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Die Wahl bei Anne Will - Klingbeil: In NRW ist nichts entschieden

Die Wähler haben abgestimmt, was nun? Es gibt einen klaren Sieger, aber mehrere Optionen, und wenn’s ganz komisch läuft, kann der große Gewinner plötzlich der große Verlierer sein. Anne Will sondiert die Lage.

Lars Klingbeil (44, SPD). Der Parteichef warb in ZDF-„heute“ schon mal für eine NRW-Ampel: „Schwarz-Gelb wurde abgewählt!“

Jens Spahn (41, CDU). Der Fraktionsvize reklamiert für Parteifreund Hendrik Wüst den Regierungsauftrag: „Klarer Wahlsieger!“

Ricarda Lang (28, Grüne). Die Parteichefin legt sich nicht fest, doch ihre Leute wollen nur den zum Partner wählen, der sich „überzeugend“ für Klimaschutz einsetzt.

Christian Dürr (45, FDP). Der Fraktionschef gesteht auf Twitter seine „herbe Enttäuschung“ ein.

Mariam Lau (60). Die Journalistin („Zeit“) rühmt die Kommunikation des Wirtschaftsministers: „Die Methode Habeck, ich mache meine Zweifel öffentlich, diese Ansprache für Erwachsene, die wissen die Leute zu schätzen!“

Alphapolitiker beiderlei Geschlechts, wie aggressiv seid ihr heute? Das Zoff-o-Meter misst die Beißkraft!

Nach der NRW-Wahl diskutiert Anne Will mit ihren Gästen über den Ausgang
Nach der NRW-Wahl diskutiert Anne Will mit ihren Gästen über den AusgangFoto: ARD

Der SPD-Chef gibt erst mal verdächtige Antworten zum Ergebnis: „In NRW wissen wir jetzt noch nicht, wie die Wahl ausgeht“, schwurbelt er. „Wo es keine eindeutigen Ergebnisse gibt, muss miteinander geredet werden. In den Befragungen in den letzten Monaten gab es viele, die sagten, sie wollen eine andere Politik …“

Sind Umfragen also wichtiger als der Urnengang? „Jetzt muss Herr Wüst gucken, ob er Mehrheiten hinbekommt oder ob sich andere Mehrheiten auftun“, orakelt Klingbeil. „Mit heute ist nicht entschieden, wie NRW künftig geführt wird.“ Uff!

„Am Abend nach der Bundestagswahl haben Sie genau andersherum argumentiert“, wundert sich Will und zitiert Klingbeils Spruch über Armins Laschets Versuch, trotz der knappen Niederlage doch noch eine Jamaika-Koalition zustande zu bringen.

„Ich kann nicht verstehen, wie man aus dem historisch schlechtesten Ergebnis ableitet, dass man Kanzler werden will“, hatte sich Klingbeil damals gehögt. Jetzt fliegt ihm das um die Ohren, denn die Talkmasterin fragt: „Wie passt Ihre damalige Haltung zu der von heute Abend?“

Doch der SPD-Chef bleibt seiner Hohn-und-Spott-Strategie trotz allem treu: „Ich verfolge ja schon den ganzen Abend genüsslich, dass auch Jens Spahn und andere aus der Union diese Zitate rausgesucht haben“, grient er.

Seine Einschätzung: „Ich gehe davon aus: Herr Wüst führt die Gespräche. Dann werden wir sehen, ob er eine Regierung bilden kann oder ob es am Ende andere Regierungskonstellationen gibt.“ Horrido!

