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Eine Postfaschistin soll Italiens Erlöserin werden

Italien hat gewählt. Klarer Sieger ist Giorgia Meloni, deren Partei über ein Viertel der Stimmen erhielt. Großer Verlierer ist die sozialdemokratische Partito Democratico (PD), die nur rund 18 Prozent erreichte – weniger, als die letzten Umfragen voraussagten.

Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Koalition des Rechtsbündnisses aus Melonis Fratelli d’Italia – Brüder Italiens –, Silvio Berlusconis Forza Italia und Matteo Salvinis Lega Partei die nächste Regierung Italiens stellen wird. Es wäre die rechteste Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg und das erste Mal, dass eine Frau Italiens Ministerpräsidentin werden würde.

Dieser Triumph ist einerseits Meloni selbst zu verdanken, die einen starken Wahlkampf hingelegt hat, und andererseits der Geschlossenheit des Rechtsbündnisses: Das Wahlrecht belohnt Bündnisbildung und die rechten Parteien schafften es trotz Konflikten gemeinsam anzutreten, während die linken Parteien immer weiter zersplitterten und so kein ernst zu nehmender Gegner mehr waren.

Wer sich nun fragt, wieso ausgerechnet die rechteste Partei Italiens die meisten Stimmen erhielt, der muss wissen, dass sie auch die unverbrauchteste der Parteien ist: Seit ihrer Gründung 2012 waren sie stets in der Opposition. An ihrer Spitze Meloni, die die Partei innerhalb von vier Jahren von vier Prozent zum Wahlsieg führte.

Hinzu kommt, dass die Italiener bei ihren Politikern stets auf der Suche nach einem Erlöser sind: Der – oder jetzt eben die – Eine, die das Land aus seiner misslichen Lage befreit. Dafür sind sie bereit, jedem mal ihr Vertrauen zu schenken: Nach Berlusconi und Salvini ist nun eben Meloni dran. Sie gilt als unverfälschtes Original, eine Frau, der man vertrauen kann.

Das führt zu der Frage, wie es sein kann, dass die Italiener einer postfaschistischen Politikerin vertrauen. Denn dass Meloni eine Postfaschistin ist, daran gibt es keinen Zweifel: Mit 15 Jahren begann sie ihre politische Karriere in der Jugendorganisation des Movimento Sociale Italiano – jener Partei, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Auffangbecken für Gefolgsleute des faschistischen Diktators Benito Mussolini gedient hatte.

Sie arbeitete sich hoch, kam 2006 in Parlament und wurde zwei Jahre später mit nur 31 Jahren zur jüngsten Ministerin Italiens, ihr Ressort: das Jugendministerium. Doch schon Melonis Karriere zeigt, dass postfaschistische Parteien in Italien längst im Zentrum der Politik angekommen sind. Und in manchen rechten Kreisen der Gesellschaft ist der Ausspruch, Mussolini habe nur Gutes für Italien getan, normal.

Tatsächlich orientiert Meloni ihre Politik zwar bis heute am faschistischen Leitbild Familie, Gott, Nation, doch im Wahlprogramm finden sich keine antidemokratischen Tendenzen. Es klingt vielmehr nach konservativer, patriotischer Politik. Entsprechende Töne schlug Meloni auch im Wahlkampf an, in dem sie sich moderat und verantwortungsbewusst gab.

Sanftere Töne trugen Meloni zum Wahlsieg

Seit Meloni im Wahlkampf sanftere Töne anschlug, wuchsen ihre Zustimmungswerte noch weiter und trugen sie zu diesem Wahlsieg. Viele Italiener haben offenbar ihre hasserfüllten Reden vergessen, in denen sie mit Verschwörungstheorien flirtend über die Pharma-Lobby schimpfte, die Globalisierung verteufelte und gegen eine vermeintlich „LGBT-Lobby“ hetzte.

Doch viele Wähler dürften diese Töne ohnehin nicht abschrecken, denn sie sind von Berlusconi und Salvini schon seit Jahren vieles gewohnt. Der Schritt zu Meloni war da nicht weit. Denn zu Melonis Erfolgsgeschichte gehört auch, dass sie zwar für einen Rechtsruck an der Regierung sorgen wird – ihr Sieg aber nicht auf einen Rechtsruck der Wähler zurückzuführen ist.

Tatsächlich vereinten Meloni, Salvini und Berlusconi bei den Wahlen 2018 auch schon 38 Prozent der Stimmen auf sich – damals traten sie nur noch nicht als klares Rechtsbündnis an. Bei dieser Wahl hat ihr Rechtsbündnis sechs Prozentpunkte mehr geholt – dabei handelt es sich wohl um Protestwähler, die von der populistischen Fünf Sterne Partei zu den Brüdern Italiens gekommen sind.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die geringe Wahlbeteiligung: So gaben nur 64 Prozent der rund 51 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab – neun Prozentpunkte weniger als bei der vergangenen Wahl. Das zeigt, wie frustriert die Italiener über ihre Politiker sind und wie wenig Hoffnung sie darin setzen, dass ihre Stimme etwas verändern kann.

In einer kurzen Ansprache, die Meloni in der Wahlnacht hielt, nahm sie Bezug auf diesen Vertrauensverlust: Sie wolle die Beziehung zwischen Staat und Bürgern reparieren, das Vertrauen in die Institutionen wieder herstellen, sagte Meloni. Ihre Rede war auffällig ruhig und gefasst und erinnerte an die erste Rede, die Donald Trump – den Meloni offen bewundert – nach seiner Wahl im November 2016 hielt.

Meloni sagte: „Wenn man zum Teil der Geschichte werden will, muss man die Verantwortung verstehen, die es in sich trägt, wenn Zigtausende Menschen uns gewählt haben. Wir werden für alle Italiener regieren, mit dem Ziel das Volk zu vereinen, anstatt es zu spalten.“

Damit spricht Meloni eine der größten Sorgen an, die in der Gesellschaft wegen ihres Wahlsiegs herrschen: Gegner Melonis sind besorgt, dass sie die Konstitution verändern, Italien nach Ungarns Vorbild umbauen will und die Rechte von Minderheiten, etwa von gleichgeschlechtlichen Paaren und Migranten, einschränken wird.

Welchen Weg, sie letztlich einschlagen wird, werden die kommenden Wochen zeigen, wenn der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella ihr den Auftrag zur Bildung der Regierung übertragen wird. Dass sie den Weg weitestgehend selbst bestimmen kann, ist indes klar. Denn sie holte mehr als doppelt so viele Stimmen wie ihre beiden Koalitionspartner zusammen.

Ein Ergebnis, das bis vor wenigen Monaten nur wenige für möglich gehalten hätten. Das weiß auch Meloni, die ihre Rede mit einem Zitat des heiligen Franziskus beendete: „Fang damit an, das Notwendige zu tun. Das, was möglich ist. Und du wirst entdecken, dass du das Unmögliche schaffst.“