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Gipfeltreffen: Ungleiche Freunde: Wie China Russland durch schwere Zeiten hilft

Chinas Präsident Xi Jinping zeigt sich mit Moskau solidarisch und verspricht eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Doch die Chinesen lassen sich nur auf das ein, was ihnen selbst nutzt

Etwa 40-mal sind sie sich begegnet: Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin. Der dreitägige Besuch Xis in Moskau toppt jedoch alle bisherigen Treffen. Die Konstellation aber ist konstant: Die Großmacht China tauscht sich mit dem Juniorpartner Russland aus. Geopolitisch eint sie eine Solidarität „gegen den Westen“. Wirtschaftlich treffen starke Eigeninteressen aufeinander, in denen gemeinsame Nenner zu finden sind. Peking hilft dem unter Sanktionen leidenden Freund – um seinen Einfluss auszubauen.

Von dem Treffen wurden diese Woche mit Spannung zwei Signale erwartet: Gibt es Fortschritte mit einer lange geplanten Gaspipeline? Und ist Peking zu einer engeren Rüstungskooperation bereit? Der Ausgang zeigt, dass die Weltmacht im Osten am längeren Hebel sitzt.

Seit der russischen Invasion in der Ukraine hat die Volksrepublik weitgehend vermieden, westliche Sanktionen gegen Russland zu brechen, auch wenn sie sich ihnen nicht angeschlossen hat. Doch Peking hilft dem Partner tatkräftig, die Wirkungen der Strafmaßnahmen abzufedern – indem China beispielsweise mehr russische Energie kauft und mehr Elektronik und andere Güter verkauft. Ein Jahr nach Kriegsbeginn sieht es so aus, dass dieses Verhältnis eher noch vertieft wird, als dass Xi sich von Moskau distanziert.

Die Präsidenten Russlands und Chinas, Wladimir Putin und Xi Jinping

Russland setzt wirtschaftlich auf China. Der Ökonom Oleg Vyugin hält das für riskant und warnt: Seinem Land drohe die Unterordnung

Derweil wird Russlands internationaler Handel durch westliche Embargos gegen russisches Erdöl und Preisobergrenzen für den Ölhandel sowie Sanktionen gegen russische Finanzinstitute erschwert. Die Wirtschaft erlebte 2022 eine Rezession – und schrumpfte laut jüngsten Daten der Weltbank um 4,5 Prozent. Drohende Haushaltsengpässe konnte Moskau anfangs noch durch die explodierenden Öl- und Gaspreise, dann über höhere Abschöpfungen aus dem Handel und erhöhte Ausfuhrmengen ausgleichen – an willige Abnehmer wie Indien und China.

Energiehandel floriert

Westliche Anstrengungen, der russischen Kriegsmaschine allmählich die Mittel zu entziehen, werden dadurch geschwächt. Sie müssen zusehen, wie der gesamte Warenaustausch zwischen China und Russland auf einen neuen Rekordwert in Höhe von 190 Mrd. Dollar kletterte –  laut chinesischen Zollangaben ist das etwa ein Drittel mehr als im Vorjahr. Besonders der Energiehandel lief auf Hochtouren. Russische Exporte von Erdöl und Gas nach China stiegen von März bis Dezember 2022 auf Dollar-Basis um 44 Prozent (auf 51 Mrd. Dollar) beziehungsweise 155 Prozent (auf 9,6 Mrd Dollar). Die Kohleausfuhren kletterten um 54 Prozent (auf 10 Mrd. Dollar).

Seit dem Importstopp und dem Preisdeckel von EU und G7 wird Russland sein Rohöl immer schwerer los – meist nur mit Preisabschlägen, die bis zu 50 Prozent ausmachen. Dank solcher Rabatte fand die russische Energiewirtschaft aber auch Käufer in China, die sich nicht von direkten oder indirekten Sanktionsrisiken abschrecken ließen. China wiederum kommt billigere Energie gerade recht, während es sich von der Covid-19-Depression erholt und die Wirtschaft hochfährt. In Moskau wurde jetzt ein weiterer Ausbau vereinbart.

Verglichen mit Öl ist Russlands Erdgasgeschäft in einer verzweifelteren Lage. Allein auf dem europäischen Markt gingen im vergangenen Jahr 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas-Exporte verloren. Um mit Gas wieder Geld zu verdienen, müssten schnell LNG-Anlagen für den Seetransport ausgebaut oder das nach Westen gerichtete Pipeline-Netz in Richtung Osten neuausgerichtet werden. Neue Trassen zum Anschluss an die Volksrepublik sind seit Jahren in Planung. Nur hat die chinesische Seite bisher keine Anstalten gemacht, dafür zu bezahlen. Das wichtigste Rohrleitungsprojekt „Power of Siberia 2“, 2600 Kilometer lang über die Mongolei – mit einer Jahreskapazität von 50 Milliarden Kubikmetern Gas – wird mit Kosten von 20 Mrd. Euro taxiert.

Ein Arbeiter in Nowosibirsk entfernt den Schriftzug von McDonald’s von der Fassade

Russlands Wirtschaft hat das erste Kriegsjahr trotz der westlichen Sanktionen einigermaßen überstanden. Doch ab jetzt wird es von Monat zu Monat schwieriger. Die Hoffnungen auf eine Pipeline nach China sind Zukunftsmusik

Zum Leidwesen Russlands ließ Xi sich auch jetzt zu keiner konkreten Zusage hinreißen. Zwar verkündete Putin, alle Parameter für eine Umsetzung des Vorhabens seien „praktisch“ fertig. Doch über Absichtserklärungen zwischen Gazprom und der China National Petroleum Corporation (CNPC), über die nächsten 25 Jahre mehr russisches Erdgas zu liefern, kam man nicht hinaus. Vor 2030 sehen Experten wenig zusätzlichen Bedarf in China und sie halten auch den Bau des Röhrensystems für unrealistisch. Bis dahin will Russland laut Putin mindestens 98 Milliarden Kubikmeter Gas an China liefern – plus 100 Millionen Tonnen LNG.

