer gab es einen Bruch, das darf uns nicht passieren", befand Flick, der dann erklären sollte, warum seine Mannschaft plötzlich so eingebrochen war. "Wir haben uns 15, 20 Minuten den Schneid abkaufen lassen. Da waren die Engländer besser. Die Tore sind durch individuelle Fehler gefallen. Jeder einzelne Spieler muss wissen, was er auf seiner Position zu tun hat. Da muss ich meinem Außenverteidiger auch zur Seite stehen. Da müssen wir ballentfernt abdecken, aber dazu brauchst du die Außenstürmer, die mitmachen - das hatten wir bei beiden Treffern nicht. Daran müssen wir arbeiten. Aber wir haben auch viele Dinge gut gemacht." Na dann, schauen wir uns das Team im Detail an.

Marc-André ter Stegen: Ist die Nummer zwei. Bleibt die Nummer zwei. Und das nicht, weil er zwingend der schlechtere Mann zwischen den Pfosten wäre. Aber Manuel Neuer ist unter Flick gesetzt. Das war beim FC Bayern so und ist im DFB-Team so. Ter Stegen nimmt seine Rolle mittlerweile bemerkenswert gut an und ist das perfekte Fangnetz, sollte Neuer mal nicht titanisieren. Was zuletzt zumindest ab und an mal vorkam. "MAtS" hielt in der 25. Minute sensationell gegen Raheem Sterling, der die deutsche Abwehrmitte herrlich ins Stolpern gebracht hatte. Hatte noch ein paar schöne Flugeinlagen dabei, wurde aber auch dreimal bezwungen. Dreimal ist ihm kein Vorwurf zu machen, vor allem nicht gegen die Weltklasse-Abschlüsse von Kane und Mount. Kann sich nun im Training beim FC Barcelona in allerbester Form halten, schließlich hat er anders als Neuer treffsichere Stürmer im Team (kleiner Scherz).

Thilo Kehrer: Der 26-Jährige ist ein Außenverteidiger. Gut, das ist wirklich kein knalliger Satz, um das Spiel von Kehrer zu beschreiben. Aber vermutlich ist es der beste Satz, um das Spiel von Kehrer zu beschreiben. Denn der Mann, der mittlerweile bei West Ham United agiert, macht seine Sache auf der Seite meist ordentlich. Zumindest in der eigenen Hälfte. Als gewinnbringender Antreiber taugt er dagegen nicht. Wenn sich Flick für die WM einen Spieler wünscht, der die Offensive nachhaltig und effizient unterstützt, dann muss er weiter casten. Sollte Flick die sichere Lösung bevorzugen, dann hat er seine Stammkraft für Katar womöglich gefunden. Zwar gewann Kehrer in Wembley nicht jeden Zweikampf gegen den verdammt schnellen Sterling, aber er hatte den Flügelstürmer insgesamt gut unter Kontrolle. Peinlich war indes der Versuch, einen Elfmeter zu schinden. Zwar wurde er am Trikot gezupft, aber sein Sturz war doch arg plump.

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Die Dinge ordentlich weggebüffelt: Niklas Süle.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Niklas Süle: Wenn Antonio Rüdiger nicht spielt (er war gelbgesperrt), dann ist der Dortmunder der Abwehrchef. Er strahlt das auch aus. Spielte lange Zeit sehr überzeugend. Machte es den Engländern um Superstürmer Kane mit seinem starken Stellungsspieler sehr schwer. Mischte sich zudem mit wuchtigen Vorstößen immer wieder durchs Zentrum ein und lebte sein "Zehner"-Gen aus. Allerdings lief er bei der ersten Großchance der "Three Lions" hinterher. Seine Grätsche beim 1:2 kam um Zentimeter zu spät, der Ball war bei der Klärungsaktion schon über die Torlinie getrudelt. Verlor danach die Souveränität.

Nico Schlotterbeck: Der Dortmunder erzählt schon eine seltsame Geschichte. Fünf Mal hat der 22-Jährige für Deutschland gespielt, dabei nun drei Elfmeter verursacht. Kam gegen seinen Teamkollegen Jude Bellingham deutlich zu spät und traf den Engländer schmerzhaft am Bein. Das hatte Folgen. Wie schon sein Ausrutscher beim Dribbling von Bukayo Saka vor dem 2:2. Weniger folgenreich waren seine Wackler in der ersten Halbzeit, etwa als er gegen Sterling ausgerutscht war. Dieser Abend war keine Bewerbung für das Wüsten-Team.

David Raum: Gegen Ungarn war er nicht gut. Und das ist noch die Wahrheit in schön. Denn eigentlich war er richtig schlecht. Wie so viele aus dem deutschen Team. Aber Flick vertraut dem Leipziger und darf sich vorerst bestätigt fühlen. Der Linksverteidiger agierte gegen die Engländer deutlich verbessert. Aber seine Hereingaben sind noch nicht wieder die Waffe, die sie sein können. Bedeutet: Es mangelt an Präzision (I): Woran es aber auch mangelt: an formstarken Alternativen für diese Position. Bedeutet (II): Er ist und bleibt gesetzt. Ab der 68. Minute Robin Gosens: Er kam 28 Minuten, um sich für Katar zu bewerben. Fazit: defensiv zu anfällig, offensiv unauffällig. da muss mehr kommen.

