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Franzose kommt als Verstärkung: Was macht Habeck in Washington?

Der Kampf gegen den Klimawandel haben sich sowohl die US-Regierung als auch Robert Habeck auf die Fahnen geschrieben. Doch das hunderte Milliarden Dollar schwere Subventionspaket der Amerikaner alarmiert sowohl die EU als auch den deutschen Wirtschaftsminister.

Das ist ganz im Sinne von Robert Habeck: Die USA stellen gewaltige Summen zur Verfügung, um die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität hinzubekommen. Doch es gibt - aus deutscher Sicht - ein Problem. Das "Inflation Reduction Act" (IRA) genannte Programm enthält eine gehörige Portion Protektionismus. In Deutschland und dem Rest Europas wird befürchtet, dass angesichts der riesigen Mittel und dem Wunsch der Amerikaner, Produktion in den USA anzusiedeln, europäische Firmen benachteiligt werden und wichtige Industriezweige womöglich in die USA abwandern.

Also hat sich der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister auf den Weg nach Washington gemacht, um bei der US-Regierung dafür zu werben, den IRA europafreundlicher zu machen. In der US-Hauptstadt trifft er auf Verstärkung: Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire reist aus Paris an. Das Duo will gemeinsam auf Änderungen dringen. "Es gibt ja viel zu besprechen", sagte Habeck vor dem Abflug nach Washington. Die Bundesregierung freue sich zwar, dass die Amerikaner mit dem Klimaschutz ernst machen. Allerdings gebe es "ein paar kritische Punkte". Das Hauptproblem: Die US-Regierung will bei der grünen Transformation Unternehmen bevorzugen, die in den USA produzieren. E-Autos sollen etwa nur Subventionen bekommen, wenn ihre Batterien in Nordamerika hergestellt werden.

Habeck versicherte, bei den Verhandlungen mit den USA sei die EU-Kommission federführend. Er und Le Maire würden sie lediglich unterstützen. In der US-Regierung mag man die Rollenverteilung anders und die beiden größten Volkswirtschaften der EU als entscheidende Ansprechpartner sehen. Daran ändert auch nichts, dass Habeck kurz vor der US-Reise der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft einen Besuch abgestattet hat, um sich dort abzustimmen.

400 Milliarden Dollar. Oder 800 Milliarden?

Das US-Programm hat es in sich. Von einem Volumen in Höhe von fast 400 Milliarden Dollar ist die Rede, die in den nächsten zehn Jahren zur Verfügung gestellt werden sollen. Womöglich ist die Summer aber weitaus höher. Analysten stellen bis zu 800 Milliarden Dollar in Aussicht - abhängig davon, wie das Programm im Detail ausgestaltet und wie viel Geld am Ende abgerufen wird.

Fest steht: Ganz ohne Protektionismus geht es für die Amerikaner nicht. Denn die demokratische Regierung unter Präsident Joe Biden hätte für die Förderung grüner Technologie ohne eine gehörige Dosis "America First" nie die Unterstützung der Republikaner im Kongress bekommen. Und auch außerhalb der USA stößt es durchaus auf Verständnis, abgehängte Regionen wieder zu industrialisieren - und damit dem Trumpismus in dessen Hochburgen etwas entgegenzusetzen.

Steuermittel für den Kampf gegen den Klimawandel aufzuwenden, das ist weder für die EU-Kommission noch für die Bundesregierung ein Problem. Unerfreulich sind für sie vor allem die Anreize, Produktion in die USA zu locken - und zwar von Zukunftstechnologie wie die Herstellung von Windturbinen, Solarzellen, Batterien und E-Autos sowie die Wasserstoff-Branche. Der EU dürfte es nicht gelingen, dass ihren Mitgliedsländern formal die gleichen Vorteile eingeräumt werden wie Kanada und Mexiko, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen abgeschlossen haben.

Die Hoffnung ist, in Ausgestaltung und Anwendung der IRA-Klauseln in vielen Bereichen möglichst nahe an diese Vorteile heranzukommen. Vorbild ist eine bereits erzielte Vereinbarung: Elektrisch angetriebene Leasing-Autos sollen von der "Made in North America"-Klausel ausgenommen werden - geleaste Autos machen derzeit fast 80 Prozent des US-E-Auto-Marktes aus.

Paris und Berlin zum eigenen Nutzen unterwegs?

In Teilen der EU wird der gemeinsame Besuch von Habeck und LeMaire in Washington derweil mit etwas Argwohn betrachtet. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni warnte vor einem "Subventionskrieg" und meinte damit einen Wettlauf zwischen den USA und der EU. Doch liegt diese Gefahr aus Sicht einiger EU-Mitglieder womöglich anderswo: Die deutsch-französische Achse mache gemeinsame Sache, um den Regierungen zu ermöglichen, jede Menge Geld in die Hand nehmen, um die eigenen Industrien zu schützen. Berlin und Paris können dafür große Mittel zur Verfügung stellen, während anderen Ländern der nötige finanzielle Spielraum fehle.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager hat kürzlich darauf hingewiesen, dass Deutschland und Frankreich zusammen "für fast 80 Prozent der Staatshilfen" stehen, die die EU in der Corona-Pandemie genehmigt habe. "Die EU-Länder sind hier nicht gleichgestellt", kritisierte sie. Zur Einordnung: Allein im deutschen Klima- und Transformationsfonds stehen für die Jahre von 2023 bis 2026 Mittel von fast 180 Milliarden Euro zur Verfügung.

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche ihr eigenes Subventionspaket vorgestellt, um das IRA-Programm zu kontern. Regeln für Staatshilfen sollen gelockert, ungenutzte Mittel aus dem Corona-Hilfstopf anders eingesetzt, Öko-Projekte schneller genehmigt und Handelsabkommen zur Sicherung knapper Rohstoffe vorangetrieben werden. Rund 250 Milliarden Euro an bestehenden Mitteln sollten dafür umgewidmet werden, sagte Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen.

Lindner gegen Gemeinschaftsschulden

Das allerdings soll nur der Anfang sein. Geht es nach der EU-Kommission, wird die Union gemeinsame Schulden aufnehmen, um die Schlagkraft zu erhöhen. Doch das stößt bei vielen EU-Mitgliedsländern auf Widerstand - ganz vorne dabei bei den Gegnern ist der deutsche Finanzminister Christian Lindner. Die Franzosen allerdings stehen der Idee traditionell sehr aufgeschlossen gegenüber.

Le Maire setzt erstmal andere Prioritäten. Nötig sei eine “Neuausrichtung der europäischen Industriepolitik”, sagte er und konkretisierte, was er damit meint: Die EU müsse den Mitgliedsländern "sehr viel massivere Staatshilfen" erlauben, um heimische Investitionen etwa in grünen Wasserstoff, Elektroauto-Batterien oder Halbleiter zu fördern. Dies müsse auch Subventionen umfassen. Das dürfte in vielen EU-Ländern angesichts der Finanzkraft Frankreichs und Deutschland nicht auf besonders innige Gegenliebe stoßen.

Solche Staatsbeihilfen sind in der EU zwar verboten, damit der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verzerrt wird. Doch Wettbewerbskommissarin Vestager hat bereits angekündigt, die schon in der Corona-Krise gelockerten Auflagen als Reaktion auf die US-Subventionen weiter anzupassen. Ende der Woche will die Kommission auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs konkrete Vorschläge machen.

Vorher versucht der deutsche Wirtschaftsminister gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen, die "America First"- Elemente im IRA-Subventionsprogramm zu entschärfen, das der "Economist" mit drei Wörtern beschreibt: groß, grün und gemein.