An den schwindenden Gaseinnahmen wird das so schnell nichts ändern. Nach einer Schätzung von Reuters erreichten die Exporteinnahmen von Gazprom im Januar 3,4 Mrd. Dollar, vergleichen mit 6,3 Mrd. Dollar im Jahr davor. Kombiniert mit Ausfuhr- und Preisprognosen ließe sich ableiten, dass Gazprom 2023 im zweiten Jahr in Folge nur etwa halb soviel einnehmen wird wie im Vorjahr. Schlechte Vorzeichen für den Staatshaushalt.

Ersatz für boykottierte Güter

Schon vor dem Krieg kaufte Russland für Milliarden Dollar chinesische Maschinen, Anlagen, Elektronik oder Metalle. Nun braucht es Ersatz für Artikel, die sanktioniert sind, wie Fahrzeuge und elektronische Güter. „Kein anderer Produzent der Welt erreicht hierbei so schnell die Industriekapazitäten der Volksrepublik“, sagte Anna Kirejew, Dozentin für internationale Beziehungen in Moskau, dem Sender CNN.

So wird der russische Marktforscher Autostat mit Angaben zitiert, wonach chinesische Automarken wie Haval, Chery oder Geely ihren Marktanteil von 10 auf 38 Prozent gesteigert haben – Tendenz weiter steigend. Bei Verbraucherelektronik sind Marktbeobachtern zufolge 95 Prozent des Smartphone-Markts in chinesischer Hand. Insgesamt legten chinesische Lieferungen nach Russland im vergangenen Jahr um 12,8 Prozent zu. Die von Mikrochips – nutzbar für zivile wie für militärische Zwecke – verdoppelten sich sogar.

Ein Autohändler der chinesischen Marke Geely in St. Petersburg.

Ein Autohändler der chinesischen Marke Geely in St. Petersburg.

© picture alliance/dpa/TASS | Alexander Demianchuk

Auch im Zahlungsverkehr haben sich das russische Finanzwesen und die Wirtschaft mit der „freundlichen“ Währung Yuan beholfen, nachdem Transaktionen und Geschäftsabwicklungen in Dollar durch die Sanktionen zunehmend eingeschränkt wurden. Der Rubel hat 2022 rund 40 Prozent gegenüber dem Euro und dem Dollar eingebüßt. Wie das Zahlungssystem Swift berichtete, ist Moskau inzwischen unter den sechs wichtigsten Offshore-Handelsplätzen für die chinesische Währung. Nach russischen Medienberichten beherrscht der Yuan zu fast 50 Prozent den heimischen Devisenmarkt.

Banken wie Unternehmen wickeln ihre Geschäfte verstärkt mit der chinesischen Währung ab. Putin bezifferte den Anteil von Rubel und Yuan im bilateralen Warenaustausch auf 65 Prozent. Für Zahlungen im Ausland können russische Reisende Karten des chinesischen Anbieters Unionpay nutzen. Doch wird berichtet, dass dieser keine in Russland herausgegebenen Karten mehr annehmen wolle. Eine Erklärung lautet, dass Chinas Großkonzerne doch verstärkte Vorsicht walten lassen, um nicht direkt oder indirekt mit westlichen Sanktionen in Konflikt zu geraten.

Russlands Waffenhunger

Leichter lassen sich Sanktionen gegen militärische Güter umgehen. So sind die Ausfuhren chinesischer Lastfahrzeuge nach Russland in die Höhe geschossen – vermutlich, um Logistikaufgaben für das Militär zu bewältigen. Auch sonst ist der Schattenbereich für so genannte Dual-use-Güter – zivil wie militärisch nutzbar – groß. US-Medien berichteten aber auch von chinesischen Firmen, die Technologie für Satellitenerkennung und Störtechnik sowie Teile für Kampfflugzeuge geliefert haben sollen. Diese Deals könnten noch auf Vorkriegsdeals zurückgehen, hieß es.

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer

Zum ersten Mal seit dem Überfall auf die Ukraine sinken die russischen Erdöleinnahmen massiv. Kremlchef Wladimir Putin sieht dabei ohnmächtig zu

In Washington ist man überzeugt, dass Putin Xi dazu drängt, mit Kampfausrüstung zu helfen – einschließlich von Artilleriegeschossen und Kampfdrohnen für den Einsatz in der Ukraine. Würde Peking das akzeptieren, liefe das auf eine Art Stellvertreterkrieg mit der Nato hinaus.

China ist offenbar unentschlossen. Xi sprach in Moskau öffentlich wenig über den Krieg oder seine Friedensinitiative, und betonte erneut, China sei „unparteiisch“. Sollte Peking sich aber doch für Waffenlieferungen entscheiden, würde dies vermutlich heimlich geschehen. China hat eine lange Geschichte verdeckter Waffengeschäfte, die sehr schwer nachvollziehbar sind. Wäre dies für Artilleriegeschosse kein Problem, so bergen Kampfdrohnen hierbei ein größeres Risiko, öffentlich entlarvt zu werden. Dem von Xi gewählten Image eines Friedensstifters würde das dann nicht besonders gut bekommen.

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