Joshua Kimmich: Nein, es ist keine Scheindebatte, zahlreiche Spieler des FC Bayern sind in diesen Tagen und Wochen nicht in Form. Kimmich ist einer von ihnen. Möchte gerne Chef sein, bekommt seinen Anspruch aber derzeit nicht auf den Fuß. Kann das Spiel nicht strukturieren. Kann dem Spiel in heiklen Phasen keine Stabilität geben. Spielt nach wie vor tolle Chip-Bälle. Das Problem: Sie finden derzeit keinen Abnehmer. Hatte unmittelbar vor der Pause eine nennenswerte Offensivaktion, sein Schuss aus gut 20 Metern strich indes knapp vorbei.

İlkay Gündoğan: Er war deutlich präsenter als Kimmich. Eine bemerkenswerte Auszeichnung war das an diesem Abend aber nicht. Der Kapitän lief viel, versuchte viel und hatte gute Momente im Gegenpressing. Was er aber nicht hatte: clevere Einfälle, um die deutschen Offensivkräfte mal überraschend in Szene zu setzen. Zu oft passte er den Ball nur kurz weiter. Das war im Zentrum leicht zu verteidigen für England. Er bleibt allerdings ein absolut sicherer Schütze vom Punkt: Sechster Elfer, sechstes Tor.

Jonas Hofmann: Der polyvalente Mann von Borussia Mönchengladbach sich in der Startelf einen festen Platz erspielt, diesmal indes rechts eine Position weiter vorn. Spielte in Wembley allerdings sehr, sehr unauffällig und wurde zur Pause ausgewechselt. Mehr muss man nicht wissen. Ab 46. Minute Timo Werner: Ach herrje..., der arme Timo Werner. Gegen Ungarn unsichtbar, gegen England wäre er das besser geblieben. Vor allem in der 60. Minute, als er freistehend den Abschluss verweigerte und einen katastrophalen Pass ins Zentrum spielte. Hatte immerhin ein paar Minuten später eine gute Gelegenheit, die knapp am Tor vorbeisauste. Darf sich dennoch als belebendes Element betiteln lassen. Ob das für einen Stammplatz reicht? Eher nicht.

Jamal Musiala: Er sollte das Spiel aus dem Zentrum anleiten. Das gelang nicht. Declan Rice stand ihm auf den Füßen. Was eine kluge englische Entscheidung war. In der zweiten Halbzeit fand er sich auf der rechten Seite wieder und das wiederum war eine kluge deutsche Entscheidung. Musiala, der für Thomas Müller spielte, brach nun häufiger durch. Brachte Tempo und Tiefe ins Spiel. Er holte den Elfmeter zum 1:0 heraus - was aus diesem zähen Spiel eine vogelwilde Partie machte. Das 2:0 bereitete er mit vor, weil er den Ball gegen den schwachen Harry Maguire in der eigenen Hälfte gewann. Ab der 79. Minute Thomas Müller: Nun, die Frage, ob Thomas Müller noch stark genug für die Nationalmannschaft ist, hatte Flick vor dem Anpfiff abmoderiert. Die Thomas-Müller-Frage stellt sich nicht. Damit ist an diesem Abend alles Relevante über den Münchner berichtet.

Leroy Sané: Dieses Mal musste keine Wasserflasche die Wut des Flügelstürmers aushalten. Grund genug für Frust hätte der Münchner aber erneut gehabt. Sein Engagement stand in keinem guten Verhältnis zum Ertrag seines Spiels. War also bemüht, aber glücklos. Hatte keine nennenswerte Offensivaktion. Wer nicht weiß, dass Sané schnell und torgefährlich ist, der hätte an diesem Abend gedacht, dass Sané nicht schnell und torgefährlich ist. In der 60. Minute wartete er mutterseelenallein auf einen Querpass von Werner. Der blieb aus. Ab 68. Minute Serge Gnabry: Gegen Ungarn war er als schwächster deutscher Spieler ausgemacht worden. Es hagelte Sechsen von den Bewertungbeauftragten der hiesigen Medienwelt. Darf nun für sich verbuchen, dass sein Einsatz zu kurz war, um eine Note zu bekommen. Aber: Seinen Schuss ließ Torwart Pope kläglich abprallen, was Havertz das 3:3 ermöglichte (87.).

Kai Havertz: Der Londoner kam dem Ball als Mann in vorderster Front weit entgegen. Allerdings war er immer gut abgeschirmt und entsprechend schwach, nach dem Wiederanpfiff zog er sich zurück, zentral hinter den eingewechselten Werner. Diese Rolle behakte ihm sichtlich besser. Beendete eine Szene, die er selbst eingeleitet hatte, mit einem traumhaften Schlenzer zum 2:0 und sicherte mit seinem zweiten Treffer immerhin das Remis. Ab der 90. Minute Armel Bella-Kotchap: Der ganze Stolz von Bochum ist nun Nationalspieler. Glückwunsch.