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Einzig direkter DFB-Weg: Ein 8:0 zerstört alle Verschwörungsszenarien

Will Spanien bei der Fußball-Weltmeisterschaft gar nicht Erster in der deutschen Gruppe E werden? Vor dem Gruppenfinale macht die heimische Presse dieses Gedankenspiel auf. Den einfacheren Weg durchs Turnier hat tatsächlich der Gruppenzweite vor sich.

Die Lage bei der Fußball-WM ist für die deutsche Nationalmannschaft gleichermaßen einfach (zu verstehen) und schwierig (umzusetzen): Will die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick das Achtelfinale erreichen und dabei nicht auf das Ergebnis im parallelen Gruppenspiel zwischen Spanien und Japan angewiesen sein und möglichen Wettbewerbungsverschiebungen durch eine spanische Großrotation auszuweichen, muss die deutsche Mannschaft mindestens acht Tore schießen. Klingt absurd, klar, scheint aber nicht unmöglich. Die Spanier haben schließlich vorgemacht, wie man ganz in die Nähe dieses Ergebnis kommen kann. Im ersten Spiel gab es ein 7:0, trotz eines Keylor Navas zwischen den costaricanischen Pfosten, der immerhin dreimal die Champions League gewann.

Hansi Flick warnt indes davor, ein 8:0 gegen die eigentlich defensivstarken Mittelamerikaner als ein machbares Szenario zu skizierren. Bei der Pressekonferenz vor dem Do-or-Die Spiel sagte er mit maximaler Deutlichkeit: "Es wäre respektlos, wenn wir davon ausgehen, acht Tore zu erzielen." Ein berechtiger Hinweis. Man sei schon froh, wenn man das Spiel überhaupt gewinnen. Das wiederum ist unnötiges Understatement. Klar, Costa Rica hatte völlig überraschend Japan geschlagen und mischt dadurch ebenfalls noch im Kampf um das Achtelfinalticket mit, allerdings war der Sieg extrem glücklich. Die einzige Chance führte unter gütiger Mithilfe des Torwarts Shuichi Gonda zum späten 1:0-Erfolg. Flick muss nun zwischen stabiler Defensive und offensiver Wucht abwägen.

Müller oder Füllkrug?

Bedeutet: Wie viel Risiko gönnt sich der Bundestrainer? Gegen Spanien betraute er seinen Linksverteidiger David Raum mit überraschend vielen Defensivaufgaben, was zulasten seiner offensiven Vorstöße ging. Diese Kette wird mutmaßlich gelockert. Schließlich wird es nicht nur mit Zauberdribblings von Jamal Musiala gehen, sondern es braucht auch Hereingaben von Außen. Und dann natürlich auch einen Abnehmer im Zentrum. Stürmer Niclas wäre nicht nur wegen seines Treffers gegen Spanien und seines überragenden Selbstvertrauens eine Top-Option, seine Abschlussstärke hebt sich elementar von den Effizienzproblemen der anderen Offensivkräfte ab.

Und so beschäftige sich der fußballinteressierte Teil der Deutschen mit der Frage der Nation: Spielt "Lücke" und wenn ja, muss dann Thomas Müller weichen, der verlängerte Arm von Flick auf dem Feld? Eine Antwort auf die Frage wird es gegen 18.45 Uhr geben, dann wird die Aufstellung veröffentlicht. Möglich, dass beide Spieler einen Platz in der Startelf bekommen und Serge Gnabry dafür auf die Bank rotiert. Der Flügelstürmer des FC Bayern war zwar durchaus agil bisher, vergab allerdings auch zahlreiche Top-Chancen. Soll eines der höchsten Ergebnisse der deutschen Fußball-Geschichte gelingen - der höchste Sieg datiert noch immer vom 1. Juli 1912, damals wurde Russland in der Zwischenrunde der Olympischen Spiele vor 2500 Zuschauern mit 16:0 besiegt - braucht es Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. Bittere Ironie: Beim bislang letzten deutschen 8:0-Sieg, er gelang am 11. Juni 2019 in der EM-Qualifikation gegen Estaland, war Gnabry einer der Besten, erzielte zwei Tore. Dieses Spiel war eines der letzten großen Highlights der Ära von Joachim Löw.

