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Ein ganzes Stadion wie im Rausch: Grotesker Hype um Cristiano Ronaldo zerstört den Fußball

Ein ganzes Stadion wie im Rausch Grotesker Hype um Cristiano Ronaldo zerstört den Fußball

Mit einem überragenden 6:1 gegen die Schweiz setzt Portugal im Achtelfinale der WM ein Ausrufezeichen. Im Stadion selbst ist davon wenig zu spüren. Die über 80.000 Zuschauer sind nicht wegen des Spiels gekommen, sie wollen nur einen sehen: Cristiano Ronaldo. Der sitzt auf der Bank. Ein Problem.

Wer wissen wollte, was am Fußball alles kaputt ist, der musste am Dienstag nur ins goldglitzernde Lusail Iconic Stadium in Doha kommen. Das WM-Achtelfinalspiel zwischen Portugal und Schweiz endete mit 6:1 (2:0). Es war ein außerordentliches Duell mit herrlichen Toren vor einer überwältigenden Kulisse von 83.720 Zuschauern. Der 21-jährige Goncalo Ramos erzielte in seinem ersten Startelfeinsatz für sein Land drei Treffer, Joao Felix brillierte, die Eidgenossen zerfielen zu Staub. Es war ein WM-Abend für die Geschichtsbücher.

In der 60. Minute ging erst ein Raunen durch das Stadion, dann stimmte eine Gruppe den Gesang an. "We want Ronaldo. We want Ronaldo", wir wollen Ronaldo, wir wollen Ronaldo. Und das war das Problem an diesem Spiel. Der 37-jährige Cristiano Ronaldo stand nicht auf dem Platz und deswegen war das, was dort passierte herzlich egal. Denn die Zuschauer waren, so sie der kleinen Gruppen Schweizer oder Portugiesen angehörten, ausschließlich für den fünfmaligen Weltfußballer ins Lusail Iconic Stadium gekommen. Aus den "We want Ronaldo"-Rufen wurden schon bald "Ronaldo, Ronaldo, Ronaldo"-Gesänge.

Vom guten Fußballer zum Clown

Der war kurz vorher in der Aufwärmzone neben der Trainerbank aufgetaucht, hielt ein Pläuschen mit einem der Assistenztrainer und setzte sich wieder auf die Bank. "Ronaldo, Ronaldo, Ronaldo", riefen sie, nachdem Goncalo Ramos nach einem traumhaften Zuspiel von Joao Felix den Ball zum 5:1 über den bemitleidenswerten Schweizer Keeper Yann Sommer chippt. Und nicht mehr zu halten waren sie, als er, der Heilige, Cristiano Ronaldo, urplötzlich im Trikot an der Seitenlinie auftauchte. Jubelstürme tosten durchs Stadion. Ronaldo wartete noch ein wenig.

In Vergessenheit geraten war da, dass er einst wirklich ein guter Fußball war und nicht der Clown, der er jetzt, da er sich unter dem donnernden Applaus der Massen vom 39-jährige Pepe die Binde überstreifen ließ, war. In Vergessenheit geraten war da auch bereits der Auftritt von Goncalo Ramos, der nahezu unbemerkt vom Platz ging und doch allen Beifall verdient hatte. Bei Ronaldos erstem Ballkontakt brach das Stadion beinahe in sich zusammen. So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen.

In den verbleibenden Minuten stolzierte er über den Platz, schoss einen Freistoß grotesk in die Mauer, erzielte einen Abseitstreffer. Nach insgesamt sieben Ballkontakten ließ er sich nach Abpfiff von den Fans bejubeln und verzog sich in die Kabine. Das 195. Länderspiel des vereinslosen Cristiano Ronaldo war eines seiner kürzesten und das erste seit der EM 2008, das er bei einem Turnier auf der Bank begannen. Die Zuschauer im Lusail Iconic Stadium störte das nicht.

Der perfekte Star für diese WM

Es gab an diesem Abend drei Mannschaften. Portugal, Schweiz und eben Cristiano Ronaldo. Bereits bei der Nationalhymne teilte sich das Meer der Fotografen. Ein Großteil hielt auf die Ersatzbank, hielt auf das 33. Land bei dieser WM – auf CR7. Der zog eine lange Miene. Er hat zwar sportlich nichts mehr zu melden, will aber immer spielen, da in seiner Welt niemand je seine Klasse erreichen wird. Er ist der perfekte Star für diese WM des Größenwahns, für die absurde Entertainmentmaschine namens FIFA und ihren Boss Gianni Infantino. Mit Fußball hat dieser Personenkult nichts mehr zu tun.

Bis zum Achtelfinale war es bei Portugal nur um den Krisenstaat Cristiano Ronaldo gegangen. Die kultische Verehrung des fünfmaligen Weltfußballers nahm absurde Züge an. Nahezu jeder dritte Besucher der WM trug und trägt in Doha den "Schriftzug" Ronaldo auf dem Rücken. Neben Lionel Messi erhob er dieses Weltturnier zu einem, in dem erstmals die Spielermarken bedeutender als die eigentlichen Länder sind. Heute Argentinien, morgen Portugal. Der neue Fußball, der sich dieser Tage einer Weltöffentlichkeit präsentiert.

In den Gassen des Souq Waqifs und auf dem goldglitzernden Lusail Boulevards neben dem Finalstadion, eben jenem goldglitzernden Lusail Iconic Stadium, sprangen die Fans noch schnell einen CR7-Jubler ein. In der Metro riefen sie "Siuuu" und videotelefonierten ihre Gesänge in ihre Heimat.

Eklat im Spiel gegen Südkorea

Und auf dem Feld traf Ronaldo. Zumindest beim 3:2 gegen Ghana. Und da nur vom Elfmeterpunkt. Denn er hatte erst während des Spiels einen Snack aus seiner Hose gekramt und dann die Journalisten in der Mixed Zone zu kleinen Kindern werden lassen, die alles für ein Selfie mit CR7 taten. Im nächsten Spiel gegen Uruguay wollte er seinem Teamkollegen Bruno Fernandes ein Tor klauen, um endlich mit Eusebio gleichzuziehen. Der hat neun Treffer bei Weltmeisterschaften, Ronaldo acht.

Gegen Südkorea dann kam es zum Eklat, als er sich über seine Auswechslung beschwerte. Trainer Fernando Santos hatte die Schnauze gestrichen voll und setze ihn auf die Bank. Die Höchststrafe für Ronaldos Ego. Das hatte er zuletzt schon bei Manchester United bewiesen. Nach einem vollkommen irren Interview, in dem er sich unter anderen mit einer Erdbeere, in die man reinbeißen will, verglich, schmiss der Verein ihn raus. Seither kokettiert er mit einem 200-Millionen-Euro-Angebot aus Saudi-Arabien.

Und so gockelte Ronaldo im goldglitzernden Lusail Iconic Stadium über den Platz, die Zuschauer fielen bei seinem Anblick beinahe in Ohnmacht und sahen deswegen nicht, wie mit dem überragenden Goncalo Ramos ein neuer Stern am portugiesischen Fußballhimmel aufging. Portugal, das bewies diese Nacht, braucht seinen alten Helden nicht mehr. Und der Fußball braucht Cristiano Ronaldo auch nicht mehr. Er steht für alles, was im Fußball kaputt ist.