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Große Proteste in Meck-Pomm - 400 Flüchtlinge sollen in 500-Seelen-Ort

Grevesmühlen/ Upahl (Mecklenburg-Vorpommern) – Die Entscheidung ist gefallen. In dem 500-Seelen-Ort Upahl in Mecklenburg-Vorpommern sollen ab März etwa 400 Flüchtlinge in einem Containerdorf, das als Erstaufnahmestelle dienen soll, untergebracht werden.

Selbst Upahls Bürgermeister Steve Springer sagt, dass das alles zu schnell gegangen sei und die Gemeinde nicht informiert worden sei. Er selbst habe erst vor 10 Tagen von den Plänen erfahren.

▶︎ Vorigen Donnerstag kam es dann zu Tumulten vor dem Kreistag in Grevesmühlen. Etwa 120 Beamte verhinderten an dem Abend eine Stürmung des Gebäudes – und somit die Unterbrechung der Abstimmung zum Bau der Flüchtlingsunterkunft.

Transparent an einem Zaun in Upahl (Nordwestmecklenburg). Die Bewohner sorgen sich um ihre Sicherheit

Foto: Jens Büttner/dpa

Eine „auffallend hohe Anzahl an Rechtsextremen, Neonazis, Reichsbürgern und Fußball-Hooligans“ war laut Polizei an der Demonstration vor dem Kreistag in Grevesmühlen beteiligt. „Weit über 100“, heißt es später zu der Aktion von den Einsatzkräften, an der knapp 700 Menschen teilnahmen. Auch der Staatsschutz war vor Ort.

Ein Polizeisprecher sagte auf BILD-Nachfrage: „Wir haben uns in allerletzter Sekunde dazwischengeschoben, sonst hätten die Demonstranten das Gebäude gestürmt.“ Vier Strafverfahren wurden eingeleitet. Ermittelt wird demnach wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz in zwei Fällen und je einmal wegen schweren Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel kritisierte den Vorfall scharf. Meinungs- und Demonstrationsfreiheit seien zentrale Grundrechte einer Demokratie. „Dass allerdings bekannte Rechtsradikale und Rechtsextreme versuchen, diese Veranstaltungen für sich zu okkupieren, ist nicht hinnehmbar“, sagte der SPD-Politiker in Schwerin.

Doch was genau steckt hinter dem Protest? BILD hat sich in der Gemeinde in Nordwestmecklenburg mal umgehört.

Die Menschen in Upahl wehren sich mit Schildern gegen den Vorwurf, rechtsradikal zu sein

Foto: Jens Büttner/dpa

Zum Kinderarzt müssen die Eltern nach Schwerin (25 km entfernt), Lübeck (46 km) oder sogar Hamburg (106 km). Der Schulbus ist längst gestrichen. Die nächste Polizeistation befindet sich im fünf Kilometer entfernten Grevesmühlen.

Der Frust der 506 Einwohner vom Dorf Upahl (die Gemeinde mit anliegenden Ortschaften zählt 1662 Leute) ist groß.

Jetzt haben sie erfahren, dass ab März in ihrem Ort auf einer Rasenfläche (3,5 Hektar, Eigentümer ist das Land) ein Containerdorf für 400 bis 500 Menschen aus dem Iran, Irak oder Afghanistan hingestellt wird. Verhältnis Einwohner zu Flüchtlingen: quasi 1:1!

In Sorge um ihr Dorf: Gemeinderatsmitglied Jan Achilles (46, links) und Rentner Michael Krieger (68)

Foto: Stefan Tretropp

Deshalb die Demo vergangene Woche. „Die Stimmung war aufgeheizt. Und es gab unter den Demonstranten auch Neonazis – aber meiner Meinung nach nicht mehr als 30“, sagt Upahls Gemeindevertreter Jan Achilles (46, Umwelttechniker). „Aber zumindest wir versuchten zu keinem Zeitpunkt, unser lokales Parlament zu stürmen.“

Medizintechnikerin Annika Sommer (47) reist durch die ganze Welt für ihren Job: „Bin ich ein Neonazi, wenn ich sage, dass wir Angst um unsere Kinder haben?“, so Sommer. „Die 500 jungen, meist männlichen Flüchtlinge dürfen zunächst nicht mal arbeiten. Da ist es doch vorprogrammiert, dass einigen langweilig wird und sie auf dumme Gedanken kommen.“

Für Anwohnerin Anika Sommer (47) sind die Konflikte im Dorf vorprogrammiert

Foto: Stefan Tretropp

Unternehmer Klaus Rater (62) lebt seit seiner Geburt im Dorf. „Auch die jüngsten Ereignisse im Regionalzug zwischen Kiel und Hamburg, in dem ein Palästinenser zwei Jugendliche tötete, machen uns hellhörig. Was, wenn es unter den zukünftigen 499 guten Flüchtlingen hier so einen gibt.“

Autohausbesitzer Klaus Rater (62) fürchtet um die Sicherheit in der Gemeinde

Foto: Stefan Tretropp

Rentner Michael Krieger (68) war während der Demo mit einem Megafon in der ersten Reihe. „Besonders empört hat uns, dass wir vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Erst eine Woche vor dem Kreistagsbeschluss erfuhren wir überhaupt, dass in Upahl ein Containerdorf aufgebaut wird. Normalerweise läuft da vorher doch ein demokratischer Prozess mit Anhörung aller Beteiligen und so weiter.“

Aber auch er weiß: Unter die Demonstranten mischten sich Neonazis aus dem in der rechten Szene bekannten Dorf Jamel (15 Kilometer von Upahl entfernt). BILD fuhr hin, wollte wissen: Warum? Schweigen.

Via Handy antwortete Jamel-Einwohner Timo S.: „Ich war dabei. Aber nur, weil da eine Demo war.“