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Habeck in Washington: Der Wirtschafsminister will die Welt neu ordnen

Bei seinem Washington-Besuch geht es für Robert Habeck um die Zukunft des deutschen Wohlstands. Der Vizekanzler will aber auch die neue Weltordnung bauen.

Seit einem Jahr bestimmt der Krieg gegen die Ukraine die Weltlage und auch den Terminkalender von Robert Habeck. Waffenlieferungen, Gasimporte, Rohstoffersatz, Sanktionen, Zeitenwende, raus und rein bei Kohle und Atom, Ausbau der Erneuerbaren und am Horizont auch noch ein drohender Konflikt zwischen China und den USA – alles landet beim deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz auf dem Tisch.

Man könnte es auch so sagen: Bei niemandem sonst hängt so sehr alles mit allem zusammen wie bei Robert Habeck. Keiner ist so sehr fast Kanzler wie der Vizekanzler. Nach seiner Reise nach Stockholm ist er am Montag in Washington gelandet. Seine Mission lautet mal wieder: Das Schlimmste verhindern und zugleich das Beste herausholen.

Denn seit Monaten liegt auf Habecks Schreibtisch eine besonders dicke Akte. Darin ein Wortungetüm aus Amerika – der sogenannte Inflation Reduction Act, kurz IRA. Neben den anderen kaum lösbaren Aufgaben ist dieses US-Gesetz derzeit Habecks wichtigste Nebensache der Welt. Denn Amerika startet mit dem IRA zwar endlich in die eigene Energiewende und reiht sich ein ins Pariser Klimaabkommen; das Gesetz ist aber auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Europa.

Irgendwann wird sich Habeck am Erfolg dieser Reise nach Washington messen lassen müssen. Läuft es gut, entsteht ganz am Ende womöglich sogar ein grüner, prosperierender Freihandelsraum zwischen den USA und der Europäischen Union, verbunden mit weltweit zugeneigten Rohstofflieferanten. Es wäre nach Habecks Geschmack und ein Schritt in Richtung Werte geleiteter, klimaneutraler Außenwirtschaftspolitik.

Läuft es aber schlecht, steht der Wohlstand Deutschlands und der EU bei unruhiger Weltlage noch mehr auf dem Spiel als ohnehin schon. Im schlimmsten Fall droht ein Handelskrieg. Was dann aus der deutschen Energiewende werden soll, ist unklar.

Ein Lob mit einem großen Aber

Es ist nicht nur der Jetleg. Nach einem Jahr schwer unlösbarer Aufgaben sind Robert Habeck die Strapazen anzumerken, als er vor dem Weißen Haus ein erstes Statement gibt. Die Themen sind so vielfältig und komplex, dass selbst er, der besonders gerne die großen Zusammenhänge erklärt, sich ab und an in den Details verheddern muss. Er wirkt müde, aber geduldig. Interessiert, aber auch irritiert.

Und er wirkt etwas zu überschwenglich, als er den Inflation Reduction Act mit den Worten lobt: "Das ist hochwillkommen!" Habeck schätzt die Biden-Regierung für die amerikanische Version des europäischen Green New Deal.

Aber der Aufbruch Amerikas in ein grünes Zeitalter wirft Schatten auf die transatlantische Freundschaft, die in diesen Tagen aber alternativlos scheint.

Ein grünes Monsterprojekt

Warum das so ist, ist schnell erklärt: Der IRA ist ein Gesetz, das die Biden-Administration so nennt, um seine größte Schwäche zu verdecken. Die Demokraten müssen die hohe Inflation in den Griff bekommen, um die Chance auf die nächste Präsidentschaft zu wahren.

Zwar soll das Paket langfristig wirklich die Preise in den USA absenken und stabilisieren. Vor allem aber ist der IRA ein gigantisches, historisch teures und zudem extrem unbürokratisches Investitions- und Subventionsprogramm, das den Wirtschaftsstandort Amerika in ein grünes Zeitalter mit Wasserstoffwirtschaft, Elektroautos, Wind- und Solarkraft katapultieren soll. "Build back better" war dafür der ursprüngliche Name.

Aus Europa klatschte es zuerst begeistert Beifall. Man freute sich, dass Joe Biden als Anti-Trump dieses Gesetz gegen den Willen vieler Republikaner irgendwie durch den Kongress bugsierte. Endlich machen sich auch die USA auf den grünen Weg, den das Pariser Klimaabkommen vorgegeben hat.

Erst allmählich und nach Warnrufen aus der deutschen Wirtschaft dämmerte manchem: Das ist "America First" unter Joe Biden mit grünem Anstrich. Denn der Inflation Reduction Act der Amerikaner könnte mit seinen vielen Steuererleichterungen den Wettbewerb verzerren und Unternehmen aus der EU abwandern lassen. In einer Zeit, in der Europa mehr denn je von den USA abhängig ist. Damit bedroht ausgerechnet ein grünes Projekt aus den USA den Erfolg der Energiewende in Deutschland.

Klinken putzen im Weißen Haus

Um das zu verhindern, baggern Habeck, sein Ministerium und die Europäische Union seit Monaten in Washington. Sie stellen die gemeinsamen Herausforderungen in den Vordergrund: Russland, China und das Klima. Um diese zu meistern, dürften sich die Partner nicht gegenseitig ein Bein stellen. Es ist ein Hoffen auf Einsicht der USA und ein Werben um Rohstoffpartnerschaften, von denen noch keiner so genau weiß, wie sie wirklich aussehen sollen.