Spahn zeigt auf die unterschiedlichen Balken von CDU und SPD: „Fast zehn Prozent!“, stellt er fest. „Ziemlich eindeutig. Ja, daraus leiten wir, leitet auch Hendrik Wüst zu Recht als der Wahlsieger ab, die nächste Regierung zu bilden.“

CDU-Fraktionsvize Jens Spahn
CDU-Fraktionsvize Jens Spahn Foto: ARD

Die Talkmasterin fischt das Haar aus der Suppe: „Aber sicher kann er sich nicht sein.“

„Sicher kann man sich erst sein, wenn es so weit ist“, gibt der CDU-Politiker zu. „Das gilt für vieles im Leben. Die Ausgangslage ist sehr klar. Aber es war ja schon vor Tagen der Versuch erkennbar, aus der zweiten Position heraus irgendwie eine Regierung zu bilden.“

Lang weiß, dass sie an der Waage sitzt, will aber erst die übliche Portion Gendersprech unterbringen, was allerdings misslingt: „In Nordrhein-Westfalen haben die Nordrhein-Westfalen und die Nordrhein-Westfälerinnen gewählt“, formuliert sie. Ächz!

Grünen-Chefin Ricarda Lang
Grünen-Chefin Ricarda Lang Foto: ARD

Und mit wem will die Grüne nun regieren? Da erklingen große Worte: „Für uns ist entscheidend: Wer ist bereit, mitzugehen bei Klimaneutralität, bei sozialer Gerechtigkeit, bei Zusammenhalt?“, doziert sie. „Uns geht es um nichts weniger, als diese Industrieregion zur ersten klimaneutralen Industrieregion in ganz Europa zu machen.“ Heidewitzka!

Der SPD-Chef hat dem Wahlsieger gratuliert, die Grünen-Chefin ebenfalls, und die FDP ist auch noch da: „Ich will zunächst einmal sagen, herzlichste Glückwunsch an die NRW-CDU und an die Grünen in Nordrhein-Westfalen“, lobt Dürr, „das ist ein ordentlicher Wahlsieg gewesen.“

Die Talkmasterin grinst höhnisch: „Machen Sie das gleich eigentlich auch noch, Frau Lau?“ fragt sie. „Ich gratuliere auch noch mal, allen anderen“, bestätigt die Journalistin prompt. „Sehr gut!“, lobt Will.

Dürr fühlt sich veräppelt. „Ich finde, das gehört dazu, unter Demokraten“, erwidert er leicht angesäuert. Niedriger hängen!

Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP-BundestagsfraktionFoto: ARD

„Für die FDP ist das eine bittere Wahlniederlage, da beißt die Maus keinen Faden ab“, gesteht der Liberale dann ein. Aber: „Es ist verdammt schwer, wenn man zum ersten Mal Spitzenkandidat ist.“

Seine eigene Nummer 1 lobt der Fraktionschef über den Schellenkönig: „Der Joachim Stamp ist ein richtig toller Typ!“ Aber: „Es ist unfassbar schwer gewesen für uns, weil eben die Personen nicht so bekannt waren.“

„Er war Minister“, erinnert Will. „Er ist ja nicht aus dem Nichts gekommen!“

Spahn zündelt an der Ampel: „Die SPD sagt den ganzen Abend, die FDP wäre der Wahlverlierer, und hat einen ganzen Kübel Häme für den Partner in Berlin!“, spottet er. „Es gab sogar Sozialdemokraten, die sich gewünscht haben, dass die FDP unter der 5-Prozent-Hürde bleibt!“

Klingbeil haut sofort auf den Schlagknopf seines Feuerlöschers: „Da muss ich widersprechen! Jetzt mal die Kirche im Dorf lassen!“, ruft er. Statt eines Spalts in seiner Ampelkoalition will der SPD-Chef lieber einen Riss bei Schwarz-Gelb sehen.

Seine These: Die Zuspitzung auf die zwei Spitzenkandidaten habe dazu geführt, „dass viele, die eigentlich FDP gewählt hätten, dann doch die Union gewählt haben, weil sie wollten, dass Herr Wüst als Stärkster durch die Ziellinie geht.“

„Es ist auf jeden Fall ein Denkzettel für die Ampel“, urteilt „Zeit“-Journalistin Lau. „Es ist vor allem auch eine Ansage an Olaf Scholz, der den Wahlkampf geführt hat mit dem Slogan ‚Respekt‘, der aber in seinem Auftreten sehr, sehr oft eine Arroganz an den Tag legt!“

Zeit-Journalistin Mariam Lau
Zeit-Journalistin Mariam Lau Foto: ARD

Ihre Beispiele sind typische Scholzismen wie sein Spott über „diese Jungs und Mädels“ nach der Reise der drei gestandenen Politiker aus den Koalitionsparteien nach Kiew. „Arroganz einerseits und Intransparenz andererseits“, wettert Lau auch über die Kommunikation des Kanzlers in der Frage der Waffenlieferungen. Rumms!

