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Energiepreisbremse bei Illner: "Operation am offenen Herzen ohne Narkose"

Die Bundesregierung hat die Gasumlage gekippt und will die steigenden Energiekosten mit einer Gaspreisbremse dämpfen. Dazu will sie bis zu 200 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Was auf die Bürger nun zukommt, versuchen am Donnerstagabend die Gäste bei Maybrit Illner zu klären.

Erleichterung am Donnerstagnachmittag. Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck treten im Kanzleramt vor die Presse. Sie verkünden zwei Nachrichten: Die Gasumlage kommt nicht, dafür soll es eine Gaspreisbremse geben. "Doppel-Wumms", so nennt das Bundeskanzler Scholz.

Am Donnerstagabend ist der Finanzminister zu Gast bei Maybrit Illner im ZDF. Er ist kurzfristig eingeladen worden und will die Gelegenheit nutzen, die Maßnahmen der Regierung zu erklären. CDU-Chef Friedrich Merz ist sein Kontrahent. Doch wirklich kritisieren kann er nicht: Die Gaspreisbremse war ursprünglich ein Vorschlag der Unionsparteien. Aber er weiß: Leicht wird die Umsetzung nicht werden. "Das ist wie eine Operation am offenen Herzen ohne Narkose", beschreibt er das, was in den nächsten Wochen auf die Ampelkoalition zukommen wird.

"Wir befinden uns in einem Energiekrieg"

Die Energiesituation ist schwieriger als erwartet. Denn nach den Anschlägen auf die Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2, die Anfang der Woche bekannt wurden, ist eines klar: Gas aus Russland wird so schnell durch diese Pipelines nicht fließen. Wirtschaftsminister Habeck hat inzwischen klargestellt: Die beiden Kernkraftwerke in Süddeutschland sollen bis April 2023 am Netz bleiben. "Da sind wir noch nicht ganz da, wo wir sein wollen", sagt der Finanzminister bei Maybrit Illner. Er wünscht sich eine All-In-Lösung: Nicht nur die drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke sollen in Betrieb bleiben, die beiden AKWs, die Ende vergangenen Jahres abgeschaltet worden waren, sollen ihren Betrieb wieder aufnehmen und am besten bis zum Ende der Krise laufen, also voraussichtlich bis zum Frühjahr 2024. Das fordern auch die Unionsparteien. Zusätzlich soll die am Donnerstag beschlossene Finanzhilfe Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen von den hohen Energiekosten befreien, erklärt Finanzminister Lindner. Die Energiepreise würden aber nicht so niedrig sein wie vor der Krise. "Das wäre auch ein falsches Signal, denn wir wollen und müssen ja auch Gas einsparen", so der Minister.

Und da kann nun Merz seine Kritik anbringen, die zwar erwartbar ist, aber dennoch recht leise kommt. Die Gasumlage sei Murks gewesen. "Wir wissen nicht, was die Koalition will, aber das ist auch sehr kompliziert", so Merz. Jetzt gebe es einen sehr komplizierten Gesetzesmarathon. "Da kann man nur hoffen, dass das besser läuft als in der ersten Runde." Die Maßnahmen der Regierung seien nicht ausformuliert. Eine Gaspreisbremse sei hochriskant, und es sei gut, dass sich nun eine Expertenkommission damit beschäftige, so der CDU-Chef. Hätte Merz etwas zu sagen gehabt, dann hätte er zunächst die Maßnahmen beschlossen und dann erst den Finanzrahmen festgelegt. Merz befürchtet nun eine Art Gaspoker: Internationale Unternehmen könnten versuchen, billiges Gas in Deutschland zu kaufen.

Die Bundesregierung hat den umgekehrten Weg gewählt: Zuerst die Finanzierung, dann sollen die Maßnahmen vorgelegt werden - laut Grünen-Chef Nouripour Mitte Oktober, Lindner wäre etwas früher lieber. "Wir haben es mit einem Energiekrieg zu tun", sagt er.

"Ich bin der Vermögensverwalter der Bürger"

Finanziert werden soll die Gaspreisbremse trotz der Schuldenbremse, die im nächsten Jahr wieder greifen wird. "Ich bin der Vermögensverwalter der Bürger", sagt Lindner. Jeder Euro Schulden müsse in der Zukunft wieder zurückgezahlt werden - mit Zinsen. Für die Finanzierung der Gaspreisbremse nutzt die Regierung laut Lindner einen "Abwehrschirm". Dabei handele es sich um krisenbedingte Kredite, die nicht für Ampelprojekte eingesetzt werden dürften. "Ohne den Abwehrschirm wäre die Schuldenbremse im nächsten Jahr nicht zu halten gewesen, das ist klar", gibt Lindner zu.

Am besten sei, die Gas- und Strompreise international zu deckeln, so Lindner. Beim Strompreis versuche man eine gesamteuropäische Lösung zu finden. Sollte das nicht klappen, werde man einen nationalen Weg finden. Der Gasmarkt sei wesentlich komplexer. Eine echte Lösung scheint es in diesem Punkt noch nicht zu geben.

Was die Gasumlage angeht, erklärt Nouripour: Sie kommt einfach nicht. Die Gaskunden werden von ihren Gasversorgern schriftlich informiert, sobald die Gasversorger schriftlich informiert worden seien. Schon am Donnerstagnachmittag hatte Wirtschaftsminister Habeck erklärt, dass Kunden, die von ihren Versorgern für die Umlage bereits zur Kasse gebeten worden seien, ihr Geld so schnell wie möglich zurückbekommen müssten.