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Eine für alle: Das Zebra auf meiner Terrasse

Ich weiß NICHTS über Südafrika, dessen bin ich mir bewusst. Ich bin hier aus familiären Gründen. Und ich beginne, dieses Land zu lieben. Ohne die übliche Verklärung, hoffe ich, ich will realistisch bleiben. Eine Kolumne über die Dinge des Lebens, die schwer zu ändern sind.

Ich wache um 5.30 Uhr auf, es ist noch dunkel, in der Ferne beginnt es zu dämmern. Das Fenster über meinem Bett - ich befinde mich in einer "Hütte" in einem Reservat - zeigt mir die letzten Sterne des unglaublichen, noch sehr kalten Himmels über Afrika. Aufstehen, die Safari geht gleich los, mir fehlen noch die Löwen und andere Raubkatzen auf meiner "Liste".

Sie werden nicht meine Highlights* sein, denn meine Highlights waren bereits die Giraffen, Nashörner, Flusspferde, Affen, Straußen-Vögel und die Elefanten. Und die Zebras. Sie stehen sogar auf der Terrasse. Als wäre es das Normalste auf der Welt. Sie interessieren sich nicht für mich, sie fressen. Was für ein Leben: Den ganzen Tag fressen, mit der Herde unterwegs, ein paar Späßchen für die Touristen, ans Wasserloch, weiter fressen, paaren, fressen, hinlegen.

Nur die Löwen nerven hin und wieder. Da kann schon mal ein Zebra draufgehen, aber wo ist das nicht so im Leben, dass mal einer draufgeht? Während ich nun die Zebras betrachte und mich frage, ob sie mehr schwarze oder weiße Streifen haben (die sie übrigens haben, um sich gegen die TseTse-Fliege zu schützen, die einfach nicht auf Streifen steht, ich aber schon), frage ich mich wiederholt - Achtung, großer Gedankensprung - wie es hier nun steht in Sachen Apartheid.

Zwischen Langa und Nyanga

Der nette junge Mann, der mich vom Flughafen abgeholt hat - er erzählt, dass er lange in einem Naturschutz-Reservat gearbeitet hat, sich nun Geld als Fahrer verdient und vorhat, dem Township eines baldigen Tages zu entkommen. Er wohnt bereits in einer besseren Gegend des Townships, will sich fortbilden und wieder mit Tieren arbeiten. Ich verstehe ihn sehr gut.

Ich will Sie nicht mit Zahlen langweilen, aber es leben wohl um die drei Millionen Menschen in den Townships, die sich bei Kapstadt an die Hügel schmiegen, endlos fahren wir daran vorbei auf dem Weg nach Stellenbosch. In meiner Mutterstadt Berlin leben an die vier Millionen. Und in Kapstadt offiziell ebenfalls an die vier Millionen. Zu 98 Prozent ist die Bevölkerung in den Townships Schwarz. Das Ende der Apartheid? Es scheint auch fast 30 Jahre nach den ersten freien Wahlen noch nicht angekommen zu sein in Südafrika, zu vieles wurde versäumt.

Unvorstellbar, ein Township, das hauptsächlich aus Wellblechhütten besteht, vor den Toren Hamburgs oder Münchens, oder? Menschen kommen hierher, um ihrer noch größeren Armut woanders im Land zu entfliehen. Sie heißen Langa (Sonne), und Nyanga (Mond), aber auch Khayelitsha, "Neue Heimat". Es ist ihre Heimat.

Schwarzes Herz in weißer Brust?

Auf dem Weg vom Flughafen jedenfalls erzählt der sehr belesene Fahrer die Geschichte von Dr. Christiaan Barnard, dem südafrikanischen, weißen Chirurgen, dem es als erstem gelang, ein menschliches Herz zu transplantieren. 1967 war das. Der Herz-Empfänger musste ein Weißer sein, um den Vorwurf zu vermeiden, die Mediziner hätten mit dem Leben eines Schwarzen "gespielt". Medizinische Versuche an Schwarzen Menschen wurden weltweit weiter gemacht.

