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Europas schwerfällige Jagd auf Russlands Milliarden

Am Ende des Krieges soll Russland eine Rechnung erhalten. Das ist das erklärte Ziel von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Denn die Schäden von Wladimir Putins Zerstörung in der Ukraine werden bereits heute auf mindestens 750 Milliarden Euro veranschlagt. Der Westen hat keinen Zweifel daran gelassen, dass man Kiew beim Wiederaufbau unterstützen werde.

Russland und die mit Putin verbundenen Oligarchen sollen sich daran beteiligen. Im Rahmen der Sanktionen wurden bereits große Summen russischer Vermögen eingefroren. Dieses Geld – so lautet der Plan – soll der Ukraine zugutekommen. Im vergangenen halben Jahr ist jedoch fast nichts passiert, um diesem Ziel näherzukommen.

Zum einen hat sich die Menge des eingefrorenen Geldes kaum erhöht. Bis Dezember vergangenen Jahres hat die EU russisches Privatvermögen im Wert von 18,9 Milliarden Euro festgesetzt. Bis Ende Mai – ein halbes Jahr später – beläuft sich der Wert der eingefrorenen Oligarchen-Gelder auf 24,1 Milliarden, wie die Kommission auf Anfrage von WELT AM SONNTAG mitteilte. Sanktioniert wurden demnach bislang 1473 Oligarchen und 205 Firmen.

Dass in all dieser Zeit nur rund fünf Milliarden Euro zusätzlich eingefroren wurden, liegt auch an Deutschland. Zum Jahrestag des Krieges am 24. Februar betrug die hierzulande eingefrorene Summe russischen Privatvermögens 5,22 Milliarden Euro. Diese Zahl habe sich in der Zwischenzeit nicht verändert, teilte das Bundesfinanzministerium gegenüber WELT AM SONNTAG mit.

Dann ist da noch das Auslandsvermögen der russischen Zentralbank. Insgesamt sollen die G-7- und EU-Staaten Schätzungen zufolge rund 300 Milliarden Euro festgesetzt haben. Wie viel davon auf Europa entfällt, war lange nicht bekannt. Mitte Mai hat die Kommission die Mitgliedstaaten verpflichtet, den in Europa festgesetzten Wert zu ermitteln. Demnach haben die EU-Staaten Zentralbankvermögen im Wert von 200 Milliarden eingefroren, wie die Behörde mitteilte.

Aber nicht nur am Aufspüren der russischen Milliarden in Europa hapert es. Denn um das eingefrorene Geld schließlich auch anrühren zu können, müssen zunächst die rechtlichen Hürden ausgeräumt werden. „Da sehen wir nicht die Ergebnisse, die wir uns wünschen“, sagt Wladyslaw Wlasjuk, Berater im ukrainischen Präsidialamt und für Sanktionen zuständig, im Gespräch mit WELT AM SONNTAG.

Kanada hat die gesetzliche Grundlage geschaffen

Tatsächlich müsste für einen solchen Schritt die Gesetzeslage in vielen europäischen Ländern geändert werden. In Kanada ist das bereits geschehen. Schon im Juni hat die Regierung in Ottawa die gesetzliche Grundlage geschaffen, eingefrorenes russisches Vermögen auch beschlagnahmen zu dürfen.

„Dieses Gesetz sollte den Europäer als Inspiration dienen“, so Wlasjuk. Doch in Wahrheit dürfte dies für Brüssel eher abschreckende Wirkung haben. So ist die Kommission der festen Überzeugung, eingefrorenes Vermögen der russischen Zentralbank nicht anrühren zu dürfen. „Sobald die Sanktionen aufgehoben sind, müssen die Gelder zurückgegeben werden“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

Stattdessen soll das Geld in einen Treuhandfonds überführt werden, der es dann am Kapitalmarkt investiert. Lediglich die Zinsgewinne sollen dann der Ukraine zugutekommen. Langfristig plant die Kommission, das Geld mit den in einem möglichen Friedensabkommen vorgesehenen Reparationen zu „verrechnen“. Einen endgültigen Entschluss, dies zu tun, gibt es allerdings noch nicht. Die Diskussionen unter den Mitgliedstaaten „dauern noch an“. Eine Entscheidung sei frühstens beim nächsten Gipfel des Europäischen Rates Ende Juni zu erwarten.

Auch an das russische Privatvermögen komme man nicht ohne Weiteres heran. Die durch das Eigentumsrecht geschützten Villen, Yachten, Sportwagen, Schmuckstücke und Kunstwerke der Oligarchen können nicht allein wegen deren Nähe zu Putin beschlagnahmt werden.

Nach Monte Carlo reisten Russen in der Vergangenheit gerne mit ihren eigenen Autos an

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Quelle: Cezary Wojtkowski/chromorange/picture alliance

Die von der EU-Kommission entwickelte Alternative ist allerdings wenig Erfolg versprechend. An die eingefrorenen Gelder will man herankommen, indem man den Putin-Freunden Verstöße gegen die Sanktionen nachweist. Dafür soll die Umgehung von Sanktionen eine Straftat werden. Bereits im Dezember hat der US-Kongress ein ähnliches Gesetz erlassen. Seitdem konnte die amerikanische Justiz jedoch erst einem Oligarchen diese Straftat nachweisen und dessen 5,4 Millionen Dollar an die Ukraine schicken.

Die juristischen Vorbehalte der Kommission gegenüber einem entschlosseneren Umgang mit den russischen Milliarden sieht der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten ausdrücklich nicht als Hindernis für eine nationale Lösung. Demnach kann Deutschland das hierzulande eingefrorene Auslandsvermögen der russischen Zentralbank beschlagnahmen.

Die Verpflichtung, die Gelder nach Aufhebung der Sanktionen wieder zurückzugeben, entfalle, wenn „die eingefrorenen Gelder für andere Zwecke, wie den Wiederaufbau, verwendet werden sollen“. Somit sei die Enteignung des russischen Staatsvermögens durch die Bundesregierung rechtens, wenn dies gesetzlich festgelegt werde.

Dass Berlin dennoch zögert, wundert Wlasjuk nicht. „Deutschland und andere Länder mit starken Verbindungen nach Zentralasien müssen die geopolitischen Implikationen einer solchen Entscheidung berücksichtigen“, so der Berater. Tatsächlich könnten chinesische oder afrikanische Geschäftsleute und Firmen, dies zum Anlass nehmen, ihre Investments abzuziehen, sollten sie befürchten müssen, dass diese im Falle eines Krieges ihres Landes beschlagnahmt werden könnten. „Dass dies Zeit braucht, verstehen wir, drängen aber darauf, deshalb nicht vor einem solchen Schritt zurückzuschrecken.“

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