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Gaspreisbremse: Die plumpe Scholz-Ansage ist gefährlich

Minister Habeck, Kanzler Schulz, Minister Lindner

Minister Habeck, Kanzler Schulz, Minister Lindner

Foto: Filip Singer / EPA

»Wumms« hatte er schon mal  , deshalb spricht er nun vom »Doppel-Wumms«: Bundeskanzler Olaf Scholz hat den neuen Energie-Rettungsschirm der Bundesregierung auch verbal mit einem Paukenschlag angekündigt. Bis zu 200 Milliarden Euro will die Ampel bis Frühjahr 2024 mobilisieren, um Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen vor den Folgen der Energiepreiskrise zu schützen. Hinzu kommt eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung für Gas. Und dann sind da ja auch noch die rund 100 Milliarden Euro schweren früheren Entlastungspakete.

Viel Geld also gegen soziale Härten. Und das ist ja auch gut so. Es dämpft hoffentlich das Leid von Millionen Menschen, rettet Tausende Firmen vor dem Konkurs und beugt italienischen Verhältnissen mit triumphierenden Rechtspopulisten vor. Nur leider hat der SPD-Politiker seinen neuen Rettungsschirm mit einer hoch problematischen Botschaft verknüpft. »Die Preise müssen runter«, sagte Scholz am Nachmittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Fonanzminister Christian Lindner. Das war ganz schön platt. Und es passt zu einer Krisenkommunikation, die schon länger gefährlich in die Irre führt.

Was es tatsächlich zu vermeiden gilt, sind nämlich nur die sozialen Härten. Und diese lassen sich eben nicht vermeiden, wenn man jetzt plump die Preise drückt. Dann nämlich dürfte kaum jemand weniger heizen – und das Gas dürfte nicht bis Winterende reichen. Schlimmstenfalls drohen dann Zwangsrationierungen für Unternehmen.

Die deutsche Gasversorgung ist leider auch mit Rettungsschirm so sicher wie einst Norbert Blüms Rente: nämlich gar nicht. Es wäre wichtig, den Bürgerinnen und Bürger das klar zu sagen. Und sie eindringlicher zum Energiesparen zu bewegen. Auch wenn das unsexy und unkommod ist.

Sorglos Heizen mit der »Doppel-Wumms«?

Bisher tun die Bürger offenbar zu wenig. Laut Bundesnetzagentur lag der Gasverbrauch von Haushalten und Gewerbe vergangene Woche 14,5 Prozent über dem Durchschnitt der Vorahre. Das lag zwar hauptsächlich am kalten Wetter. Doch selbst wenn man den Sondereffekt herausrechnet, reichen die bisherigen Sparbemühungen nicht. Laut Netzagentur müsste der Verbrauch um mindestens 20 Prozent zurückgehen, wenn wir gut durch den Winter kommen wollen.

Es gibt zwei zentrale Hebel, um die Bürgerinnen und Bürger zum Gassparen zu bringen. Der eine funktioniert über wirtschaftliche Anreize. Wenn Gas wie bislang immer teurer wird, verbrauchen die Leute schlicht weniger. Doch den Preisdruck will die Regierung ja nun gerade rausnehmen. Was erst einmal auch richtig ist. Denn der Druck ist momentan zu groß. Es ist aber wichtig, die Entlastungen nun so zu konzipieren, dass danach nicht alle blind drauflosheizen.

In einer Expertenkommission der Regierung kursieren genau dafür verschiedene Modelle . Alle funktionieren im Kern gleich: Man will die Gaspreise für Endkunden deckeln – aber nur zum Teil. Für den Rest sollen die Leute weiter die horrenden Marktpreise zahlen. So will man sie dazu bewegen, weniger zu verbrauchen.

Ob das bei allen Kundinnen und Kunden funktioniert, ist fraglich. Gerade Menschen aus der Mittel- und Oberschicht könnten dank Scholz' »Doppel-Wumms« sorgloser werden. Sie könnten die staatlichen Vergünstigungen mitnehmen – und sich umso weniger um die restlichen teuren Kilowattstunden scheren. Die hätten sie ohnehin nie wirklich in finanzielle Nöte gebracht.

Es wird solche Leute geben. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Die Regierung muss aber aufpassen, dass es nicht zu viele werden. Habeck wies in der Pressekonferenz genau darauf hin. Die »Programmierung« des Gaspreisdeckels sei extrem wichtig, sagte er. Leider ging das ziemlich unter.

Jenseits des Deckels stellt sich die Frage, ob es auch konkrete finanzielle Anreize zum Sparen braucht. Zum Beispiel eine Prämie für alle, die ihren Verbrauch signifikant drücken. Einen solchen Gasbonus befürwortet unter anderem die Wirtschaftsweise Verokina Grimm, die auch die Gaskommission leitet.

»Attacke, Attacke - Heizen ist Kacke«

Der zweite Hebel, an dem sich ansetzen ließe, ist eine ähnliche gesellschaftliche Stimmungsmache wie im Sommer 2019 bei der Flugscham. »Attacke, Attacke - Fliegen ist Kacke«, brüllten »Fridays for Future«-Aktivistinnen und -Aktivisten damals Reisenden an deutschen Flughäfen hinterher. Auch nicht weniger plump als des Kanzlers »Doppel-Wumms«. Aber sie stießen damit einen öffentlichen Diskurs an, der bis heute nachwirkt. Zumindest verschwenderisches Jet-Setter-Fliegen ist seitdem in vielen gesellschaftlichen Kreisen out (außer bei Kylian Mbappe ).

Jetzt – im russischen Wirtschaftskrieg gegen Europa, der hauptsächlich über die Gaspreise ausgetragen wird – könnte man sich gut ein ähnliches Momentum vorstellen. Man könnte Stimmungen gezielt so lenken, dass die Leute zumindest stolz sein können, wenn sie zu Hause in einer kühleren, dunkleren Wohnung sitzen. Und sich zumindest heimlich ein wenig schämen, wenn die Heizung auf Stufe fünf bei gekippten Fenstern bollert. »Gassparen gegen Putin« könnte ein Slogan sein. »Gassparen fürs Klima« sowieso. Zur Not auch »Attacke, Attacke - zu viel Heizen ist gerad' echt Kacke«.

Aus der Politik ist in diese Richtung aber wenig zu vernehmen. Das höchste der Gefühle sind noch Erzählungen von Politikern, dass sie jetzt kürzer duschen. Viel mehr »Wumms« bekommt das unpopuläre Thema nicht. Es wird kaum versucht, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Ihnen klarzumachen, dass sie schon jetzt aus Eigeninteresse den Verbrauch drosseln sollten – damit es in ein paar Monaten nicht richtig ungemütlich wird.

Man versteckt sich lieber hinter Klaus Müller, dem Chef der Bundesnetzagentur, der gefühlt jeden Tag solche Mahnungen ausspricht. Nur dass kaum einer auf ihn hört. Warum auch, bei so wenig Rückhalt aus der Regierung? Und bei Botschaften wie der heutigen von Olaf Scholz.