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Immobilien: Vonovia stoppt Neubauten: „Lage ist mehr als besorgniserregend“

Mit Vonovia legt Deutschlands größter Wohnungsbaukonzern sämtliche Neubauprojekte auf Eis. Wie steht es um die Branche? Und was ist mit dem ambitionierten Neubauziel der Bundesregierung?

Der größte deutsche Wohnungsbaukonzern wird dieses Jahr keine neuen Wohnungen mehr bauen: Mit dieser Ankündigung sorgte Vonovia-Vorstand Daniel Riedl am Dienstag via Interview mit der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ für Aufsehen – und sandte Schockwellen durch Bauwirtschaft und Politik.

Allein 1500 Wohnungen sind in Berlin vom Vonovia-Baustopp betroffen. Als Ursache führt Riedl massiv gestiegene Bau- und Kreditkosten an, deretwegen sich der Neubau von Wohnungen nicht mehr rentieren würde. Dafür wären Mieten von an die 20 Euro pro Quadratmeter nötig – eine Angebotshöhe, die für die allermeisten Städte Deutschlands „völlig unrealistisch“ sei.

Mit der Entscheidung für den Neubaustopp ist Vonovia allerdings nicht allein. Auch die deutsche Nummer zwei, die Düsseldorfer LEG mit 166.000 Wohnungen, hat bereits im November angekündigt, keine Neubauprojekte mehr anzustoßen und die Investitionen bis 2025 sukzessive auslaufen zu lassen. Dann sollen noch maximal 35 Mio. Euro investiert werden – 2022 waren es noch 268 Mio. Euro. Die LEG nennt ebenfalls die steigenden Baukosten und Zinsen als Grund. Neubau habe allerdings ohnehin nie zum Kerngeschäft gezählt, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Außerdem suche die Hauptkundengruppe der LEG „bezahlbaren Wohnraum“, den man in der aktuellen Situation mit Neubauten nicht mehr schaffen könne. „Die Spreizung zwischen unserer Durchschnittsmiete von 6,30 Euro und einer Neubaumiete von 18 bis 20 Euro ist besonders groß“, heißt es von der LEG.

Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bestätigt gegenüber Capital, dass viele Bauträger in Sorge seien, zu solchen Konditionen überhaupt noch Mieter zu finden. Gleichzeitig steige der Druck auf die Mieten, je weniger gebaut werde. Zuletzt betrug der Anstieg von 2021 auf 2022 etwa sechs Prozent. Auch Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sagte zu Capital: „Jede nicht gebaute Wohnung erhöht den Druck auf den Mietmarkt. Von der Entwicklung zeigt er sich jedoch wenig überrascht. „Sie war vorhersehbar und zeigt deutlich, wie es auf dem Wohnungsmarkt aussieht: mehr als besorgniserregend.“

Die hohen Kosten decken? „Völlig unrealistisch“

Wer sich in der Branche umhört, der bekommt ähnliche Aussagen zu hören – auch wenn kaum ein Marktteilnehmer so drastische Schritte unternimmt wie Vonovia. Der Wohnungsbaukonzern Vivawest aus Nordrhein-Westfalen etwa bietet bisher rund 120.00 Wohnungen an und will auch weiter neu bauen. Allerdings werde man die Zahl der Neubauten reduzieren. Die geplanten Projekte könnten „nicht mehr im ursprünglich geplanten Umfang“ umgesetzt werden, heißt es auf Anfrage. Das konkrete Ausmaß könne man aber nicht benennen.

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Allein 2022 ist Bauen laut dem Statistischen Bundesamt um 16 Prozent teurer geworden. Und neue Zahlen zeigen, dass die Preise für Baumaterialien vergangenes Jahr teilweise noch einmal stark angezogen haben. Einige Stahlprodukte kosteten bis zu 40 Prozent mehr als 2021, Flachglas sogar bis zu 50 Prozent mehr. Andere Produkte wie etwa Bauholz verharren auf einem sehr hohen Preisniveau. Gerade für kleinere Bauträger, die erst in den letzten Jahren in den Markt gekommen sind, sei das schwierig, erklärt Ökonom Voigtländer vom IW. Er rechnet deshalb gerade dort mit Insolvenzen.