Der weiße Herzempfänger, ein Endfünfziger, starb dennoch 18 Tage nach der Verpflanzung des Herzens einer weißen jungen Frau, die nach einem Unfall für hirntot erklärt wurde, an einer Lungenentzündung. Der Durchbruch - in Sachen Herztransplantation - war jedoch geschafft. Blut ist rot, die Hautfarbe eine Frage der Pigmentierung und die Einstellung, die hinter so vielem steht, was Menschen blind, dumm und einfältig macht, nennt man Rassismus. Davon gibt es auf der ganzen Welt eindeutig zu viel.

In Gedanken versunken stehe ich noch immer auf der Terrasse im Naturreservat, wo es den Tieren so viel besser geht als vielen Menschen, und betrachte die pferdeähnlichen, gestreiften Tiere, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Rassismus gibt es nicht nur in Afrika, schon klar, aber hier fällt es mir eben gerade besonders auf, weil die Menschen, die mir den Kaffee bringen und die Betten machen, die Tore öffnen und auf der Straße am Rand sitzen, die auf den offenen Jeeps kauern und von weißen Männern zu Baustellen gefahren werden, alle Schwarz sind. Die, die was zu melden haben, sind überwiegend weiß.

Fahrradtour durch die Armut?

Die Gäste im Resort, in dem ich momentan bin, sind jedenfalls alle weiß, das ist eine Tatsache. Keine Schwarzen Touristen kann das sein? Es kann. Auf dem Weingut, auf dem ich in den letzten Tagen gewohnt habe, konnte ich die Schwarzen Leute, die aussahen, als würden sie just for fun auf dem riesigen Anwesen herumspazieren, an einer Hand abzählen.

Um mir mein eigenes Bild zu verschaffen, könnte ich nun also eine geführte Tour in ein Township machen, auf einem Fahrrad zum Beispiel, ich lese davon in einer Zeitung. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass ich das machen werde. Nicht, weil ich Angst habe. Oder doch, ich habe schon Angst - Angst davor, dass mich das zu sehr bedrücken könnte. Nun, ich könnte dort sicher sehr lecker essen gehen, wunderschöne bunte Stoffe kaufen und tollen Jazz hören, aber ich käme mir vor wie ein Voyeur. Vielleicht bei meinem nächsten Besuch in Südafrika eines Tages? Der Autor des Zeitungsartikels schreibt noch, die Tour sei für ihn belastend gewesen - aber ist es nicht viel belastender für die Leute, die dort im Township leben, ein paar pseudo-sportliche Weiße auf Rädern durch ihre unbefestigten Straßen eiern zu sehen, die Betroffenheit im Gesicht, wissend, dass sie abends bei einem köstlichen kühlen Blush Rosé den Tag Revue passieren lassen können, um dann sanft in ihre Federbettchen zu plumpsen?

Wenn ich einen Grund hätte, dorthin zu gehen, dann ginge ich dorthin. Wenn ich konkret etwas tun könnte, etwas anzubieten hätte. Aber einfach nur glotzen? Geen dankie, nein danke. Apropos Africaans, komische Sprache, so ein Deutsch-Holländisch-Englisch-Mischmasch, das natürlich auch ein Relikt des Kolonialismus ist. Aber wenn ich das nächste Mal komme, dann präge ich mir ein paar einfache Redewendungen auf isiXhosa oder isiZulu ein, immerhin sind das die größten Muttersprachen Südafrikas. Noch immer stehen die "Sebras" (oder auch "Idubes") auf meiner Terrasse.

Rotwein, Sex, Sport

Zum Schluss ein Tipp von Dr. Christiaan Barnard, der mir sehr zupass kommt und der Ihnen zum Wochenende sicher auch gefallen wird: "Regelmäßiger Sport, täglich ein bis zwei Gläser Rotwein, Olivenöl zum Essen und gesunder Sex." Gesunder Sex? Den interpretiere ich im Sinne des Herzspezialisten so, dass er hoffentlich gemeint hat, sich dabei nicht übermäßig anzustrengen - aber dass jeder, mit wem auch immer und ganz nach seiner Fasson, Farb- und Geschlechtsvorliebe, sein Glück dabei finden sollte.

Ich wünsche ein wunderbares Wochenende in allen Farben.

*PS: Ich habe die Löwen und die Geparden doch noch gesehen. Erhebend. Aber auch voyeuristisch. Fast hätte die Löwin ein Impala gefangen, und dann sicher auch gefressen. Ich stelle fest: Ich bin durch und durch Städterin, momentan Vegetarierin und eben auch nur eine Teilzeit-Realistin.