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„Ich bin nicht Kaiser Wilhelm“: Scholz zieht Kurs-Vergleich zum Ersten Weltkrieg

Von: Magdalena von Zumbusch

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim G7 Jugendgipfel in Berlin auf einem Stuhl
Kanzler Scholz über seinen Willen, Deutschland aus einem Krieg herauszuhalten: Ich bin nicht Kaiser Wilhelm.“ © Political-Moments/Imago

Scholz möchte Deutschland aus dem Ukraine-Krieg weitgehend heraushalten. Das betonte er mehrmals: In einer Sitzung wohl sogar mit einem Vergleich zum Ersten Weltkrieg.

München - Bundeskanzler Olaf Scholz fährt einen vorsichtigen Kurs im Umgang mit dem Ukraine-Krieg. Waffenlieferungen – vor allem der Bereitstellung schwerer Waffen an die Ukraine – stand der Kanzler zu Beginn des Krieges skeptisch gegenüber. Doch dann kam im April Bewegung in die Sache.

Dennoch bleibt er hinter den Wünschen der Ukraine zurück, der ukrainische Botschafter Melnyk etwa kritisierte den Kanzler wiederholt für seinen Kurs – jüngst etwa bezeichnete er ihn als Bremser.

Ende April begründete der Kanzler seine Vorsicht wohl gar mit einem Vergleich zum Ersten Weltkrieg. Er werde nicht der Kanzler sein, der Deutschland versehentlich in den Krieg rutschen lasse, habe Scholz in einer Sitzung des Koalitionsausschusses gesagt: „Ich bin nicht Kaiser Wilhelm“, so seine Äußerung laut dem Spiegel. Das Zitat wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Koalitionskreisen bestätigt.

Kaiser Wilhelm II. wird von einigen Historikern ein großer Teil der Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs zugeschrieben, letztlich herrscht über die Rolle Kaiser Wilhelms II. aber Uneinigkeit. Für eine kriegstreibende Rolle sprechen unter anderem einige Reden des Kaisers, wie etwa ein Aufruf an das deutsche Volk vom 6. August 1914. Deren Originalaufzeichnung liegt zwar nicht vor, doch Wilhelm II. habe einige Monate vor Kriegsende eine Nachaufzeichnung vorgenommen, die der SWR 2 veröffentlicht hat. Von ähnlicher Kriegstreiberei ist der Kanzler Scholz sicherlich noch weit entfernt, wie Ausschnitte der Rede zeigen:

„Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, dass wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten. [...] Es muss denn das Schwert nun entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande.

Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Ross. [...] Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war.“

Auch der australische Historiker Christopher Clark sieht im Ukraine-Krieg und im Hinblick auf Deutschlands Gefahr, in den Krieg verwickelt zu werden, keine Parallelen zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. „Ich sehe da keine starke Analogie, ganz im Gegenteil“, sagte Clark der Deutschen Presse-Agentur.

Vor dem Angriff Russlands Ende Februar 2022 habe es allerdings Parallelen gegeben. „Das Katz-und-Maus-Spiel um die Mobilisierung der Truppen hat mich stark an den Winter von 1911/12 erinnert, als es entlang der Grenze zwischen Österreich-Ungarn und dem Russischen Reich immer wieder zu Mobilisierungen und Gegenmobilisierungen kam“, sagte Clark über die Phase kurz vor Eskalieren des Ukraine-Konflikts durch den russischen Angriff. Allerdings gebe es entscheidende Unterschiede - etwa, dass Europa damals binär in zwei große Bündnisse gespalten war. Im Ukraine-Krieg hingegen sei Russland seiner Ansicht nach „ziemlich isoliert“.

Andere sehen dabei wichtige Partner an Russlands Seite stehen, auch wenn das in der Öffentlichkeit nicht an die große Glocke gehängt wird. Die Großmacht China insbesondere hat mit Russland immer wieder Solidarität bekundet: Der chinesische Außenminister sprach sogar von einer „felsenfesten Freundschaft“. Clark hatte im Jahr 2012 eine berühmte Studie „Die Schlafwandler“ veröffentlich, in der er beschreibt, wie die europäischen Großmächte 1914 in den Ersten Weltkrieg schlitterten. (mvz mit dpa)

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