Neben den gestiegenen Baukosten sind wegen der höheren Zinsen auch die Finanzierungen für Bauträger teurer geworden, sie müssen mit gut doppelt so hohen Zinsen rechnen wie noch vor einem Jahr.

Immobilienentwickler: „Wir fahren auf Sicht“

Der deutsch-niederländischer Projektierer BPD, der über etwa 20.000 Wohneinheiten in Deutschland verfügt, sieht sich bei der Finanzierung besser aufgestellt als andere. „Durch unsere Zugehörigkeit zur Rabobank haben wir unsere Projekte durchfinanziert“, sagt Deutschland-Geschäftsführer Alexander Heinzmann. „Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir noch keinen Projektstillstand zu verzeichnen, aber wir schauen die anstehenden Projektplanungen genau an.“ So würden zum Beispiel kleinere Bauabschnitte gebildet oder Wohnungsgrößen angepasst, um schneller ins Bauen zu kommen und „auf Sicht fahren“ zu können. Preisanpassungen oder Projektverzögerungen schließt Heinzmann nicht aus.

Die LEG will in diesem Jahr zumindest noch circa 500 neue Wohneinheiten anbieten, bei Vonovia sollen die laufenden Projekte fertiggestellt werden, auch die Entwicklungsarbeit soll weitergehen. „Wir streben bei unseren Projekten an, dass wir Baugenehmigungen einholen und letztlich startbereit sind, wenn die Rahmenbedingungen wieder passen“, erklärt Unternehmenssprecherin Silke Hoock. Ob das so einfach sein wird, bezweifelt Ökonom Voigtländer allerdings. „Wenn Baugesellschaften ihre Aktivitäten und Kapazitäten jetzt herunterfahren, kann es auch zu Entlassungen kommen. Ist die Lage dann irgendwann wieder besser, wird alles länger dauern“, prognostiziert er.

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Für die Bundesregierung ist die Vonovia-Entscheidung eine weitere Hiobsbotschaft in Sachen Neubau. Schon länger ist klar, dass sie ihr erklärtes Neubauziel für dieses Jahr klar verfehlen wird. Statt der geplanten 400.000 Wohnungen werden dieses Jahr voraussichtlich nur etwa 250.000 neu gebaut werden, 2024 dürften es noch weniger sein – auch wenn das „eine Rechnung mit vielen Unbekannten“ sei, wie SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz am Wochenende im „Spiegel“ erklärte. Sie räumte aber auch ein, dass die Kapazitäten schon vor dem Ukrainekrieg nur für den Bau von 300.00 Wohnungen ausgereicht hätten. Jetzt sei es noch schwieriger, diese auszuweiten. 

Für Kanzler Olaf Scholz und seine SPD war der Bau von jährlich 400.000 Wohnungen ein zentrales Wahlkampfversprechen. Dessen Einlösung bezeichnete Vonovia-Chef Rolf Buch aber bereits im Sommer 2022 gegenüber Capital als „ambitioniert“. Das liege nicht nur an den steigenden Kosten – auch „die ganzen alten Probleme wie fehlende Baugenehmigungen und lange Wartezeiten“ seien ein wichtiger Faktor. Zehn Jahre würde es dauern, bis Wohnungen auf einem neu gekauften Baugrundstück bezugsfertig seien. Konzerne und Verbände fordern hier schon lange schnellere Prozesse ein. Dazu gibt es Kritik daran, dass die Umweltanforderungen immer weiter stiegen, Förderungen für energieeffizientes Sanieren aber gestrichen würden. Man habe „instabile Rahmenbedingungen“, vor denen man „nicht die Augen verschließen“ könne, heißt es von Vonovia-Sprecherin Hoock.

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