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Finanzstressindizes: Warum viele Indikatoren auf einen drohenden Crash hindeuten

Krieg, Inflation, Zinserhöhungen: Die Märkte befinden sich in Aufruhr – und wenn man dem Finanzstressindex des US-Finanzministeriums traut, droht bald ein Crash auf den internationalen Finanzmärkten

Anleger und Analysten warnen vor einem drohenden Börsencrash. Gründe dafür sind die sich kumulierenden globalen Krisen und Turbulenzen bei US-Aktien und Anleihen sowie der starke Dollar, die allesamt Druck auf das internationale Finanzsystem ausüben.

Ein Indikator für die Anspannung der US-Märkte, der Finanzstressindex des zum US-Finanzministerium gehörenden Office of Financial Research (OFR), ist auf den höchsten Stand seit der Coronapandemie im Mai 2020 gestiegen. Auch wenn die Aktien an der Wall Street mit Gewinnen in das vierte Quartal gestartet sind, liegt der Finanzstressindex des OFR mit 3,1 nahe einem Zweijahreshoch – wobei Null ein normales Funktionieren des Marktes bedeutet. Damit gesellt sich der Index zu einer immer länger werdenden Liste von Indikatoren, die auf eine zunehmende Anspannung der Handelsbedingungen für US-Staatsschulden, Unternehmensanleihen und Devisenmärkte hindeuten.

„Die Dynamik der weltweiten Ereignisse zeigt uns, dass wir uns eindeutig in einem Stadium des Börsenkrachs befinden“, sagte Nomura-Stratege Charlie McElligott. 

Schwächen in Europa und Großbritannien

Die wachsenden Sorgen wurden durch eine Reihe von massiven Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed zur Eindämmung der Inflation genährt. Höhere Kreditkosten und die Rezessionsängste führten zu einem steilen Ausverkauf an den Märkten und stärkten die US-Währung zum Nachteil ihrer weltweiten Konkurrenten. Die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank und der Bank of England sowie die gescheiterten Steuerpläne der britischen Regierung verstärkten die Marktschwankungen zuletzt weiter.

„Wenn sich die Finanzierungsbedingungen so stark verschlechtern, fragen sich alle, was die Zentralbanken zum Einlenken veranlassen könnte“, sagte Michael Edwards, der stellvertretende Chief Investment Officer des Hedgefonds Weiss Multi-Strategy Advisers. „Sie [die Fed] ist entschlossen, die Geldpolitik zu straffen, und [weil] die Wirtschaft sehr stark ist, müssen sie die Kapitalmärkte als Transmissionsriemen nutzen. Es wird also jemand zu Schaden kommen.“

Christoph Bruns

Wer geglaubt hat, der Euro könnte den Dollar irgendwann vom Sockel stoßen, sieht sich getäuscht. Der Greenback behauptet sich – und es wird immer deutlicher, dass der Euro keine zweite D-Mark ist.

McElligott verwies auf den 20-prozentigen Kursrückgang des japanischen Yen in diesem Jahr, den Ausverkauf britischer Staatsanleihen in den letzten Wochen und eine Reihe von Krediten, die in den Bilanzen der Banken stecken und die die Kreditgeber selbst bei hohen Preisnachlässen nicht an Investoren weitergeben können. Er fügte hinzu, dass die Stärke des Dollars „enorme wirtschaftliche Probleme verursacht ... die zunehmend auch auf die Märkte ausstrahlen“.

Bedingen über das ganze Jahr immer schlechter geworden

Diese Spannungen führen dazu, dass die Märkte nicht so funktionieren, wie sie sollten: Unternehmen können sich nicht so leicht finanzieren, es ist schwieriger, Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen, die Preise sind unbeständig und die Anleger sind weniger bereit, Risiken einzugehen.

Die Bedingungen haben sich das ganze Jahr über verschlechtert. Bis vor kurzem war dies aber vor allem auf dem Aktienmarkt zu beobachten, wo die Bewertungen aufgrund gestiegener Kreditkosten und geringerer Wachstumsaussichten drastisch gesunken sind. Privatunternehmen waren nicht in der Lage, ihre Aktien an die Börse zu bringen, und Banken mussten geplante Fremdfinanzierungen für ihre Kunden zurückziehen, weil die Investoren ihre Scheckbücher nicht öffnen wollten.

Im vergangenen Monat waren die Banken gezwungen, 6,5 Mrd. US-Dollar Schulden in den eigenen Bilanzen zu halten. Zuvor war es ihnen nicht die gelungen, willige Käufer zur Finanzierung der Übernahme des Softwareherstellers Citrix zu finden.

