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"Es gab Geldflüsse von außen": Hinter Ugandas "Anti-Homosexualitäts-Gesetz" könnte Russland stecken

"Es gab Geldflüsse von außen" Hinter Ugandas "Anti-Homosexualitäts-Gesetz" könnte Russland stecken

In Uganda tritt ein Gesetz in Kraft, nach dem "die Beteiligung an homosexuellen Handlungen" mit lebenslanger Haft geahndet werden kann. Die LGBTQI-Szene hofft auf das Oberste Gericht des Landes.

Nachdem Ugandas Präsident das umstrittene Anti-Homosexualitäts-Gesetz unterzeichnet hat, hagelt es von allen Seiten heftige Kritik. Als "tragische Verletzung der universellen Menschenrechte" bezeichnet US-Präsident Joe Biden das Gesetz und fordert Ugandas Regierung auf, das Gesetz unverzüglich wieder abzuschaffen.

Es handelt sich bei dem nun in Kraft getretene Gesetz um eine der harschesten Anti-LGBTQI-Gesetzgebungen weltweit. In einigen Fällen, beispielsweise bei der Verführung Minderjähriger zu homosexuellen Akten, droht sogar die Todesstrafe, die allerdings in Uganda seit Jahrzehnten nicht mehr angewendet wird.

Das Gesetz war in den vergangenen drei Monaten im Hauruck-Verfahren durch Ugandas Parlament gehievt worden. Nachdem es den Abgeordneten im Februar in einer ersten Version vorgelegt worden war, verabschiedete das Parlament das Gesetz nach dreifacher Lesung schon sechs Wochen später im März fast einstimmig - ein Verfahren, das sonst Jahre dauert.

Das Ziel: Die Kluft zwischen Afrika und dem Westen zu vergrößern

Für Landeskenner war das ein Weckruf. "Es ging alles sehr, sehr schnell", sagt Kristof Titeca, Professor für Entwicklungspolitik an der Universität in Antwerpen und Uganda-Spezialist. Er hat zahlreiche Abgeordnete in Uganda interviewt und kommt zu dem Schluss: "Es gab Geldflüsse von außen." Wie viele andere internationale Experten, Diplomaten und Analysten hat auch Titeca Hinweise recherchiert, die darauf schließen lassen, dass Ugandas Abgeordnete womöglich Geld erhalten haben, um das Gesetz durchs Parlament zu peitschen.

Hinweise deuten darauf, dass es möglicherweise sogar Zuwendungen aus Russland gegeben habe. Denn, so Titeca: "Die Debatte um die LGBTQI-Thematik hilft, die Kluft zwischen dem Westen und den Afrikanern weiter zu vergrößern." Das sei genau Russlands Ziel auf dem Kontinent.

Das Regime von Präsident Museveni zeigt sich seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine extrem Russland-freundlich. Nur wenige Tage nachdem das Gesetz im März vom Parlament angenommen worden war, erhielt Ugandas Armee neue Kampfhubschrauber aus Moskau. Alles nur Zufall? Titeca hat zumindest Zweifel: "Was ich aber sagen kann, ist, dass, wenn man mit Aktivisten, Politikern oder Diplomaten in Uganda spricht, dann wiederholen sie alle das gleiche Gerücht, nämlich dass Russland hinter den Kulissen die Fäden gesponnen hat."

Bidens Kritik geht weit über das konkrete Gesetz hinaus

Womöglich fiel die Kritik aus den USA, bislang enger Partner der Museveni-Regierung, deshalb so harsch aus. Denn Bidens kritische Erklärung geht weiter über das aktuelle Gesetz hinaus. Das "beschämende Gesetz", wie es Biden in seiner Erklärung am Montag bezeichnet, sei die jüngste Entwicklung in einem "alarmierenden Trend zu Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Uganda" und die "Gefahren, die dieser demokratische Rückfall mit sich bringt, sind eine Bedrohung für alle Einwohner Ugandas, einschließlich US-Regierungspersonal, Mitarbeiter unserer Implementierungspartner, Touristen, Mitglieder der Geschäftswelt und andere".

Noch am selben Tag, an welchem Ugandas Parlamentssprecherin Anita Among bekannt gab, dass das Gesetz offiziell in Kraft tritt, annullierte die US-Administration ihr amerikanisches Reisevisum. Biden warnte zudem vor weiteren Sanktionen. Er habe seinen Nationalen Sicherheitsrat angewiesen, "die Auswirkungen dieses Gesetzes auf alle Aspekte des US-Engagements in Uganda zu bewerten, einschließlich unserer Fähigkeit, Dienstleistungen sicher zu erbringen".

