Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Hymne auf Münchens Super-Kader: Tuchel richtet gebückten FC Bayern wieder auf

Thomas Tuchel hat nicht gezögert, als die Anfrage des FC Bayern kam. Der Trainer sieht in München die Voraussetzungen, mit einem Topkader um jeden Titel spielen zu können. Die Bosse erklären nochmal, warum sie Tuchel verpflichtet haben und warum es so schnell ging.

Zwischen Trauer und Stolz liegen beim FC Bayern an diesem Samstagmittag kaum fünf Minuten. In zwei Teilen treten die Münchner Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić vor die Medien. Es war auch an der Zeit, sich zu erklären. Wegen Julian Nagelsmann. Wegen Thomas Tuchel. Der eine war völlig überraschend entlassen, der andere völlig überraschend unter Vertrag genommen worden. Und wenn denn stimmt, was Sportvorstand Salihamidžić auf dem Pressepodium in der Allianz Arena berichtet, dann lief der erste Kontakt am Dienstag so: "Ich habe Thomas angerufen, er sagte: Was willst du? Ich habe gesagt: Wenn du keinen Bock hast, dann leg‘ auf!" Das tat Tuchel nicht und so nahmen die Dinge seinen Lauf. Drei Tage später war er offiziell Trainer.

Und vier Tage später, also an diesem Samstag, zum ersten offiziellen Termin erschienen. Immer noch beseelt vom Freitagabend an der Säbener Straße, wo er einen Vertrag über zwei Jahre und gut drei Monate unterschrieb. Als Ehre und Auszeichnung empfand er den Moment, ebenso wie jenen, als er spürte, dass der FC Bayern tatsächlich Interesse an ihm habe.

Tuchel ist zurück auf der großen Bühne, bei einem großen Verein, mit den größten Zielen. Und er bemühte sich gar nicht erst, den Gigantismus seiner Aufgabe zu verzwergen. "Es geht ums Gewinnen, es geht auch um die Art des Gewinnens. Der Kader ist so zusammengestellt. Es ist einer der talentiertesten und besten Kader in Europa. Man kann mit diesem Kader um jeden Titel spielen", sagt Tuchel.

Erst Pathos und Schmerz, dann Glück

Es waren Worte, die dem gebückten FC Bayern sichtbar guttaten. Präziser: den gebückten Bossen. Im ersten Teil der Medienrunde hatten sie mit reichlich Pathos und Schmerz davon berichtet, wie schwer ihnen die Trennung von Nagelsmann gefallen sei. Sie begründeten das abermals mit den sportlichen Erfolgen. Sie sagten aber auch, dass die Konstellation zwischen Mannschaft und Trainer nicht mehr gepasst habe. Was ohne große Zutat von Fantasie eine unausgesprochene Bestätigung dafür ist, dass Nagelsmann den Rückhalt der Kabine verloren hat. Über die Gründe dafür war in den vergangenen Wochen intensiv spekuliert worden. Weitere Details gab es nicht, aber womöglich war der 35-Jährige einfach noch zu unerfahren, ein solch selbstbewusstes Ensemble zu führen.

Diese Sorge muss bei Tuchel niemand haben. Bei Borussia Dortmund arbeitete er bereits mit Stars zusammen, bei Paris St. Germain mit Diven und beim FC Chelsea mit einem wilden Mix aus beidem. Das Rüstzeug für den Umgang mit einem hochbezahlten Kader hat Tuchel. Ob er aber auch der Typ ist, das spezielle Aufgebot des Rekordmeisters zu händeln? Zuletzt reüssierten in München vor allem Trainer, die Menschenfänger waren. Hansi Flick etwa oder auch Jupp Heynckes. Über Tuchel hatte man sich das bisher nicht unbedingt erzählt, ehe Italiens Torwart-Ikone Gianluigi Buffon vergangene Woche von eben jenen Menschenfängerqualitäten Tuchels referierte.

Spannende Alphatier-Konstruktion

Sei's drum. Mit dem 49-Jährige bekommt der FC Bayern einen Mann, der fachlich über jeden Zweifel erhaben, aber eben auch ein meinungsstarkes Alphatier ist. Wie sich diese Gemengelage mit Kahn und Salihamidžić, der einst einen offenen Machtkampf mit Flick austrug, findet, gehört zu den spannendsten Facetten dieses Trainer-Hammers in München.

