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Hermes' "Social Responsibility": Götterbote im Sturzflug

Die vielen schlechten Bewertungen, die man im Netz über den Paketdienstleister Hermes finden kann, hat er sich immerhin hart verdient. Ein Erfahrungsbericht. Und Mutmaßungen, was der Paketdienstleister mit der DDR zu tun haben könnte.

Einfach weg, verschwunden und in Luft aufgelöst - die bittere Realisierung eines Totalverlustes, den man durch fahrlässige Spekulationsgeschäfte erfahren kann, kenne ich seit der Beauftragung von Hermes, einem "Paketdienstleister". Mit den Anführungszeichen möchte ich es hier übrigens halten wie Axel Springer mit der "DDR" - weil "demokratisch" eine Lüge war.

Vier Monate lang habe ich mich bemüht, ein guter Kunde des "Paketdienstleisters" zu sein. Das heißt, ich habe dem Unternehmen geglaubt, was es mit einer Auslieferung innerhalb Europas verspricht: "Haftung bis 500 Euro/Paket", "Sendungsverfolgung", "1 bis 3 Zustellversuche". Dabei befiel mich schon während der Übergabe des Pakets im "Hermes Paketshop" ein mulmiges Gefühl. Nicht, dass ich ahnte, dass es bald verschwinden sollte. Mir war unwohl, nachdem mir Ercan im Paketshop erklärt hatte, nicht mehr als 50 Cent für seinen Beitrag zur "Dienstleistung" zu bekommen.

Prekariat im Paketshop: Ein halber Euro Lohn für ein Paket

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Michael Otto - er hat immerhin ein schönes Hemd an.

(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Ercan ist im Hauptberuf Schneider, der in seiner kleinen Schneiderei eine große Ecke für Pakete bereit hält. Wenn ich bedenke, dass er der einzige bleiben sollte, der mich und mein Paket ernst genommen und wirklich einen Dienst geleistet hat, ist ein halber Euro Lohn blanker Hohn! Multimilliardär und Hermes-Miteigentümer Michael Otto ist entweder scheinheilig oder er übersieht etwas, wenn er öffentlich über "Social Responsibility" spricht.

In meinem Fall mag sich von Anfang an erschwerend ausgewirkt haben, dass bereits der Anlass für die "Paketdienstleistung" untragbar war: Ich wollte ein Oberhemd loswerden, das mir - ich sage nur "Slimfit" - nicht passte. Es war einer jener Konsumartikel, die ich irgendwann irgendwo gekauft hatte oder die mir geschenkt wurden, und die zuhause rumliegen, -hängen oder -stehen statt bedient, angezogen oder angeguckt zu werden. Soll man für den Krempel ein Geschäft oder einen Internetshop aufmachen - um sich womöglich mit dem Finanzamt über Nebeneinnahmen zu streiten? Sicherlich nicht.

Großes Drama im XS-Paket

Zufälligerweise suchte aber ein Bekannter in Frankreich genau danach: ein schickes Hemd aus feinem Stoff, eng anliegend, gestreift, dunkelblau. Dass mein Modell der Marke "Mazzarelli" aus Italien kam, störte nicht und dass es "cucita a mano", also handgenäht war, steigerte den Wert. Da ich es nie getragen hatte, war es neuwertig. Der Hersteller verlangt für ähnliche Modelle zwischen 170 und 290 Euro. Wir einigten uns auf 150 Euro plus den Versand. Mit Hermes - dem selbsternannten Götterboten!

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Von kurzen Wegen träumt der gestresste Paket-Aufgeber nachts nun schon.

