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Energietalk bei Anne Will: "Es wird viel Angst geben"

Nachdem Bundeskanzler Scholz letzte Woche seinen "Doppel-Wumms" aus dem Ende der Gasumlage und einer Energiepreisbremse präsentiert hat, haben sich auch am Sonntagabend die Gäste der ARD-Sendung Anne Will damit beschäftigt. Besonders beeindruckend: Die Gründerin der ersten Tafel Deutschlands.

Es begann 1993. Da gründete Sabine Werth mit ihrer Initiativgruppe "Berliner Frauen e.V." die erste Tafel in Deutschland. Mittlerweile gibt es bundesweit 960 Tafeln mit etwa 2.000 Ausgabestellen. Den Gründerinnen war klar: Sie können die Armut in Deutschland nicht bekämpfen. Aber sie können helfen, sie zu lindern. Deswegen unterstützen sie Menschen, die wenig Geld haben, mit Lebensmitteln. Doch die Tafeln leiden unter zwei Problemen: In den letzten neun Monaten hat sich die Zahl der Hilfesuchenden verdoppelt, gleichzeitig gibt es immer weniger Lebensmittelspenden.

Viele Menschen, die die Tafeln nutzen müssen, sind verzweifelt. Es kämen immer mehr Gäste, die nie damit gerechnet hätten, ihre Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, sagt Werth. Sie ist am Sonntagabend zu Gast in der ARD-Talkshow "Anne Will". Dort reden die Gäste einmal mehr über die aktuelle Energiekrise und darüber, ob die Strom- und Gaspreisbremse, die Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag angekündigt hatte, tatsächlich bei den Verbrauchern ankäme. Viele Gäste von Sabine Werth und ihren ehrenamtlichen Helfern "wissen nicht, was noch kommt", sagt Sabine Werth. Immer mehr Menschen brauchten ihre Hilfe, weil sie zu wenig verdienen und nun sparen müssen, um durch den Winter zu kommen. Oft seien dies Kleinunternehmer, die schließen mussten. "Die Leute wissen nicht, wie sie das in den nächsten Monaten hinkriegen sollen. Es wird viel Angst geben", prognostiziert Werth.

Was den am vergangenen Donnerstag von Bundeskanzler Scholz angekündigten "Doppel-Wumms" angeht, sagt sie: "Es gibt bestimmte Menschen, die bei bestimmten Versprechen Hoffnungen entwickeln können. Es gibt aber bestimmt auch viele, die lieber erstmal abwarten wollen." Problematisch sei zum Beispiel das Wohngeld, das zum 1. Januar erweitert werden soll. Etwa 1,4 Millionen neuer Wohngeldempfänger könnten dazukommen. Doch unklar sei, woher das Personal kommen solle, das die entsprechenden Anträge bearbeitet. Werth fragt sich, wann das Wohngeld ausgezahlt werde.

"Beim Sparen deutlich größere Schritte voran machen"

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und FDP-Fraktionschef Christian Dürr können die Probleme der Gäste von Sabine Werth nachvollziehen. Die Bundesregierung habe eine Kommission eingesetzt, die spätestens in zwei Wochen Ergebnisse vorweisen werde. Die sollten dann so schnell wie möglich umgesetzt werden, erklärt Kühnert. Die Regierung habe sich vier Ziele gesteckt: die Strom- und Gaspreisbremse, die Absicherung von Gasimporteuren und die Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Kühnert: "Wir müssen jetzt nachweisen, dass wir nicht nur in der Lage sind, ganz viel Geld an den Kapitalmärkten heranzuholen und bereitzustellen, sondern dieses Geld auch zielgerichtet, rechtsgültig und auf die bedürftigen Gruppen ausgerichtet an die Leute zu bringen. Wir sind überzeugt, dass wir das auch können." Allerdings seien im Moment die Gasverbräuche noch zu hoch. "Deswegen müssen wir beim Einsparen deutlich größere Schritte machen", warnt Kühnert.

"Abwarten, was dabei rauskommt"

Dass Kühnert und Dürr fast an einem Strang ziehen, ist zu erwarten. Dürr ist allerdings mit dem Energiemix unzufrieden und fordert eine Laufzeitverlängerung der noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke bis 2024. Auch die Kritik von Andreas Jung fällt vergleichsweise sanft aus. Der energiepolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag bemängelt allerdings sehr scharf, dass die Bundesregierung zu spät auf die Krise reagiere. "Wir wollen mal abwarten, was bei der Energiebremse rauskommt", sagt Jung skeptisch. Mit der Gasumlage habe die Bundesregierung ein Chaos verursacht. "Jetzt erwarten wir, dass der Doppel-Wumms konkret wird", so der CDU-Politiker. Die Bundesregierung habe Pressekonferenzen und eine Klausurtagung abgehalten, nun setze sie eine Kommission ein. Seit acht Monaten tobe der Krieg in der Ukraine, jetzt gäbe es die Preisexplosion, und die Bundesregierung habe keine Antworten.

Das weist Kühnert zurück: Es habe drei Hilfspakete gegeben, die Erhöhung des Mindestlohns sei am Samstag in Kraft getreten, das erweiterte Wohngeld und das Bürgergeld kämen im Januar. Dürr fügt hinzu, die Bundesregierung gehe jetzt an die Wurzel des Problems, und zwar an die Preise, die sich niemand leisten kann.

"Der Unmut wird größer"

Sabine Werth von der Berliner Tafel sieht aber noch ein weiteres Problem. Sie beobachtet, dass die Solidarität ihrer Gäste mit den Flüchtlingen aus der Ukraine nachlässt. "Die Leute haben das Gefühl, sie würden mehr Lebensmittel bekommen, wenn die Flüchtlinge nicht da wären. Der Unmut wird größer", so Werth. Sie kritisiert die ersten Entlastungspakete: Die seien nicht zielgerichtet genug gewesen. So hätten die meisten Hartz-4-Empfänger nichts von dem Tankrabatt im Sommer gehabt, weil sie keine Autos haben. "Das schafft Unzufriedenheit auf ganzer Ebene." Deswegen seien Maßnahmen wichtig, die Menschen zurückzugewinnen, die jetzt auf der Straße demonstrierten und dabei auf die "Populisten der Nation" hereinfielen. Ihre Lösung: "Wir müssen zielgerichtete Pakete schnüren, und da ist die Politik sehr gefordert."

Das sieht Kühnert genauso. Im Moment geht es ihm jedoch darum, die aktuellen Maßnahmen so bald wie möglich umzusetzen. "Die Maßnahmen werden für die Bevölkerung sehr schnell spürbar sein", verspricht er.