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Dortmund weint, München lacht: FC Bayern taumelt zur Deutschen Meisterschaft

Der FC Bayern München ist Deutscher Meister. Weil Borussia Dortmund patzt und Jamal Musiala in der 89. Minute zum Sieg der Münchener in Köln trifft, rettet der Rekordmeister am Ende einer komplizierten Saison doch noch einen Titel.

Es passt einfach zu dieser skurrilen Saison in der Fußball-Bundesliga: Der FC Bayern ist zum elften Mal in Folge Deutscher Meister, weil das zwischen ständiger Euphorie und Verzweiflung changierende Borussia Dortmund daheim gegen den FSV Mainz 05 eine letzte, finale sportliche Panikattacke bekam. Die Münchner erledigten ihre Aufgabe im Parallelspiel dieses 34. Spieltags beim 1. FC Köln mit 2:1. Glücklich: Nachdem der 1. FC Köln die frühe Führung durch Kingsley Coman (8. Minute) spät durch einen verwandelten Handelfmeter (80. Minute) ausgeglichen hatte, war Borussia Dortmund trotz eigenen Rückstand zu diesem Zeitpunkt Deutscher Meister - für neun Minuten: In der 89. Minute erzielte der eingewechselte Jamal Musiala das erlösende Tor. Der BVB konnte erst tief in der Nachspielzeit einen 0:2-Rückstand wenigstens teilweise reparieren, das 2:2 aber war am Ende zu wenig.

Die Erleichterung in München über diesen einzigen Titel der Saison muss gigantisch sein. Denn dieses Spieljahr hatte den Verein an seine Grenzen getrieben und nicht selten standen sie davor, darüber hinaus geschubst zu werden. Die Bosse waren All-In gegangen, hatten Trainer Julian Nagelsmann gefeuert, obwohl er und seine Mannschaft noch die Chance auf das Triple hatten. Sie hatten den Coach dafür abgestraft, dass er offenbar den Zugang zu seinen Spielern verloren hatte. Was manche von ihnen dementierten. Unter anderem Joshua Kimmich, der wichtigste Führungsspieler von Nagelsmann.

Ob der All-In-Plan nun aufgegangen ist, darüber wird auch an diesem Samstag noch nicht abschließend geurteilt. Die Fachjury, der Aufsichtsrat, kommt nach Saisonende zusammen und wird alles auf den Tisch bringen. Lediglich der neue Trainer Thomas Tuchel darf sich von den handelnden Protagonisten abseits des Feldes sicher sein, dass er in der nächsten Spielzeit noch den gleichen Verantwortungsbereich besitzt. Deutlicher prekärer ist die Lage derweil bei Klubboss Oliver Kahn, Gerüchte um eine Ablösung spitzen sich immer mehr zu, und Sportvorstand Hasan Salihamidžić, die für ihr Krisenmanagement und ihre Kaderplanung heftig in der Kritik stehen. Der Titel ist Balsam auf die Wunden, aber auch Heilmittel?

Der Bruch kam nach Katar

Was war alles los in dieser Spielzeit, die bis zur WM-Unterbrechung eine normale zu werden schien. Mit all den kleineren Turbulenzen. Doch das deutsche Debakel in Katar riss auch den Rekordmeister mit in den Schlund. Erst brach sich Kapitän Manuel Neuer das Bein, dann wurde sein Vertrauter Toni Tapalović auf Geheiß von Nagelsmann aus dem Torwarttrainer-Amt gejagt. Neuer reagierte mit einer Wut-Abrechnung, die es in sich hatte. Für einen Moment war sogar das Undenkbare denkbar: eine Trennung von Neuer. Doch irgendwie renkten sich die Dinge im unbeachteten Hintergrund wieder ein. Wohl auch, weil Yann Sommer, sein Ersatz, längst nicht so brillant aufspielte, wie man sich das erwartet hatte. Wieder einmal blieb ein Star unter seinen Möglichkeiten.

