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Friedensnobelpreis: Warum sich selbst das bisschen Frieden lohnt

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

haben Sie sich schon mal dabei ertappt, jemanden, der sich für das Gute engagiert, als dumm und naiv wahrzunehmen? Im Deutschen haben wir dafür ein Wort: Weltverbesserer. Das klingt zwar positiv, es schwingt aber Zynismus mit:

Diese unverbesserlichen Idealisten mit ihrem Glauben an den Weltfrieden! Die haben eben einfach nicht verstanden, was schon der Dichter Bertold Brecht mit seiner Dreigroschenoper im Jahr 1928 in Berlin auf die Bühne brachte. Die Zeilen aus Brechts Theaterstück kennen viele noch aus der Schule:

"Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" oder "Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht – da hab' ich eben leider recht!"

Als unumstößliche gesellschaftliche Konstanten sind diese Worte eingegangen in unser kulturelles Gedächtnis. So funktioniert unsere Welt eben einfach. Seit vielen Monaten fällt es besonders schwer, an das sogenannte Gute im Menschen zu glauben.

Der Krieg in der Ukraine, die vielen Toten und der unerbittliche Mensch im Kreml, von dem wir nicht wissen, ob er die Krise mit einem nuklearen Angriff eskalieren würde. Aber auch die Verantwortung des Westens, unsere eigene Verantwortung für Kriege, für Armut und Hunger. Unser Wegsehen und Weitermachen, wenn es eigentlich darum gehen müsste, Konsequenzen zu ziehen.

Egal, ob das der Kauf des neuesten iPhones 14 ist, dessen Produktionsbedingungen wir lieber nicht kennen wollen, oder die günstige Flugreise, die wir uns einfach verdient haben. Nach mir die Sintflut – ein solches Denken können sich etwa die Bewohner verschiedener Südseeinseln gar nicht mehr erlauben. Denn deren Heimat geht wegen des voranschreitenden, von uns vorangetriebenen Klimawandels bereits Zentimeter für Zentimeter unter.

Den Weltfrieden wird es nicht geben. Gemeint ist dieser vielleicht wirklich naive Glaube an einen Idealzustand vom weltweiten Frieden ohne Feindseligkeiten und Kriege. Die neuere Friedensforschung begreift Frieden ohnehin nicht als Zustand und schon gar nicht als einen Endzustand.

"Frieden ist ein Prozess" – das ist keine belanglose Floskel, sondern birgt eine Aufgabe, der sich viele Menschen auf unserer Erde trotz und wegen der vielen Probleme täglich widmen. Oftmals schauen gerade wir Medien da nicht genau hin. Das liegt aber auch an einer gesellschaftlichen Konstante: Dorthin, wo es brennt, schauen wir Menschen schneller hin. Dorthin, wo ein Brand verhindert wurde, eher nicht. Die Medien wollen und sollen darüber berichten, was Sie, liebe Leserin, lieber Leser, interessiert.

Heute wird in Oslo zum Beispiel der diesjährige Träger des Friedensnobelpreises bekannt gegeben. Interessiert uns das? Bringt das überhaupt was?

Im Vorfeld der Verleihung gibt es immer viele Spekulationen, wer wohl in diesem Jahr in Frage kommen könnte. Es kursieren Listen von klugen Leuten, die am Ende aber nicht unbedingt stimmen müssen. Dass zum Beispiel die Nato, ein Militärbündnis, in diesem Jahr den Preis bekommt, kann wohl eher ausgeschlossen werden. Auch wenn es unausweichlich ist, Aufmerksamkeit auf den militärischen Abwehrkampf der Ukrainer zu richten: Wahrscheinlich werden auch sie nicht den Friedensnobelpreis erhalten. Wie mein Kollege Marc von Lüpke zeigt, lag das Komitee mit seinen Preisträgern auch schon ab und an daneben.

Aber ein Blick auf diese Listen zeigt, dass die Welt eben nicht nur arm und der Mensch nicht nur schlecht ist. Es gibt Menschen, die Frieden als einen andauernden, immer wieder zu erreichenden Prozess verstanden haben. Sie beweisen Mut, Ausdauer und Idealismus, auch wenn dieser manchmal aus purer Verzweiflung entstehen mag. Eine Auswahl der diesjährigen Favoriten:

Oppositionelle aus Belarus und Russland

Die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja lebt im litauischen Exil. Dorthin geflohen ist sie, nachdem sie 2020 bei den Präsidentschaftswahlen gegen den Diktator Alexander Lukaschenko antrat. Obwohl sie nie in die Politik gehen wollte, gilt sie als die Hoffnungsträgerin der belarussischen Freiheitsbewegung. Für ihr Engagement hat sie in diesem Jahr bereits den Karlspreis erhalten. Während sie weltweit weiterhin um Unterstützung wirbt, hat t-online verraten, dass auch sie manchmal denkt: "Ich kann das alles nicht mehr". Was Tichanowskaja motiviert weiterzukämpfen, das lesen Sie hier.

Der in Russland inhaftierte Oppositionsführer und Antikorruptionsaktivist Alexej Nawalny gilt ebenfalls als Favorit. Seit vielen Jahren arbeitet er daran, Putins Oligarchen-Regime zu bekämpfen. 2020 überlebte er nur knapp ein Attentat, bei dem er mit einem Nervenkampfstoff vergiftet wurde. Nachdem er in Deutschland behandelt worden war, ging er trotz Lebensgefahr zurück nach Russland, wo er sofort verhaftet wurde und seither in einem Strafgefangenenlager festgehalten wird.

Das Lied "Baraye" des iranischen Songwriters Shervin Hajipour gilt bereits jetzt als Hymne des Freiheitskampfes. Sein Video mit deutscher Übersetzung finden Sie hier.

Die Exilregierung von Myanmar

Ein Land, das es selten auf die Titelseiten schafft, ist Myanmar, auch bekannt als Burma. Seit im Jahr 2021 das Militär putschte und die Premierministerin Aung San Suu Kyi ins Gefängnis geworfen wurde, ist die kurze demokratische Phase des Landes wieder vorbei. Mehr als 1.000 Menschen wurden von der Militärjunta seither getötet, der Völkermord an den Rohingya geht weiter. Die sogenannte "Regierung der Nationalen Einheit von Myanmar" entstand als Schattenregierung und versucht, vom Exil aus für eine demokratische und friedliche Zukunft des Landes zu kämpfen. Auch sie gilt als Anwärterin auf den Friedensnobelpreis.