Zu den wenig erfolgreichen Wahlkampfauftritten des Kanzlers beteuert Klingbeil: „Es gibt ein klares Bekenntnis der NRW-SPD zu Olaf Scholz. Das zeigen auch die Befragungen, dass er dort sehr hohe Beliebtheitswerte hat. “

„Nee, nee“, unterbricht ihn die Talkmasterin. „Das zeigen die gerade nicht.“ Die aktuellste Umfrage komme „gerade auf die Monitore hereingeflogen“. Sie zeigt, „dass Olaf Scholz nur von 35 Prozent als große Unterstützung für die SPD in NRW“ beurteilt wurde. Autsch!

„Da gibt es anscheinend unterschiedliche Befragungen“, murrt der SPD-Chef, räumt aber immerhin ein: „Politiker sind unterschiedlich in ihrer Kommunikation.“ Kann man so sagen …

Klingbeils nächste Ausrede: „Für einen Krieg wie in der Ukraine gibt es kein Drehbuch, und deswegen ist es auch o.k., wenn man abwägt. Wichtig ist, und das ist die Politik von Olaf Scholz, dass am Ende ein vernünftiges Ergebnis steht.“ Ja klar …

Spahn stochert in der Wunde: „Bei mir stehen überall Plakate mit Olaf Scholz drauf“, ätzt er. „Es war der Versuch, daraus eine bundespolitische Abstimmung zu machen. Und das hat nicht funktioniert.“

Über die Ampel schimpft der CDU-Mann: „Ich habe erst gedacht, wow, das wird schwer für uns. Aber dann fing es ja schon an: Impfpflicht, Energiepreise, Waffenlieferungen … Das einzige, wo man sich wirklich schnell einig ist, ist die Cannabis-Legalisierung.“ Hosianna!

Das sind dann auch die Streithemen der nächsten dreißig Minuten: Eifrig, energisch und erfolglos zoffen sich die Politiker über Tankrabatte, Pendlerpauschale, Wärmepumpen oder Energieeffizienzklassen. Uff!

„Wir machen unsere Entscheidungen nicht, um Wahlergebnisse zu beeinflussen“, behauptet Klingbeil dann trockenen Auges. „Über die Inflation haben wir vom Kanzler noch nichts gehört!“ beschwert sich Spahn. „Unser klassisches Wohlstandmodell wird sich nicht halten lassen“, fürchtet Lau.

„Es funktioniert doch nicht, im Bundestag eine Zeitenwende zu verkündigen und gleichzeitig zu sagen, dass es bei allen anderen Themen 1:1 beim Koalitionsvertrag bleibt“, lästert Spahn zum Schluss.

„Es gibt genug Punkte, wo wir aufgrund geänderter Realitäten die Entscheidungen anders treffen mussten“, verteidigt sich Klingbeil und meint etwa die Waffenlieferungen. „Aber klar ist für mich auch: Rente, Kindergrundsicherung, Bürgergeld, an diesen Projekten wird nicht gerüttelt.“ Basta!

„Wir messen den Bundeskanzler nur an dem, was er uns angekündigt hat.“ Jens Spahn

Machtspielchen und kreatives Schönrechnen, nach taktischer Leisetreterei ertönten bald selbstzufriedene Trompetenstöße und statt der Sonntagsfrage kam eine Sonntagsplage. Der Talk wollte informativ wie ein ARD-„Brennpunkt“ sein, war aber doch nur ein Rede-Marathon der Kategorie „Laberfeuer“.