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Die First Lady und das Gesetz aus der Kolonialzeit

In der langen Geschichte der Downing Street sind noch nie in so kurzer Zeit so viele Hausherrinnen durch die schwarz lackierte Tür mit der Nummer zehn gegangen wie in den vergangenen Monaten. Und noch nie hat eine Hausherrin so viel Geld in die historischen Räume mitgebracht. Akshata Murty, Gattin von Premier Rishi Sunak, ist Tochter eines der reichsten Männer Indiens. Ihr ererbtes Vermögen wird auf 800 Millionen Euro geschätzt.

Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen Carrie Johnson und Liz Truss legt Mrs Murty als Frau in Downing 10 wenig Wert auf Eigen-PR. Nur einmal durfte bisher das Upper-Class-Magazin „Tatler“ berichten, dass in der Privatwohnung im zweiten Stock mit Blick auf den St. James’s Park rot-goldene Quasten die neuen elfenbeinfarbenen Damastvorhänge schmücken. Trotz aller Zurückhaltung machen Premier und First Lady trotzdem ihnen unliebsame Schlagzeilen. Was mit dem britischen Empire zu tun hat.

So wie die Kolonialgeschichte des Königreichs der Grund dafür ist, dass Sunak als Sohn indischstämmiger Einwanderer als erster nicht-weißer Brite in die Downing Street einzog, so ist das Empire-Erbe bis heute gelebter Teil britischen Alltags. Seien es Elite-Internate, die einst für die Sprösslinge von Militär und Beamten in den Kolonien eingerichtet wurden. Seien es den Globus umspannende Geschäftsnetzwerke oder die Einwanderung aus Commonwealth-Staaten.

Ein spezieller Aspekt des Kolonialerbes sind bis heute praktizierte Steuerregeln. Die machte sich auch Murty zunutze. Für ihre Anteile am Familienunternehmen erhält sie jedes Jahr eine Dividende von rund 13 Millionen Euro. Dank einer aus der Kolonialzeit stammenden Regelung braucht sie darauf nicht die üblichen 38 Prozent Steuern an das britische Finanzamt zu zahlen.

Murty stuft sich als „Non-dom“ ein, da sie nur einen indischen Pass besitzt. Der Non-domiciled-Status betrifft Personen, die ihren Lebensmittelpunkt außerhalb Großbritanniens haben. „Dieser Steuerstatus wurde vor mehr als 200 Jahren eingeführt, um Investitionen ins Empire attraktiv zu machen. Wer in Übersee Geld machte, der brauchte darauf keine Steuern zu zahlen“, erklärt Kojo Koram.

Der Sohn ghanaischer Eltern und Juraprofessor an der Londoner Birkbeck University hat ein Buch darüber geschrieben, wie sich das Erbe des Empire bis heute auf viele Lebensbereiche auswirkt – und wie es die soziale Ungleichheit im Land zementiert („Uncommon Wealth. Britain and the Aftermath of Empire“). Der Non-Dom-Status locke bis heute reiche Leute aus der ganzen Welt an, von russischen Oligarchen über saudische Prinzen bis hin zu chinesischen Unternehmern, so Koram.

Dem britischen Finanzamt zufolge residierten 2021 fast 70.000 Personen in Großbritannien, die einen Non-Dom-Status beanspruchen. Die oppositionelle Labour-Partei behauptet, dem Fiskus gingen deshalb jedes Jahr fast vier Milliarden Euro durch die Lappen.

Noch eine andere Hinterlassenschaft sorgt regelmäßig für Empörung der britischen Normalverbraucher: Steueroasen wie die Cayman-Inseln, auch als „Großbritanniens zweites Empire“ bezeichnet. Milliarden werden dort vor dem Finanzamt versteckt, obwohl „sie britisches Territorium sind und die Regierung in Westminster deren Rolle beim transnationalen Verschieben von Geldern über Nacht beenden könnte“, so Koram. Das haben die seit zwölf Jahren regierenden Konservativen aber bislang nicht gemacht.

Dabei fällt ihnen das Thema Steuervermeidung andauernd auf die Füße. Gerade erst musste einer von Sunaks Ministern zugeben, dass er Gewinne in einem Fonds im britischen Überseegebiet Gibraltar versteckt hatte und dafür eine Steuernachforderung inklusive Strafe in Höhe von 5,7 Millionen Euro zahlen musste.

Besonders pikant: Nadhim Zahawi war zum Zeitpunkt der Strafe als Schatzkanzler Herr über alle Finanzen. Brenzlig für Premier Sunak, der absolute Integrität seines Kabinetts versprochen hatte. Zumindest bei sich zu Hause konnte der Premier aufräumen. Seine Frau zahlt ihre Steuern jetzt in Großbritannien, „aus Gründen der Fairness“, wie Akshata Murty verkündete.