(Foto: IMAGO/Michael Gstettenbauer)

Da Frankreich in der Preis- und "Service"-Übersicht von Hermes nicht wie Belgien oder Italien in die "Europa Zone I" fällt, sondern in "Zone II", sind Sendungen in unser größtes Nachbarland etwas teurer. Ungeachtet seines Hungerlohns nahm sich der Schneider Zeit für die Beratung, was ich darauf zurückführe, dass ich ihn als Stammkunde mit der Reparatur von Hosentaschen beauftrage oder ihn bitte (Sie ahnen es!), Hemden umzuarbeiten. Hätte mein schickes Hemd nur genügend Stoff für meine Körpermaße hergegeben - die Geschichte wäre hier zu Ende. Stattdessen ging das Drama jetzt erst richtig los, als Ercan das Hemd in ein Paket der Größe "XS" verpackte: für stattliche 12, 25 Euro.

Die neue Servicewüste

Generell frage ich mich, was mit dem Kundenservice in Deutschland los ist. Vor ziemlich genau dreißig Jahren kam der Begriff "Servicewüste" auf, um zu beklagen, was die Redaktion des "Duden" als "das völlige Fehlen akzeptabler Dienstleistungen" beschreibt. Beschwerten wir uns damals über unfreundliche und inkompetente Verkaufsgespräche in Geschäften, erreiche ich in der heutigen Welt mit immer weniger Geschäften selten überhaupt jemanden - sofern man eine echte Person sprechen möchte und nicht 30 Minuten übrig hat, um schlechte Musik anzuhören oder Marketingblabla à la "Wussten Sie schon?" und Warteschlangenarithmetik wie "Sie sind als Siebzehnter dran".

Wird die Kundschaft immer schlechter behandelt, weil man sie für immer doofer hält? Weil immer mehr gespart wird? Oder weil das zum Einsatz kommt, was für "künstliche Intelligenz" gehalten wird - die nichts versteht und alles verdreht? Ich weiß es nicht.

Manisch-depressive Kundenkommunikation

Was ich weiß: Der Moment der Kontaktaufnahme ist eine Riesenchance für jedes Unternehmen. Schließlich können wir dicke Freunde werden, wenn mir geholfen wird. Wenn ich mich mit schlechten Erfahrungen, Problemen und aus einer Not heraus melde. Zum Beispiel, wenn die "Sendungsverfolgung" von Hermes über mehrere Wochen angibt, mein Paket befinde sich im Verteilerzentrum in Mönchengladbach - statt nach dem dritten freundlichen Versuch an der richtigen Türschwelle in Frankreich übergeben worden zu sein. Mon Dieu!

Meine erste telefonische Kontaktaufnahme mit dem Team des Götterboten kostete mich eine Stunde. Ich brauchte mehrere Anläufe, bis ich herausfand, wie man die - Sorry, KI! - grenzdebile Telefonstimme namens "Bo, Ihr Service Bot" überlistet: Man muss mehrmals und möglichst laut "Mitarbeiter" in die Leitung rufen. Dann folgt der irre Satz "Unser Team zu Fragen rund um Ihre Sendung hilft Ihnen gerne weiter" - und nach einer gefühlten Ewigkeit antwortete eine menschliche Stimme. Sie erklärte mir, dass sich die Nummer meiner Sendung - möglicherweise aus purer Langeweile in Mönchengladbach - auf einmal geändert hatte.

Kurz darauf bekam ich zwei Mails. Die eine depressiv: "Es tut uns leid, dass wir Ihre Sendung nicht finden können. Wir sind uns bewusst, wie enttäuschend das für Sie ist." Die andere manisch: "Wir bedauern sehr, dass Ihre Sendung nicht angekommen ist. Das geht natürlich nicht. Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um diese wiederzufinden."

Mehr als 17.000 unzufriedene Kunden und Kundinnen!

Gegen eine vollständig ausgefüllte Verlustmeldung wurde mir immerhin versprochen: "Unser Hermes Team wird Ihren Vorgang so schnell wie möglich bearbeiten." Gesagt, getan. Nachdem Hermes meine Meldung mitsamt Bildern und meiner Rechnung für den Käufer erhalten hatte, erhielt ich die Nachricht, die Bearbeitung könne "eine gewisse Zeit" dauern: "Seien Sie versichert: Wir kümmern uns." Von diesem Zeitpunkt an vergingen knapp drei Monate, in denen ich noch mehrmals aufgefordert wurde, den Verlust zu melden. Sonst passierte nichts.