Warum überhaupt über einen 8:0-Sieg diskutiert wird liegt auch daran, dass es in spanischen Medien Debatten darüber gab, ob ein erster Tabellenplatz mit Blick auf den weiteren Turnierweg überhaupt erstrebenswert wäre - dieser wäre mit einem Sieg gegen Japan sicher. Denn auf den Gewinner der deutschen Gruppe E würde - bei einem Sieg im Achtelfinale - im Viertelfinale wohl Brasilien warten, einer der ganz großen Favoriten. Für den Gruppenzweiten scheint der Weg durchs Turnier einfacher: Im Achtelfinale warten Marokko, Belgien oder Kroatien, im Viertelfinale wäre Cristiano Ronaldos Portugal ein möglicher Gegner. Auf Brasilien träfe der Gruppenzweite erst in einem möglichen Finale - wenn Brasilien den Gruppensieg nicht völlig überraschend noch herschenkt.

Vorbild Frankreich?

Die Spanier kennen die Konstellation natürlich: "Der Gedanke kann dir schon durch den Kopf gehen. Aber wir sind hier, um alle Spiele zu gewinnen. Und um ins Finale zu kommen, muss man die Besten besiegen. Also ist das nichts, an das wir denken", sagte Verteidiger Eric Garcia zur "Gefahr, Erster zu werden", wie "Marca" schrieb. Nationaltrainer Luis Enrique wies etwaige Planspiele weit von sich: "Wenn es gegen Brasilien gehen sollte - dann lasst uns gegen sie spielen! Auf diesem Level können wir nicht spekulieren. Wir wollen die Gruppe gewinnen, weil wir besser sein wollen als alle anderen. Und um Weltmeister zu werden, musst du ohnehin jeden schlagen."

Wie die Sportzeitung "AS" spekuliert, werde Enrique jedoch mehreren Stars gegen Japan Schonung verschaffen. Wohin das führen kann, erlebte Weltmeister Frankreich: Dort wirbelte Nationaltrainer Didier Deschamps seine Équipe fürs letzte Gruppenspiel mächtig durch - und verlor 0:1 gegen Außenseiter Tunesien. Auswirkungen auf die Abschlusstabelle der Gruppe C hatte das - zu Deschamps Glück und im Interesse des Wettbewerbs - nicht. Spiele bei dieser WM seien "keine 90-Minuten-Spiele mehr, sondern 105-Minuten-Spiele", sagte Deschamps mit Blick auf die langen Nachspielzeiten. Deshalb sei die Pause für einige Spieler umso wichtiger - "wir haben unser Ziel erreicht."

Die Mannschaft von Bundestrainer Flick müsste - bei einer spanischen Niederlage und einem eigenen Sieg - in Addition beider Ergebnisse acht Tore Rückstand aufholen, im Falle identischer Differenz kommt es auf die höhere Zahl geschossener Tore an. Also: Gewinnen Japan gegen Spanien und Deutschland gegen Costa Rica jeweils 4:0, hätte das DFB-Team also die acht Tore Unterschied aufgeholt - Spanien jedoch würde aufgrund der mehr erzielten Tore (8) zur DFB-Elf (6) ins Achtelfinale einziehen.

Letztmals verlor Spanien beim Vorrunden-Aus bei der WM 2014 mit vier Toren Unterschied, als es gegen die Niederlande ein bitteres 1:5 gab. Wenn Deutschland mit mindestens acht Toren Unterschied - also 8:0, 9:1, 10:2 und so weiter - gewinnt, erübrigt sich der Blick aufs Parallelspiel. Bei einer Niederlage wäre Spanien dann draußen. Und jeder Gedanke an eine Verschwörungstheorie wäre hinfällig.