Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Hilfen fließen zu langsam: Ukraine droht, den Krieg finanziell zu verlieren

Hilfen fließen zu langsam Ukraine droht, den Krieg finanziell zu verlieren

imago0163704639h.jpg

Die Weltbank schätzt die unmittelbaren Kriegsschäden in der Ukraine auf mehr als 90 Milliarden Dollar. Die Verluste für die Wirtschaft des Landes betragen noch einmal ein Vielfaches davon.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Auf dem Schlachtfeld sieht es gut aus für die Ukraine. Finanziell nicht. Die Wirtschaft liegt darnieder, die Steuereinnahmen sind eingebrochen, die Devisenreserven gehen zur Neige, versprochene Finanzhilfen fließen nur spärlich. Die Zentralbank muss Geld drucken, um Löcher zu stopfen.

Militärisch ist die Ukraine in den vergangenen Monaten in die Offensive gegangen. Doch während die Armee auf den Schlachtfeldern im Osten und Süden des Landes siegesgewiss vorrückt, droht das Land den Krieg wirtschaftlich zu verlieren. Die Infrastruktur in großen Teilen des Landes ist stark beschädigt, Millionen Ukrainer sind geflohen, die Wirtschaftsaktivität ist eingebrochen und mit ihr die Steuereinnahmen. Gleichzeitig sind die Staatsausgaben durch den Krieg gestiegen. Nur noch 40 Prozent ihres Haushalts kann die Regierung in Kiew durch ihre Steuereinnahmen decken.

Angesichts der weit hinter den Versprechungen zurückbleibenden internationalen Hilfen ist die ukrainische Notenbank (NBU) dazu übergegangen, einen Großteil des Staatshaushaltes direkt zu finanzieren, indem sie praktisch neue Hrywnja druckt. Das kann jedoch nur kurzfristig finanzieren. Zum einen dürfte die bereits auf 23 Prozent gestiegene Inflation weiter anziehen – im schlimmsten Fall bis zu einer Hyperinflation von 1000 Prozent oder mehr. Zum anderen brauchen der Staat und die Wirtschaft auch dringend Devisen, um wichtige Importe von Waffen bis zu Energie und Grundnahrungsmitteln zu bezahlen. Doch die Devisenreserven der Zentralbank schmelzen dahin. Schon in wenigen Monaten könnte von den mehr als 30 Milliarden Dollar schweren Reserven der NBU nichts mehr übrig sein.

Zu Beginn des Krieges versuchte die Regierung noch, ihre Staatsschulden weiter zu bedienen, um am Finanzmarkt weiter Geld aufnehmen zu können. Mit der Ausgabe von Kriegsanleihen nahm sie im Frühjahr mehrere Hundert Millionen Dollar ein. Im Sommer setzte die Ukraine – im Einvernehmen mit internationalen Investoren – aus Mangel an Devisen ihren Schuldendienst jedoch für zwei Jahre aus. Damit fällt zwar zunächst eine finanzielle Belastung weg, jedoch ist das Land nun vom Kapitalmarkt abgeschnitten.

Zur Finanzierung des laufenden Haushalts kommen die notwendigen Reparaturen an der beschädigten Infrastruktur. Auf mehr als 90 Milliarden Dollar schätzt ein Bericht der Weltbank die Kriegsschäden. Der Wiederaufbau, betonen ukrainische Regierungsvertreter, dürfe auf keinen Fall erst nach dem Krieg beginnen, wie es derzeit etwa im Rahmen der Idee eines "Marshall-Plans" für die Ukraine international diskutiert wird. Ein erheblicher Teil der Schäden etwa an der Gas- und Stromversorgung und den Gesundheitseinrichtungen müsse "noch vor dem Winter repariert werden, damit die Menschen überleben können", sagte Ministerpräsident Denis Shmyhal dem Finanzdienst Bloomberg und fügte hinzu: "Ich meine das wörtlich."

"Der Krieg ist noch nicht gewonnen"

Die Hoffnung, dass die westlichen Alliierten mit ausreichenden Finanzspritzen die Ukraine vor dem finanziellen Zusammenbruch bewahren, scheint bislang alles andere als gesichert. Zwar haben Geldgeber insgesamt Hilfen von rund 30 Milliarden Dollar allein für das laufende Jahr versprochen, geflossen ist davon allerdings bislang nur etwas mehr als die Hälfte. Vor allem die EU bleibt bislang weit hinter ihren Ankündigungen von mehr als neun Milliarden Euro zurück. Ein Großteil der bislang ausgezahlten Hilfen sind zudem Kredite, die die Ukraine nach dem Krieg mit einem für ein stark geschwächtes Land wohl kaum zu tragenden Schuldenberg belasten werden.

Vielversprechender erscheinen dagegen derzeit Hilfsprogramme des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, mit denen die ukrainische Regierung derzeit verhandelt. Der IWF will Kiew zunächst einen 1,3 Milliarden schweren Notfallkredit gewähren. Die Gespräche über weitergehende Hilfen von bis zu 20 Milliarden Euro gestalten sich jedoch schwierig. Die Ukraine kann die üblichen Bedingungen für ein solches Hilfsprogramm nicht erfüllen. Der Nachrichtenagentur Reuters berichtete der zuständige ukrainische Unterhändler von "hitzigen Debatten" mit den Vertretern des Fonds.

Die ukrainische Ökonomin Maria Repko warnt, dass bei den internationalen Gesprächen über die Finanzhilfen das Verständnis für die Dringlichkeit fehle. "Der Krieg ist noch nicht gewonnen", schreibt sie in einem Beitrag für "Foreign Policy". "Und die Ukraine braucht die Unterstützung jetzt".