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Frankfurt am Main: Deutschland holt IS-Frauen und ihre Kinder aus Syrien zurück

IS-Anhängerinnen in einem kurdischen Gefangenenlager in Syrien (Symbolbild)

IS-Anhängerinnen in einem kurdischen Gefangenenlager in Syrien (Symbolbild)

Foto: Baderkhan Ahmad / AP

In einer Geheimaktion lässt die Bundesregierung nach SPIEGEL-Informationen erneut eine Gruppe von deutschen Anhängerinnen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und ihren Kindern aus Syrien ausfliegen. Die vier Frauen und vier Kinder saßen seit Jahren in kurdischen Gefangenenlagern.

Ihre Überstellung nach Deutschland erfolgt nach Angaben aus Sicherheitskreisen mit einer Transportmaschine der US-Airforce über einen Luftstützpunkt in Kuwait. In den Abendstunden wird die Maschine in Frankfurt am Main erwartet. Gegen die Frauen ermitteln nach SPIEGEL-Informationen der Generalbundesanwalt und weitere Staatsanwaltschaften unter anderem wegen Terrorverdachts. Der gesundheitliche Zustand der ausgeflogenen Familien sei teilweise sehr schlecht, heißt es. Insbesondere die Kinder seien schwer traumatisiert.

Mutmaßlicher Terrorplan für Deutschland

Nach dem Niedergang des sogenannten Islamischen Staats, der zeitweise große Teile Syriens und des Irak beherrschte, hatten kurdische Kämpfer die nun zurückkehrenden Frauen gefangen genommen. Sie stammen ursprünglich aus Niedersachsen, Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Unter den Ausgeflogenen ist die 33 Jahre alte Dschihadistin Marcia M. Die Konvertitin aus Salzgitter ist für die deutschen Behörden nicht nur Beschuldigte, sondern auch eine potenziell wichtige Zeugin, die über das Innenleben der Terrormiliz berichten kann. Marcia M. und ihr Ehemann Oğuz G. stehen in Verbindung mit einem mutmaßlich groß angelegten Terrorplan des IS. Dessen Abteilung für »externe Operationen« soll im Jahr 2016 nach den Anschlägen in Paris und Brüssel  versucht haben, auch Terrorkommandos nach Deutschland zu schleusen. Als mögliches Anschlagsziel galt ein großes Musikfestival.

Den Ermittlern zufolge sei die Aufgabe von Marcia M. gewesen, Islamistinnen in Deutschland mit möglichen Attentätern zu verkuppeln: Zur Tarnung sollten sie die IS-Kämpfer heiraten und bei sich zu Hause unterbringen. Doch der Verfassungsschutz erfuhr von M.s Chats mit deutschen Islamistinnen. Im November 2016 sollen schließlich zwei Männer des Terrorkommandos daran gescheitert sein, Syrien zu verlassen und nach Deutschland zu reisen. Marcia M. und ihr Mann Oğuz G. gerieten in kurdische Gefangenschaft, wo deutsche und amerikanische Geheimdienstmitarbeiter sie bereits befragen konnten.

Als Jugendlicher zum IS verschleppt

In der Maschine ist außerdem die 30 Jahre alte Deutsch-Türkin Kevser T. aus dem westfälischen Rheine. Nach SPIEGEL-Informationen reiste T. bereits Ende November 2013 mit dem Islamisten Florian L. zum IS nach Syrien aus. Dort lebte das Ehepaar mit zwei Kindern in einer Wohnung nahe Rakka, der ehemaligen Hauptstadt des IS. Nach Erkenntnissen von Staatsschützern soll T. im Jahr 2014 an der Einschleusung weiterer Dschihadisten zum IS beteiligt gewesen sein. Zudem soll sie versucht haben, eine weitere Frau in Deutschland zu einer Ausreise nach Syrien zu bewegen.

Kevser T.s Partner Florian L. kam vor sechs Jahren bei Kämpfen ums Leben. Sie landete Anfang 2019 im kurdischen Gefangenenlager Roj in Nordostsyrien. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt gegen die zweifache Mutter wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht.

An Bord des Fliegers befindet sich auch ein 20-jähriger Mann aus Hamburg. Er war von seiner Mutter als Jugendlicher zum IS verschleppt worden. Um zu verhindern, dass er in einem Gefängnis mit islamistischen Kämpfern heranwächst und sich weiter radikalisiert, ist die Bundesregierung in seinem Fall von der bisherigen Linie abgewichen, nur Frauen und Kinder zurückzuholen. Allerdings führt auch in Deutschland der Generalbundesanwalt ein Terrorverfahren gegen ihn.

Bei dem Lufttransport handelt sich um die bislang sechste Rückholaktion. Zuletzt waren im März zehn Frauen und 27 Kinder mit einer Chartermaschine nach Frankfurt ausgeflogen worden. Beim ersten Flug im Sommer 2019 waren nur Waisenkinder und kranke Kinder von IS-Anhängerinnen aus einem Lager in Nordsyrien über den Irak  nach Deutschland gebracht worden. Später folgten mehrere Flüge mit Frauen und Kindern. Insgesamt befinden sich noch 40 deutsche IS-Anhänger in Haftlagern oder Gefängnissen in Nordsyrien. Mehr als zwei Drittel von ihnen sind Männer.