Aus Verzweiflung begann ich, per Mail und Telefon um Auskunft zu bitten. Um die unerhörten Wartezeiten nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, googelte ich "Hermes" und "Kritik" - und stieß immer wieder auf dasselbe: Besprechungen mit einen Stern. Alleine bei Trustpilot sind es unvorstellbare 17.000! Bei allem, was man an Social Media kritisieren kann, ist das eine unglaublich große und, ich denke, relevante Zahl. Hier nur einige Überschriften der vergangenen Wochen:

- "Paket wurde nicht zugestellt, Verlust nicht bearbeitet"

- "1 Stern ist definitiv zu viel"

- "Achtung! Hier kommt Ware weg und 0 Erstattung"

- "Keine Hilfe bei Verlust oder Beschädigung"

- "Unterirdisch, kundenfeindlich, unprofessionell"

- "Zweifelhaftes Unternehmen"

- "Nie mehr Hermes"

Selbstzufriedenes Hermes Management

Wäre ich Eigentümer von Hermes wüsste ich nicht, was mich mehr alarmieren würde: die unzähligen Beschwerden im Netz oder die Selbstzufriedenheit des Managements, das sinngemäß auf myhermes.com erklärt, was noch einmal Erinnerungen an die "DDR" weckte: Niemand habe die Absicht, schlechte Dienstleistungen zu bieten. Die Proteste seien nicht gerechtfertigt.

Nachdem ich schließlich eine Beschwerde an die Geschäftsführung in Hamburg gerichtet hatte, antwortete mir eine menschliche Sophie unter dem Betreff "Uns fehlen noch Details": Ich solle einen Kontoauszug vorlegen, um den Wert des Hemdes zu belegen. "Wir kümmern uns, sobald alle Unterlagen vollständig vorliegen. Versprochen."

Höllischer Bullshit vom Götterboten

Ich sollte mich also erst einmal für meinen Anspruch auf Erstattung für meinen Verlust qualifizieren. Es war offenbar das Kleingedruckte für die Versicherung "bis 500 Euro". Weder wurde meine Rechnung dieses Privatverkaufs anerkannt - die der Käufer in Frankreich natürlich nicht bezahlt hatte, weil Hermes nichts geliefert hatte. Noch reichten meine Fotos und der Verweis auf die Neupreise des Herstellers. Hermes forderte "weitere Belege oder Schriftverkehr mit dem Empfänger, aus denen sich ergibt, wie der Verkauf des Hemdes initiiert wurde". Auf diese Weise werden Hürden errichtet, die Privatkunden gar nicht erfüllen können. Damit erweist sich die "Versicherung" von Hermes Paketen als Bullshit.

Stattdessen bekam ich nach einer "sorgfältigen Prüfung" die sagenhafte Information vom Götterboten: "Wir erstatten Ihren Verlust nach dem Gewicht." Die Begründung war dermaßen großspurig, dass ich darüber wenigstens lachen konnte: "Die gesetzliche Haftung ist auf einen Wert von 8,33 Rechnungseinheiten/ Kilogramm Sendungsgewicht begrenzt. Die genannte Rechnungseinheit ist das Sonderziehungsrecht (SZR) des Internationalen Währungsfonds (IWF)."

"Wir gehen zu Ihren Gunsten von einem Gewicht von 5 kg aus" - für ein Hemd! Wenigstens hat der Götterbote damit seinen höllischen Bullshit verschriftlicht. Am Ende bekam ich 66, 44 Euro. Und den Hinweis: "Beim nächsten Mal machen wir es besser. Versprochen." Ob ich für ein schweres Kettenhemd mehr bekommen hätte? Ich habe Sophie die Frage gemailt, aber noch keine Antwort bekommen. Nur die Standardnachricht: "Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um Ihr Anliegen so schnell wie möglich zu beantworten."

Schon gut!