Von Kampfansagen ist Tuchel bei seinem ersten Auftritt weit entfernt, er ist aufgeräumt, ambitioniert und in Plauderlaune. Das Interesse des Rekordmeisters sei für ihn "total überraschend" gekommen, in das erste Gespräch sei er "sehr naiv" gegangen. "Ich wusste nicht, was wir besprechen und worum es geht", gesteht Tuchel. Bald sei ihm bewusst geworden, dass er im Klassiker am kommenden Samstag gegen den BVB debütieren könnte. "Es ist DAS Spiel im deutschen Fußball" und habe "eine ganz neue Brisanz bekommen".

Eigentlich sei er "davon ausgegangen, dass ich meine Karriere im Ausland fortsetze", ergänzt Tuchel, an dem Tottenham Hotspur und Real Madrid dran gewesen sein sollen. "Ich musste erst mal drüber schlafen und nachdenken." Die "Größe der Aufgabe" habe aber die Zweifel überwogen. Wie er sie angehen will? Erstmal zurückhaltend. Die Spieler wolle er "nicht totreden", nicht alle seien schließlich "happy" über die Neuerung: "Am schnellsten fasst man Vertrauen, wenn man gemeinsam auf den Platz geht." Das ist erstmals am Montag der Fall.

Tuchel setzt auf Feedback der Spieler

Das Große und Ganze will er in dieser brisanten Saisonphase mit dem Spitzenspiel gegen den BVB, mit Pokal-Duell gegen den SC Freiburg und den Champions-League-Kracher gegen Manchester City aber nicht infrage stellen. "Ich glaube nicht, dass große Änderungen nötig sind. In Details ja, das muss es auf jeden Fall geben. Aber ich denke, weniger ist mehr", sagt Tuchel. "Ich habe eine Idee davon, was man machen kann. Da gehört aber auch Feedback von Spieler-Seite und meinem Team dazu. Dafür war jetzt aber noch gar keine Zeit."

Bei Kahn, der während einen Ausführungen über Nagelsmann noch sehr bewegt wirkte, löste sich plötzlich jede Anspannung als er über Tuchel spricht. Ebenso bei Salihamidžić, der einen Satz sagt, in den man sehr viel hineininterpretieren kann, aber besser nicht sollte. "Wir brauchen jetzt so einen Topmann." Flankiert wird der von seinen bewährten Co-Trainern Arno Michels und Zsolt Löw zusammenarbeiten. Und womöglich noch von Anthony Barry. "Wir hoffen, dass wir ihn noch dazubekommen", verrät Tuchel über seinen ehemaligen Chelsea-Mitarbeiter, der noch immer bei den Londonern unter Vertrag steht. Der kürzlich auf Wunsch von Nagelsmann verpflichtete Torwarttrainer Michael Rechner wird derweil weiter zum Stab gehören. "Er macht weiter, er ist ein absoluter Topmann und bleibt bei uns", sagte Salihamidžić. Rechner hatte die Nachfolge von Toni Tapalovic angetreten. Den verletzten Kapitän und Nationaltorhüter Manuel Neuer hatte die von Nagelsmann betriebene Trennung von seinem Intimus Tapalovic massiv verärgert.

Und dann machte er noch einmal deutlich, was Phase ist: "Die DNA des Klub ist eine Verpflichtung. Es kann keine Missverständnisse geben." Die Situation, die Nagelsmann mit der Mannschaft geschaffen hat, "ermöglicht es uns, alle drei Titel zu gewinnen". Es helfe aber nicht viel, darüber nachzudenken. Natürlich gebe es ein Risiko des Scheiterns. "Wir kennen die Mannschaft nicht, auch mein Team war jetzt lange nicht super in der Materie. Aber das macht auch meine Leidenschaft aus. Meine Freude auf den Wettbewerb auf allerhöchstem Niveau ist größer als meine Sorgen." Salihamidžić und Kahn hören das und freuten sich. Sie waren stolz, nicht mehr traurig.