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Eingeknickt vor Fifa und Katar! - Schlechter standen wir nach keiner WM da

Ich habe in dieser Woche vier Tage in Doha bei der Fußball-WM verbracht, interviewte den Energieminister des Landes, besuchte das Deutschland-Spiel gegen Costa Rica. Über diese drei Fragen habe ich am meisten nachgedacht:

► Haben wir es in Deutschland mit der Moral-Debatte übertrieben?

► Hätte ich mich als Homosexueller zu erkennen geben sollen, als ich den katarischen Minister auch zur Verfolgung von LGBTQ befragt habe?

► Ist Gas aus Katar weniger schlimm als aus Russland?

Zur ersten Frage bin ich ins Nachdenken gekommen, als mir ein Katarer, den ich viele Jahre kenne, bei einem Kaffee über die Stimmung in seinem Land berichtete. „Weißt du“, sagte er, „wir haben die Arbeitsrechte vieler Menschen verbessert, das Land modernisiert sich, ganz anders als unsere Nachbarstaaten – und trotzdem zeigt Deutschland seit Wochen mit dem Finger auf uns! Es gibt kein Land und keine Regierung, die uns so kritisieren wie ihr. Und dann kommt auch noch eure Innenministerin und setzt sich mit einer politischen Binde auf die Tribüne.“

Ich fand es richtig von Nancy Faeser, die One-Love-Binde zu tragen, und falsch von Manuel Neuer, einzuknicken. Genauso richtig finde ich es, Arbeitsbedingungen zu kritisieren und Gleichberechtigung zu fordern.

Dennoch haben die Katarer aus ihrer Sicht einen Punkt, zumindest dann, wenn man ihr Land nicht an westlichen Standards, sondern an denen mancher Nachbarländer misst.

Besonders aufschlussreich: Mehrere Katarer berichteten mir, dass deutsche Politiker in internen Gesprächen sehr viel freundlicher und ohne Zeigefinger aufgetreten seien. „Wir verstehen nicht, warum sie uns ihre Kritik nicht ins Gesicht sagen, sondern später gegenüber den Medien“, sagte mir ein Offizieller.

Am Dienstag saß ich Katars Energieminister gegenüber, der über den Gas-Deal sprach. Natürlich war es kein Zufall, dass der erste Deal mit Deutschland während der WM und während der Kritikwelle bekannt wurde. Ein klares Signal!

Der Minister kritisierte live bei BILD TV sowohl Habeck als auch Faeser und wirkte sehr selbstbewusst. Als ich ihn zum Thema LGBTQ befragte, blieb er gelassen, sagte kühl: „Das islamische Gesetz akzeptiert LGBTQ nicht.“

Einige Freunde fragten mich hinterher, warum ich dem Minister nicht ins Gesicht gesagt hätte, dass ich selbst schwul bin. Ich finde: Es sollte keine Rolle spielen, wen man liebt, ob man heterosexuell, schwul, bi oder trans ist, um kritische Fragen zu universellen Menschenrechten zu stellen.

Eine Aussage zu mir selbst hätte nur abgelenkt. Es geht schließlich weniger um die Besucher der WM als um die Homosexuellen in Katar selbst, die Strafen wie Peitschenhiebe, Gefängnis und theoretisch sogar den Tod fürchten müssen.

Die Frage, die mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat, war, ob Gas aus Katar eigentlich weniger schlimm sein kann als Gas aus Russland?

Ich habe in diesem Jahr insgesamt fast sieben Monate aus der Ukraine berichtet – und sicher auch deswegen am Ende eine klare Antwort gefunden: Ja, natürlich wäre es viel schlimmer, weiter aus Russland Gas zu beziehen!

Draußen: Arbeitsmigranten machen Pause vor dem Stadion

Foto: CHANDAN KHANNA/AFP

Der Angriffskrieg und die russischen Kriegsverbrechen sind mit nichts gleichzusetzen. Und: In Katar steht eine US-Militärbasis, die am Ende auch Israel schützen soll. Was man unserer Regierung vorwerfen muss: dass sie nicht genügend getan hat (Atommeiler, Fracking) und sich jetzt von Staaten wie Katar wieder abhängig machen muss.

Donnerstagnacht, als ich nach dem WM-Aus das Al-Bayt-Stadion verließ, traf ich Katarer, die sich darüber freuten, dass Deutschland ausgeschieden war.

Unsere Bilanz: Vorrunden-Aus, eingeknickt vor der Fifa und Katar – und dennoch viel Unverständnis hervorgerufen. Schlechter standen wir nach keiner WM da.

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Dieser Artikel stammt aus BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe gibt es hier.