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Ende einer eigenwilligen Show: Der größte Fehler, den Kurt Krömer machte

Es ist richtig, dass der RBB "Chez Krömer" beendet hat. Trotzdem müssen wir dem Berliner Komiker dankbar sein. Denn seine letzten Sendungen haben gezeigt, was in Deutschland in Diskussionen schiefläuft: Man stellt Fragen, interessiert sich aber nicht für die Antworten.

Dass Kurt Krömer bei seiner Talkshow von einem starken Team unterstützt worden ist, zeigte schon die Auswahl der Musik. "For me formidable" von Charles Aznavour passte perfekt zur Art des Berliners, seinem verschmitzten Humor, aber auch zum Konzept der Sendung. Der Chansonnier besingt darin eine Liebe, von der nicht klar ist, ob sie erfüllt ist. "Du bist die Einzige für mich - großartig", heißt es mit sanfter (Selbst-)Ironie. "Ich wünschte, ich könnte es dir eines Tages endlich sagen." Schließlich klagt der Franzose, dass sich die Besungene "über mich und alles lustig macht". Er endet mit den Worten: "Wie kann ich dich lieben?"

Der Text beschreibt recht treffend das Verhältnis von Krömer zu seinen Gästen und am Ende auch zu der Sendung selbst. Nachdem er angekündigt hatte, mit "Chez Krömer" aufzuhören, sprach er gar von "Hassliebe". Nach 41 Sendungen ging ihm ein Licht auf: "Mein Bedarf an Arschlöchern ist damit gedeckt." Es ist gut und richtig, dass Krömer mit dem Format Schluss gemacht hat. Es funktionierte nicht mehr - für niemanden. In der letzten Folge, die am Dienstagabend im RBB lief, sagte er: "Die Kotzebrocken kamen hoch, als ich den Sender hier betreten" und "mit den sechs Hampelmännern hier die Fragen zusammengestellt habe".

Mit gutem Willen könnten die Aussagen als (selbst)ironisch gedeutet werden. Sie kamen aber eher wie eine Breitseite gegen alles und jeden rüber: den RBB und das ganze beschissene Leben. Angeblich war es "privat ein sehr schöner Tag", bis die Arbeit begann. An seiner erkennbar miesen Laune waren "die Arschlöcher" Schuld, zu denen er auch seinen letzten Gast, den Comedian Faisal Kawusi, zählte. Ende. Aus. An den sechs Redakteuren, den "Hampelmännern", lag es mit Sicherheit nicht, dass die eigenwillige Talkshow scheiterte. Die Verantwortung dafür trägt allein der Moderator.

Impertinenz und Schlagfertigkeit

Als "Chez Krömer" startete, machte das Zuschauen und -hören Spaß, weil der Berliner genau das tat, was man von ihm erwarten durfte. Als TV-Anarcho brach er mit Konventionen und Erwartungen. Er war absichtlich unhöflich bis rotzig und dennoch irgendwie sympathisch und lustig. Krömer, der ein grandioser Komiker sein kann, verzieh man gern seine Frechheiten und Spitzfindigkeiten. Wer in seine Sendung ging, wusste, auf was er sich einließ.

Auf verlorenem Posten waren die, die dem impertinenten und schlagfertigen Fragesteller mit Impertinenz und Schlagfertigkeit begegnen wollten, aber nicht ansatzweise auf Krömers intellektuellem Niveau waren. Versuche, ihm die Show zu stehlen, waren zum Scheitern verurteilt, weil das Krömer nur noch mehr anstachelte, seinen Wiederwillen bestimmten Gästen gegenüber zu zeigen. Mitunter streifte er dabei die Grenzen der Verachtung oder überschritt sie sogar. Man dachte schon mal: Warum lassen sich die Befragten das gefallen? Aber nie stand jemand auf und sagte: "Leck(en Sie) mich! "

Aber irgendwann hauten das Konzept, die Idee dahinter und die ewigen Duzen-oder-Siezen-wir-uns-Kabbeleien nicht mehr hin, wurde es öde, zumal Krömer erkennbar keine Lust mehr hatte und wie zuletzt bei Kawusi nicht mehr lustig unverschämt, sondern einfach nur noch unverschämt war. Schade. Denn hatte sich der Moderator einigermaßen vorbereitet, lernte man die Gäste in einer Weise kennen wie sonst nicht. Etwa Karl Lauterbach, der bei "Chez Krömer" sein Wesen irgendwo zwischen hölzern und witzig offenbarte.

"Die Fragen stell icke"

Doch in den letzten Sendungen war davon nichts mehr zu spüren. Krömer las die Fragen absichtlich so ab, dass jede und jeder merken musste, ihn interessiert das alles nicht. Er spulte sein Programm ab und trat an, es - aus seiner Sicht - Springer-Fuzzis wie Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt und "Rassisten" wie Kawusi mal so richtig zu geben. Und genau das war sein großer Fehler - für den wir Krömer dankbar sein müssen. Denn vor allem die Sendungen mit Reichelt und Kawusi zeigten, was in unserem Land in Diskussionen schiefläuft: Man stellt Fragen, interessiert sich aber nicht für die Antworten. Man hört nicht zu und will sich nicht mit den Argumenten der Gegenseite befassen, sondern schwingt wie Krömer vom hohen Ross moralischer Überlegenheit die eine oder andere Keule. Wer nicht meiner Meinung ist, kriegt verbal eins drüber. So entsteht und verstetigt sich eine polarisierte Gesellschaft.

Auf eine nicht völlig abwegige Gegenfrage Reichelts antwortete Krömer einmal nicht inhaltlich, sondern mit einer ausweichenden Basta-Ansage: "Die Fragen stell icke." So einfach kann man es sich machen, sollte es aber nicht, wenn man einen lächelnden Egomanen wie Reichelt interviewt. Es ist gut, mit Kawusi, ein Deutscher, dessen Eltern aus Afghanistan stammen, über dümmliche Frauenwitze oder Anflüge von Rassismus reden zu wollen. Doch dafür muss man ein Gespräch im Sinne eines Austauschs zulassen, statt jede Beteuerung des Gastes, Fehler begangen und bereut zu haben, mit der Behauptung zu begegnen: "Das ist die typische Reue-Nummer", um weiter im Geschäft zu bleiben. Ein Vorwurf, gegen den kein Kraut gewachsen ist.

"Dir wird vorgehalten, dass deine Witze meistens aus Klischees und Stereotypen vor allem über Minderheiten bestehen. Warum trittst du immer nach unten?", wollte Krömer wissen. Der Gast war aber nicht gewillt, eine "typische Opferhaltung" einzunehmen. Das ist verständlich, weil diese Zurechtweisung übergriffig ist, da jeder selbst bestimmen kann und sollte, ob er sich als Opfer sieht oder nicht. Kawusi fragte deshalb zurecht: "Wer erstellt denn die Tabelle? Wer ist denn ganz oben und wer ist ganz unten?" Krömer machte keine Anstalten zu antworten, sondern stellte nach einem Wortgefecht fest: "Wir haben inklusive dir nur Arschgeigen hier." Sein Urteil über seinen Gast: "Du erzählst nur Scheiße". Und warf Kawusi raus. So einfach kann man es sich machen.