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Droht Deutschland eine zweite Flüchtlingskrise?

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

als Putin im Februar 2022 mit seinen Soldaten in die Ukraine einmarschierte, löste dies in Europa die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Inzwischen sind mit rund 1,2 Millionen Ukrainern hierzulande mehr Menschen aufgenommen worden als während der Flüchtlingskrise 2015, die Deutschland vor eine Zerreißprobe stellte und 2017 maßgeblich zum Einzug der AfD in den Bundestag beitrug.

Das haben Sie gar nicht gemerkt? In den Medien war das in den vergangenen Monaten gar nicht so sehr Thema?

Das liegt nicht zuletzt daran, dass Freiwillige und ukrainische Communitys einen Großteil der Last schultern. Familien pflastern ohnehin beengte Wohnungen mit Luftmatratzen; Helfer öffnen Fremden ihre Türen. Und dank einer EU-Richtlinie müssen die Geflüchteten keinen Asylantrag stellen und dürfen rasch arbeiten. Doch noch immer fliehen viele Menschen vor Raketenbeschuss, Mord und Vergewaltigung im Kriegsgebiet.

In den vergangenen Monaten ist außerdem die Zahl von Asylsuchenden aus anderen Ländern wie Syrien, dem Iran, dem Irak und Afghanistan wieder gestiegen. 2022 waren es dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zufolge knapp 218.000 – so viele wie zuletzt 2016.

Immer öfter müssen nun Kommunen für die Unterbringung sorgen. Und die stöhnen schon seit Wochen unter der Last. Weil wohl so mancher Brandbrief an die Landes- und Bundespolitik unbeantwortet blieb, tun sie es jetzt zunehmend öffentlich.

Die Kapazitäten seien begrenzt, schrieben zum Beispiel hessische Kommunalpolitiker – darunter CDUler wie Grüne – in dieser Woche an den Kanzler. "Aktuell mieten wir wieder Hotels und private Unterkünfte an, um die Lage zu bewältigen." Andere Verwaltungen, zum Beispiel die der Hauptstadt Berlin, bringen die Menschen wieder in Zelten, Containern oder Turnhallen unter. Humanes Wohnen sieht anders aus. Von anderen heißt es inzwischen schlicht: Es geht nicht mehr, wir haben keinen Platz mehr.

Und in der Bundespolitik? Kaum ein Thema – bis jetzt. Unter dem aktuellen Druck versprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Sonntag, noch in dieser Woche einen Flüchtlingsgipfel zwischen Bund und Ländern einzuberufen. Einen solchen Gipfel gab es allerdings bereits im Herbst. Dort versprach Faeser unter anderem zu prüfen, wie der Bund die Kommunen "noch mal mit Immobilien unterstützen" könne. Jetzt aber kommen Klagen aus den Ländern: Was der Bund zur Verfügung stelle, tauge oft gar nicht mehr als Unterkunft.

Prüfen will auch Kanzler Scholz – nämlich, wie man jene, die gar keinen Schutz brauchen, schneller wieder abschieben kann. Es brauche nun "sehr handfeste Abkommen mit Herkunftsländern", sagte er am Sonntag. Eine Forderung, die auch Kommunen erheben.

Und zweifellos gibt es Probleme bei der konsequenten Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Aber Scholz' Prüfen hilft den Kommunen wenig, die nun schnelle und unkomplizierte Hilfe brauchen.

Das Thema muss auf allen Ebenen angegangen werden, wenn man es nicht den Rechten überlassen will, die mit Freude zündeln werden. Rechtsextreme mobilisieren bereits zu Protesten, gerade in den betroffenen Orten. Schon jetzt fühlt sich das an wie ein bitterböses Déjà-vu.

Eine von vielen notwendigen Hilfen wäre es, wenn die Ampelregierung eines ihrer großen Versprechen einlösen würde: 400.000 Wohnungen pro Jahr wollte sie in Deutschland bauen – davon 100.000 Sozialwohnungen. Denn in den Flüchtlingsheimen fehlt nicht nur Platz für Neuankommende. Wer eigentlich ausziehen dürfte, findet oft keine Bleibe.

Doch die Zielmarke wurde 2022 weit verfehlt und wird nach Expertenschätzungen auch 2023 und 2024 nicht erreicht werden, wenn es so weiterläuft. Es ist dringend notwendig, den Druck auf die Länder zu erhöhen und auch Möglichkeiten außerhalb des Neubaus auszuloten – zum Beispiel eine Verlängerung der Preisbindung im sozialen Wohnungsbau. Denn derzeit fallen jährlich mehr Wohnungen aus diesem Segment heraus, als neu gebaut werden.

Das Problem betrifft übrigens bei Weitem nicht nur Neuankömmlinge: 1,1 Millionen Sozialwohnungen gibt es in Deutschland, aber gut 11 Millionen Menschen haben inzwischen Anspruch auf eine solche Wohnung. Das ist ein deprimierendes Verhältnis von 1 zu 10, jahrelange Verzweiflung ist für die Anspruchsberechtigten programmiert.

Bund wie Länder stehen in der Pflicht und müssen jetzt an einem Strang ziehen. Sonst werden Flüchtlings- wie Wohnraumfrage zu Dynamit für den Zusammenhalt in Deutschland.

Was steht an?

Mit der AfD feiert die umstrittenste Partei Deutschlands an diesem Montag ihren zehnten Geburtstag. Im hessischen Königstein sind 300 Parteifunktionäre und -freunde eingeladen. Gegenproteste sind angekündigt, Schulen im Ort geben den Kindern sicherheitshalber frei. Bei der Party fehlen werden viele der 18 Gründungsväter der AfD. Die nämlich sind inzwischen fast alle ausgetreten. Einer von ihnen hat mit t-online gesprochen. Er sagt: "Die heutige Partei mit diesen Parolen und diesen Leuten habe ich so nicht gewollt." Mehr dazu lesen Sie hier.