„Dies ist wie beim Hummer-Kochen. Man legt sie in kaltes Wasser und dreht die Hitze langsam hoch“, sagte George Goncalves, Leiter der US-Makrostrategie bei MUFG. „Genau das passiert gerade an den Märkten: Die Fed dreht die Hitze auf. Aber da der Markt immer noch im Geld schwimmt, ist noch nicht klar, wo die Schwäche liegt.“

JP Morgan-Ökonom Bruce Kasman ist etwas anderer Meinung. Die relative Gesundheit des Bankensystems und der geringe Finanzierungsbedarf vieler Unternehmen bedeute, dass die Anfälligkeit des Finanzsystems gering sei, sagte er am Freitag. Die US-Bank warnte jedoch, dass der Anstieg des OFR-Indexes ein Beweis für die Ausbreitung von Stress auf den Finanzmärkten – und eine geringere Risikobereitschaft – sei, die durch den starken Dollar und die höheren US-Zinsen verursacht werde. „Die Risiken für die globale Finanzstabilität sind eine zunehmend bekannte Unbekannte für den Ausblick“, sagte Kasman.

Prämie für risikoreiche Unternehmensanleihen deutlich gestiegen

Auch der Markt für Unternehmensanleihen zeigt laut Marty Fridson, Chief Investment Officer bei Lehmann, Livian, Fridson Advisors, zunehmend Anzeichen von Anspannung. Fridson stellte fest, dass die von den Anlegern geforderte Prämie für risikoreiche Unternehmensanleihen mit Junk-Rating gegenüber Staatsanleihen im vergangenen Monat deutlich gestiegen ist. Seinen Berechnungen zufolge spiegelt der Markt für Junk-Bonds jetzt eine 22-prozentige Rezessionswahrscheinlichkeit wider, während es Mitte September nur zwei Prozent waren.

Laut der Ratingagentur Moody's haben sich die Zahlungsausfälle von Unternehmen von Juli auf August mehr als verdoppelt. Die Strategen der Bank of America warnten am Freitag, dass ihr Indikator zur Messung des Stresses auf dem Kreditmarkt ein „grenzwertig kritisches Niveau“ erreicht habe und dass „Marktstörungen beginnen“, wenn er noch weiter ansteige.

Unabhängig davon wird ein Index von Goldman Sachs, der Wertminderungen und Verwerfungen auf dem Markt misst, nach oben getrieben – vor allem durch den Stress auf den Finanzierungsmärkten sowie die erhöhte Volatilität auf dem Markt für US-Staatsanleihen mit einem Volumen von 24 Mrd. Dollar. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen, die weltweit als Maßstab für die Kreditkosten gilt, ist in diesem Jahr von etwa 1,5 Prozent auf 3,6 Prozent gestiegen und überschritt vergangene Woche zum ersten Mal seit zwölf Jahren kurzzeitig die Vier-Prozent-Marke.

Der Euro hat gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verloren

Euro und Dollar sind gerade nahezu gleich viel wert. Die Gründe für die Euroschwäche sind die Gaskrise und die vorsichtige EZB. Das schlägt nun beides auf die Währungs- und Aktienmärkte durch

Auch die Volatilität an diesem Markt erreichte den höchsten Stand seit den durch das Coronavirus ausgelösten Turbulenzen im Jahr 2020. Das sagt zumindest der „Ice BofA Move Index“.

Die Volatilität ist auch auf Tagesbasis zu beobachten: Die größte Bewegung beim zehnjährigen Treasury im Jahr 2021 war ein Rückgang um 0,16 Prozentpunkte am 26. November. In diesem Jahr gab es bisher sieben Tage mit größeren Ausschlägen.

Die Fed hält zwar an ihren Zinserhöhungen fest, doch auch sie hält Ausschau nach möglichen Gefahren, die sich aus dem Marktrückgang ergeben.

„Während die Geldpolitik weltweit gestrafft wird, um die hohe Inflation zu bekämpfen, ist es wichtig zu berücksichtigen, wie grenzüberschreitende Spillovers und Spillbacks mit finanziellen Anfälligkeiten interagieren könnten“, sagte Lael Brainard, die stellvertretende Vorsitzende der Fed, am Freitag. „Wir achten auf finanzielle Anfälligkeiten, die durch das Auftreten zusätzlicher negativer Schocks verschlimmert werden könnten.“

© The Financial Times Limited 2022

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