Was zu Sadio Mané führt. Der Senegalese war vor der Saison als Monster-Transfer gefeiert worden. Seine Vita hatte ausreichend Gründe für den Rauschzustand geliefert. Beim FC Liverpool war er ein Weltklassespieler, aber wenn man nun darauf blickt, dann eben auch einer, der über den Zenit hinaus war. Wäre es anders gewesen, hätten die Reds in vermutlich auch nicht verkauft. Aber nachher lässt sich immer unken. Mané startete furios, war aber nie der Mann, der Robert Lewandowski ersetzen konnte - und stürzte nach seiner Verletzung vor dem WM-Start komplett ab. Als Rollenspieler krachte es gewaltig mit Nagelsmann. Eine Ohrfeige gegen Leroy Sané brachte ihn offenbar nah an den Rauswurf, es wurde aber nur eine kurze Suspendierung. Ein Verbleib über den Sommer hinaus scheint unwahrscheinlich. Nur wer nimmt diesen Fußballer?

Diese Frage dürfte den FC Bayern nicht nur bei Mané beschäftigen. Der Kader steht abermals vor einem Umbruch. Größte Planstelle ist das Sturmzentrum. Die große Fehleinschätzung von Nagelsmann und Salihamidžić, den Abgang von Lewandowski ohne echten Neuner zu kompensieren, hat den Klub unter anderem in diese sportliche Dilemma-Saison gezwungen. Wie sehr ein Mann im Zentrum fehlt, offenbarten die Champions-League-Duelle mit Manchester City, in denen Erling Haaland traf. Einmal zum vorentscheidenden 3:0 im Viertelfinal-Hinspiel und einmal als Hoffnungskiller im Rückspiel zu 1:1. Nun ist die Lage so: Topstürmer gibt es wenige, verfügbare noch weniger. Und wenn, dann sind sie sauteuer. Wie etwa Randal Kolo Muani oder ein Victor Osimhen oder ein Harry Kane. Der FC Bayern scheut die notwendigen Monstersummen von über 100 Millionen Euro.

Viele Fragen offen

Noch. Denn in München sind sie sich durchaus bewusst, dass sie investieren müssen, wenn sie im Kampf um die Krone von Europa nicht von Investorenklubs abgehängt werden wollen. Und das wollen sie nicht. Weitere Planstellen: Was wird aus Sané und Serge Gnabry? Die beiden Nationalspieler haben ihre guten Momente, Sané in der Hinrunde, Gnabry im Endspurt, aber eben auch ihre Aussetzer. Auf und neben dem Feld. Längst fehlt der Glaube, dass sie historisch wertvoll werden können wie die verehrten Franck Ribéry und Arjen Robben. Und was ist mit der "Sechs"? Joshua Kimmich fehlt ein Mann an seiner Seite, der ständig die Defensive absichert. Leon Goretzka ist das nicht. Das Powerhouse hat Rhythmusstörungen. Mit Konrad Laimer kommt ein neuer Mann aus Leipzig, er kann diesen defensiven Part spielen. Aber ist er ein Mann für das höchste Niveau?

An Laimer ist Tuchel interessiert und das einen defensiven Sechser ist er bei seinen Kadern gewöhnt. Ebenso wie die unbegrenzten Möglichkeiten. Bei seinen Ex-Arbeitgebern Paris St. Germain und FC Chelsea spielte Geld höchstens eine untergeordnete. Wie wird er auf das nächste Transferfenster blicken? Was sind seine Wünsche, wie passen sie mit den Plänen von Möglichkeiten von Salihamidžić zusammen? Schon einmal hatte ein Kader-Dissens den Klub an die Grenzen getrieben, am Ende verlor Hansi Flick den Machtkampf mit dem Sportvorstand. Der Titel nun ist eine Erleichterung, eine Blaupause. Denn der FC Bayern bleibt angeschlagen wie selten zuvor.