Hilfsprogramme auf dem Prüfstand

Jetzt stehen US-finanzierte Hilfsprogramme für Uganda im Umfang von rund einer Milliarde US-Dollar jährlich auf dem Spiel, darunter vor allem Gesundheitsprogramme zu Behandlung und Prävention von HIV/Aids und Malaria. Falls diese tatsächlich alle eingestellt würden, droht Ugandas ohnehin maroden Gesundheitssektor der Kollaps.

Einst war Ugandas Präsident Museveni in Sachen HIV/Aids-Bekämpfung und -Prävention ein wichtiger Partner auf dem Kontinent. Er war einer der ersten Präsidenten Afrikas, der in den späten 1980er Jahren das HI-Virus im Mulago-Krankenhaus erforschen ließ und in der Bevölkerung Aufklärungs- und Präventionskampagnen startete. Durch das sogenannte Anti-Homosexualitäts-Gesetz werden jetzt jedoch auch all diese Programme in Frage gestellt, weil ihre Dienste auch der LGBTQI-Gemeinde zugutekommen.

Der heftigen Kritik aus Washington schlossen sich auch andere langjährige westliche Partner an, allerdings in milderem Tonfall. Die Europäische Union "bedauert" in einer Erklärung das Inkrafttreten des Gesetzes, erklärte jedoch, sie werde weiterhin mit den ugandischen Behörden und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um "sicherzustellen, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, gleich, mit Würde und Respekt behandelt werden".

Die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien, die während ihrer Herrschaft in Uganda im Jahr 1950 Homosexualität im Strafgesetzbuch kriminalisiert hatte, zeigte sich "entsetzt" und bezeichnete das Gesetz als "zutiefst diskriminierend". "Es wird das Risiko von Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung erhöhen und den Kampf gegen HIV/AIDS zurückwerfen", so der britische Minister für Entwicklung und Afrika, Andrew Mitchell.

Und jetzt?

Ugandas LGBTQI-Szene war auf diesen Tag bereits vorbereitet. Nur wenige Stunden nachdem der Präsident die Unterschrift geleistet hatte, zogen elf Aktivisten vor das Verfassungsgericht des Landes. Darunter sind Professoren der renommierten staatlichen Universität Makerere in Uganda, Herausgeber einer Wochenzeitung sowie Dr. Frank Mugisha, Vorsitzender der berühmten LGBTQI-Organisation SMUG (Sexual Minorities Uganda), die seit dem vergangenen Jahr offiziell geschlossen ist. SMUG war bereits 2014 mit anderen Partnern vor das Verfassungsgericht gezogen. Auch damals hatte das Parlament das vorhergehende Anti-Homosexuellengesetz verabschiedet, Museveni hatte es unterzeichnet - doch das höchste Gericht des Landes kippte es letztlich wegen "technischer Fehler".

Darauf hoffen Ugandas Aktivisten jetzt erneut. Martin Musiimwe ist Anwalt und zuständig für juristische Fragen in der Organisation "Let's Walk Uganda", einer der zahlreichen LGBTQI-Vereine in Uganda. Er hat sich intensiv mit dem Gesetzestext auseinandergesetzt und darin mehrfach feststellen müssen, dass viele Paragrafen den von der Verfassung garantierten Grund- und Menschenrechten eindeutig widersprechen. "Ich war froh, als ich feststellen musste, dass die Gesetzesgeber solch unerhörte Fehler gemacht haben", so Musiimwe, "denn ich weiß, dass kein nüchternes Gericht so etwas akzeptieren würde". Doch das Problem, so fügt er hinzu: Ugandas Justizsystem sei nicht unabhängig.

"Let's Walk Uganda" wandte sich am Montag, als das Gesetz in Uganda in Kraft trat, direkt an die deutsche Bundesregierung. In einem offenen Brief forderte sie diese auf, das Gesetz "zu verurteilen und Menschen in Gefahr zu schützen". Bereits zuvor hat die ugandische NGO Deutschland gebeten, schnell und einfach 200 Visa für Ugandas LGBTQI-Leute zur Verfügung zu stellen, die nun bedroht sind und schnell das Land verlassen müssen. Zahlreiche deutsche Nichtregierungsorganisationen und prominente Musiker und Künstler haben die Petition unterzeichnet. Eine Antwort der Bundesregierung steht noch aus.