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Hoffnung in der Hölle

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

der Anblick beim Anflug auf Juba ist ansprechend: grüne Büsche und mäandernde Flüsse in roter Erde, dazwischen Hütten und Feldwege. Nach der Landung sieht es schon anders aus: Bewaffnete Soldaten flankieren das Rollfeld, in der chaotischen Ankunftshalle ist man froh, wenn man seinen Koffer wiederfindet. Über die einzige vollasphaltierte Straße geht es in die Innenstadt, vorbei an einer Kirche und der Präsidentenvilla. Auf diesem Weg kann man ins Kinderkrankenhaus gelangen, wo entkräftete Mädchen und Jungen um ihr Leben kämpfen. Malaria, Cholera, Lepra, Gelbfieber, Tollwut, Hepatitis, Parasiten, Typhus, Masern, Polio, Aids: Hier grassieren sämtliche Menschheitsplagen – vor allem die größte unter ihnen, der Hunger. Ausgemergelte Kinder mit stumpfen Augen röcheln auf Bastmatten in der schwülen Hitze. Die Kraft, um die Fliegen aus ihren Gesichtern zu verscheuchen, haben sie nicht mehr. All das kann man in der Hauptstadt des Südsudans sehen.

Man kann den Südsudan als Hölle auf Erden erleben. Man kann aber auch bewundernd vor den Leuten von den Hilfsorganisationen stehen, die keine Mühen scheuen, um den Menschen im Südsudan zu helfen. Die ihnen Medikamente, Kindernahrung und ein bisschen Hoffnung bringen. Man kann sogar ein Lächeln von den Lausbuben in Wau oder Tharkueng erhaschen, wenn sie Faxen machen und man ihnen die mitgebrachten Bonbons zusteckt. Man kann darüber nachdenken, warum die internationale Gemeinschaft die Menschen in diesem bitterarmen, kriegsgeschundenen Land vergessen hat, und man kann die feisten Ganoven verfluchen, die sich "Präsident" und "Vizepräsident" nennen, aber nichts anderes im Sinn haben, als sich schamlos zu bereichern, während ihr Volk dahinsiecht. All das kann man im Südsudan erleben.

Und dann kann man voller Hochachtung auf einen Mann schauen, den man ansonsten eher kritisch beäugt. Einen Mann, den Millionen Gläubige als ihr Oberhaupt verehren, auch hier im christlichen Südsudan. Wenn dieser Mann sich trotz seines fortgeschrittenen Alters und seiner Gebrechen aus seinem luxuriösen Amtssitz im Vatikan auf die beschwerliche Reise nach Zentralafrika begibt, um den Ärmsten der Armen erst in der Demokratischen Republik Kongo und dann im Südsudan Trost zu spenden, um den Mächtigen ins Gewissen zu reden und um die Europäer zu ermahnen, Afrika nicht länger auszubeuten, ja, dann kann uns das Respekt abnötigen. Deshalb ist Papst Franziskus an diesem Freitag die wichtigste Person, noch vor den Politikern, die sich auf dem EU-Ukraine-Gipfel versammeln, vor dem Kanzler, der in Berlin einen schwierigen Gast empfängt, und vor den jungen Leuten, die heute wieder mal für Klimaschutz demonstrieren.

Im Kongo trifft sich Franziskus heute Morgen mit Bischöfen, und wenn er dann zum Flughafen in Kinshasa rollt, werden wohl wie schon gestern Tausende seinen Weg säumen. Am frühen Nachmittag landet er in Juba, er wird beim Anflug sehen, was Sie nun schon wissen, er wird dem Ganoven, pardon Präsidenten Salva Kiir seine Aufwartung machen und sich dann mit Vertretern der sehr kleinen Zivilgesellschaft des Südsudans treffen.

"Lasst euch nicht von Einzelpersonen oder Gruppen manipulieren, die versuchen, euch zu benutzen, um euer Land in der Spirale von Gewalt und Instabilität zu halten, um es weiterhin ohne Rücksicht auf irgendjemanden zu kontrollieren", hat der Papst gestern 65.000 Gläubigen im Fußballstadion von Kinshasa zugerufen. "Seid ihr diejenigen, die die Gesellschaft verwandeln, die Böses in Gutes verwandeln, Hass in Liebe, Krieg in Frieden. Wollt ihr das sein? Wenn ihr es wollt, ist es möglich." Zugleich verurteilte der 86-Jährige den "wirtschaftlichen Kolonialismus" in Afrika, und es war jedem klar, dass er damit die rohstoffhungrigen Europäer, Chinesen, Russen und Amerikaner meinte. "Hören Sie auf, Afrika zu ersticken: Es ist kein Bergwerk, das man ausbeutet oder ein Gebiet, das man ausplündert!"

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber so klare Worte habe ich von den Anführern der wohlhabenden Länder lange nicht gehört. Hoffentlich fühlen sie sich angesprochen. Und hoffentlich begreifen mehr von uns allen, die wir hier in Saus und Braus leben, dass wir die moralische Pflicht haben, unsere Mitmenschen in Ländern wie dem Südsudan zu unterstützen, statt ihr Elend zu ignorieren.