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Empörung nach Razzia beim TSV: Aubstadter fühlen sich ungerecht behandelt

Beschaulich liegt der Fußballplatz des TSV Aubstadt zwischen den sanften Hügeln des Grabfelds. Es ist ein sonniger Samstag im Mai. Rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauer sind gekommen, um das letzte Spiel der Saison anzuschauen, das ihr Team am Ende mit 5:3 gewinnen wird. Der würzige Duft von Bratwürsten liegt in der Luft. Für ihr Grillgut sind die Aubstadter über die Gemeindegrenzen hinweg bekannt, seit Donnerstag aber ist ihr Verein wegen etwas anderem in aller Munde.

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Dem Klub aus der 800-Seelen-Gemeinde im Landkreis Rhön-Grabfeld wird vorgeworfen, Trainer und Spieler über ihren eigentlichen Lohn hinaus "schwarz" bezahlt zu haben – also ohne Lohnsteuer- und Sozialversicherungsabgaben. Der entstandene Schaden liege, so sagt es der Zoll, allein für das Kalenderjahr 2022 im sechsstelligen Bereich. Um etwaige Beweise zu sichern, führten Beamtinnen und Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) am Donnerstagmorgen Razzien bei mehreren Privatpersonen und auf dem Sportgelände durch. Rund 270 Frauen und Männer waren laut Angaben der Behörde im Einsatz. Unverhältnismäßig viele findet der Großteil der Menschen, die am Samstag ihren Weg zum Sportplatz gefunden hatten.

Am Donnerstag wurden bei einer Razzia mehrere Privathäuser und das Vereinsheim des TSV Aubstadt durchsucht.
Foto: Fabian Gebert | Am Donnerstag wurden bei einer Razzia mehrere Privathäuser und das Vereinsheim des TSV Aubstadt durchsucht.

Die Empörung, sie ist mit Händen zu greifen. "Das ist doch alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Folgen für die betroffenen Familien werden sich erst noch zeigen", poltert einer der älteren Herren, die vom Spielfeldrand aus die Partie beobachten. Seine Hände fahren durch die Luft, unterstreichen seine Wut. Die Männer um ihn herum nicken mit den Köpfen. "Die gehen gegen uns vor, wie sie gegen irgendwelche Clans in Berlin vorgehen. Das geht doch so nicht", empört sich einer. Ein anderer vermutet Neid hinter den aktuellen Ereignissen: "Die wollen einfach keine Dorfvereine in der Regionalliga haben." Wer "die" sind, wird dabei nicht ganz klar. Sicher aber ist, dass diejenigen, die ihre Meinung äußern, ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen. Obwohl sie mit dem, was sie denken, nicht alleine sind.

Die erste Zollkontrolle beim TSV Aubstadt fand im März 2022 statt

Die meisten hier in Aubstadt sind mit dem Verein seit Jahrzehnten verbunden. Haben seinen Aufstieg begleitet, aus der Bezirksoberliga bis in die Regionalliga – Deutschlands vierthöchste Liga. Im Lauf des Gesprächs zucken sie die Achseln, schütteln die Köpfe und können kaum begreifen, was gerade mit ihrem TSV passiert, der, so meinen sie, doch auch nichts anderes tut, als all die anderen Klubs im gehobenen Amateurfußball. Und dennoch stand nur bei ihnen nun schon zum zweiten Mal der Zoll vor der Tür. Das erste Mal waren Vertreter der Behörde im März 2022 da, kurz vor dem Toto-Pokal-Spiel gegen 1860 München. Allerdings mit wesentlich weniger Aufgebot und nur auf dem Sportgelände. Privathaushalte waren damals – anders als heute – nicht betroffen. "Das war ja noch okay. Es muss ja auch alles seine Ordnung haben. Aber so ein brachiales Vorgehen wie diesmal, das muss nicht sein", sagt ein Mann. Ein anderer erhebt die Stimme: "Mit 17 Mann in einen Zwei-Personen-Haushalt..." Der sich an die Stirn tippende Zeigefinger beschreibt, was er davon hält.

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Was genau am Donnerstagmorgen passiert ist, lässt sich im Nachhinein nur schwer nachprüfen. Doch auch von offizieller Seite aus findet man deutliche Worte zum Vorgehen der Behörden. "Der TSV Aubstadt ist der Meinung, dass dieser Einsatz in seiner Art und Weise völlig überzogen und besonders in der Durchführung der Maßnahmen unverhältnismäßig war", zitiert der ehrenamtliche Pressesprecher Philipp Müller am Samstag nach Abschluss des Spiels aus einer Mitteilung des Vereins. Er hat im Sportheim gerade die Pressekonferenz mit den beiden Trainern moderiert. Der Raum ist gut gefüllt. Etwa hundert Zuschauerinnen und Zuschauer sind zusammengekommen, bei Kaffee, Kuchen – und Freibier. Hätte es die Razzien nicht gegeben, wäre die Stimmung wohl sehr viel ausgelassener gewesen an diesem letzten Spieltag der Saison, in der dem kleinen Dorfverein wieder einmal der Klassenerhalt geglückt ist. So aber überschatten die aktuellen Ereignisse diesen Erfolg.

Der TSV Aubstadt erhebt Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte

Das merkt man auch Müller an. Er ist 32 Jahre alt und mit dem Verein von Kindheitsbeinen an verbunden. Die Öffentlichkeitsarbeit macht er seit gut 15 Jahren, einen Zettel hat er dafür noch nie gebraucht. Doch heute liest er seine Worte ab, weil er so bewegt ist, die Angelegenheit so wichtig. Man merkt ihm den Zorn an, als er vorträgt, was er über die Razzien gehört hat. Den 72-jährigen Vorsitzenden des TSV Aubstadt hätten die Beamten um 6.30 Uhr im Ehebett überrascht. Er hätte dort bleiben müssen, hätte sich nicht ankleiden dürfen, während sein Eigentum durchsucht wurde. "Wie erniedrigend das sein muss, kann sich jeder sicherlich vorstellen", sagt Müller. Und verweist voller Pathos auf Artikel 1 des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Dann spricht er von Beamten, die Kleinkinder eines Vorstandsmitgliedes geweckt und beim Zähneputzen im Bad bewacht hätten. Bewiesen ist das bisher nicht, die Behörden werden noch Stellung zu den Anschuldigungen nehmen müssen. Doch Geschichten dieser Art haben seit Donnerstag die Runde gemacht. Sie bestärken die Aubstadter in ihrem Zusammenhalt.

"Es geht weiter beim TSV Aubstadt. Auch mit Regionalliga-Fußball", sagt Müller am Ende seiner Ausführung ins Mikrofon. Der donnernde Applaus und die zustimmenden Rufe lassen einen daran glauben.