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Ein Stück Lokal-Geschichte geht zu Ende: Das "La Gondola" schließt

Kulinarisch gesehen war die Niederwerrner Straße mal der "Canal Grande" von Schweinfurt, gesäumt von kleinen Palazzos voll mediterraner Küche und Lebensart. Zu den besten Zeiten reihten sich mit dem Eiscafé Riviera, dem Restaurant La Gondola und der Pizzeria da Tony gleich drei "Italiener" hintereinander. Mit der gastronomischen Grandezza von einst ist es demnächst vorbei. Am 11. Dezember wird die Glut des Pizzaofens verlöschen in der Pizzeria La Gondola, dienstältestes italienisches Restaurant der Stadt. Inhaberin Michelina Sciretta und Ehemann Antonio Sciretta gehen dann in den Ruhestand, nach über 20 Jahren am Steuer dieses Traditionsbetriebs.

"Es liegt nicht an Corona, und auch nicht daran, dass die Amerikaner nicht mehr da sind", sagt Tochter Alessandra, die lange Zeit mit- und ausgeholfen hat. Die Kinder gehen beruflich eigene Wege. Neben dem Rentenalter der Eltern liegt es vor allem am längerfristig fehlenden Personal, dass die Gondel nicht weiterfährt in stürmischen Zeiten. Mitarbeiter seien immer schwieriger zu bekommen und nach dem Einarbeiten oft schwierig zu halten, berichtet Schwiegersohn Rüdiger Hölzel. Um die 15 Beschäftigte hatte das Ristorante, als der Laden noch so richtig gebrummt hat, an einer der Schweinfurter Hauptverkehrsachsen: "Jetzt sind sie zu dritt." Wie es im Gebäude selbst weitergeht, ist noch unklar, die Räume sind gepachtet.

Die auf absehbare Zeit steigenden Energiepreise seien zwar kein Grund für die Schließung, meint Hölzel: "Aber sie haben die Entscheidung erleichtert." Die Scirettas hätten mehrere Gründe, gerade jetzt aufzuhören. Indirekt liege es schon auch an der Lockdownzeit, in der allgemein viele erfahrenen Gastronomie-Angestellte den Beruf gewechselt hätten. Auch das Alter fordert seinen Tribut: "Mama steht seit 45 Jahren am Herd", sagt Alessandra Sciretta. Vater Antonio sei gesundheitlich nicht mehr so ganz auf der Höhe, eine nötige Operation wäre immer weiter aufgeschoben worden, ob des Personalmangels. Antonio knetet tatsächlich auch an diesem Tag den Pizzateig und kommt nur für das Foto aus der Küche.

Als die Pizza Mary noch fünf D-Mark gekostet hat

Es ist ein Stück Lokal-Geschichte, das da in der Niederwerrner Straße 62 zu Ende geht. "6.6.1959" steht auf der zweitältesten, zweisprachigen Speisekarte des Hauses: das Eröffnungsdatum. Es waren die Zeiten, als eine Pizza Mary mit "everything" fünf D-Mark gekostet hat, "Spaghetti with Tomatosauce" drei Mark und 50 Pfennig. Zum Zielpublikum zählte eindeutig die US-amerikanische Garnison.

Ursprünglich wurde die Pizzeria Italiana noch durch "Herrn Burigana" und seine Schwester Teresa betrieben, die das Ruder im Oktober 1999 an Michelina Sciretta weitergegeben haben. Die heutigen Betreiber stammen aus Rimini und haben einige Erfahrung in Sachen Pizza und Pasta über die Alpen mitgebracht, dank Großmutters Rezepten. Bereits Ende der 80er-Jahre wurde ein Restaurant in Fulda eröffnet. Schon der Großvater hatte nach dem Krieg beim Wiederaufbau mitgeholfen, bei der Deutschen Bahn in Köln.

Die La Gondola, das war eine Schweinfurter Institution, mit markanter Markise über dem Biergarten und aktuell etwa 80 Plätzen draußen und 55 drinnen. Schon die Neonröhren-Schriftzüge und Logos aus den 50ern sind Kult, als Hingucker sowohl am Fenster wie auch am Dach. So einfach war es gar nicht, für Reparaturen einen heimischen Glashandwerker zu finden, der sich mit dem handgeblasenen Muranoglas ausgekannt hat, das da an der Fassade leuchtet.

Mehr als zwölf Weltumrundungen

Um den Titel der ältesten italienischen Pizzeria der Stadt hat die La Gondola lange mit der einstigen Pizzeria da Tony konkurriert, da ging es um ein paar Wochen und die genaue Zählweise. Gute Kunden waren die GIs, die oft Schlange standen. Da wurden schon mal spontan Tische für 40 Personen geordert. 30 Lieferungen habe es teilweise pro Fahrt gegeben, erinnert sich die Familie, wenn die vier Pizza-Autos in die Kaserne rauschten. Der Cinquecento brachte es so auf 240.000 Kilometer. Das Modell "rosaroter Panther" soll am Ende sogar 500.000 Kilometer auf dem Zähler gehabt haben. Das wären mehr als zwölf Weltumrundungen.

Zuletzt waren es immer mehr Auflagen und Verwaltungsarbeit, die das klein gewordene Team auf Trab gehalten haben. "Qualität hat ihren Preis", diese Botschaft geben die Scirettas den Freunden von Vino und italienischer Küche mit auf den Weg, am Ende der Reise mit der La Gondola.