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In Putins Gedankenwelt: Auch ein Diktator kann die Realität nicht verbiegen

In Putins Gedankenwelt Auch ein Diktator kann die Realität nicht verbiegen

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Die Annexion der besetzten Gebiete ließ der Kreml in Moskau feiern.

(Foto: REUTERS)

Mit der Annexion von vier ukrainischen Oblasten will Putin Erfolge vorgaukeln, Angst verbreiten und Tatsachen schaffen. Letzteres gelingt nur, wenn der Rest der Welt mitspielt. Danach sieht es nicht aus. Putin lebt in einer Parallelwelt.

So hat man das früher gemacht als König, Kaiser oder Zar, wenn einem das Schicksal seiner Untertanen egal war, und das war es früher meist. Man hat einen Anspruch auf ein Land fabriziert, das Land überfallen und es, nach einem Sieg, annektiert. So war das damals, immer wieder, bis Europa einen so grausigen Krieg erlebte, dass es reichte.

Einem reicht es nicht. Putin hat einen Anspruch auf die Ukraine fabriziert, er will das Land, die Ukrainer und ihre Sprache auslöschen, wie Imperialisten das in der Zeit des Imperialismus getan haben. Nur in einem weicht er vom Drehbuch ab: Er hat das Land, das er von der Landkarte tilgen möchte, nicht erobert.

Möglicherweise glaubt Putin, dass es die Realität verändert, wenn er Regionen im Osten und Süden der Ukraine annektiert. Aber das tut es nicht. Wenn die Ukraine die dort stehende russische Armee angreift, dann greift sie nicht russisches Territorium an. Sie befreit ihr eigenes Land.

Propaganda nach innen und außen

Drei Ziele dürfte Putin mit den völkerrechtlich illegalen Annexionen verfolgen. Propaganda nach innen, Propaganda nach außen und die Vorwegnahme eines Friedensschlusses:

  • Dem russischen Publikum will Putin einen Erfolg vorgaukeln, den es für Russland militärisch in dieser "Spezialoperation" schon seit einiger Zeit nicht mehr gibt.
  • Dem Westen und der Ukraine will Putin Angst machen. Aus russischer Sicht greift die Ukraine künftig nicht russisch besetztes Gebiet an, sondern russisches Territorium. Nach russischer Lesart könnte damit der Einsatz von Nuklearwaffen gerechtfertigt sein. Das Problem mit dieser russischen Sicht ist nur: Putin macht ohnehin, was er will. Er braucht keine Gründe für sein Handeln, es gibt ja niemanden, vor dem er sich rechtfertigen muss - ihm reicht eine hochgradig fadenscheinige Inszenierung. Die Zeiten, in denen Putin sich beim Lügen Mühe gab, sind lange vorbei.
  • Und schließlich will Putin signalisieren, dass er dieses Territorium in Friedensverhandlungen nicht preisgeben wird. Für die Ukraine bedeutet dieses Signal: nichts. Nichts spricht dafür, dass Putin sich mit diesen vier Oblasten zufriedengeben würde, dass er sein Ziel, die Ukraine zu erobern oder zu vernichten, aufgegeben hätte.

Putin lebt in einer Parallelwelt

Nach einem häufig zitierten Bericht der "New York Times" vom März 2014 sagte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zum damaligen US-Präsidenten Barack Obama, dass sie sich nach einem Gespräch mit Putin nicht sicher sei, ob der noch einen Bezug zur Realität habe. Putin lebe "in einer anderen Welt", sagte sie. Merkels Analyse war, wie so häufig, auf den Punkt, wenn ihre Politik dem auch nicht gerecht wurde.

Putin versucht mit seinem Gerede von heute, mit den absurden Scheinreferenden, mit dem Unterzeichnen von Dokumenten und Abstimmungen in seinem Parlament den Anschein zu erwecken, als gehe alles mit rechten, geordneten Dingen zu. Mag sein, dass die Mehrheit der Russinnen und Russen ihm das abkauft. Sie können nichts dafür: Sie leben in einem Land, in dem Wahrheit und Fakten keine Bedeutung haben. Sie leben in einer Parallelwelt - Putins Parallelwelt.

Die Realität verändern kann Putin jedoch allenfalls in den Köpfen seiner Untertanen. Es heißt häufig, international sei nicht Russland, sondern der Westen isoliert. Aber die ebenfalls illegale Annexion der Krim haben nur Staaten wie Nordkorea, Afghanistan oder Belarus anerkannt. Ähnlich wird es jetzt sein. Anders als in früheren Jahrhunderten gibt es heute einen weitreichenden Konsens, dass die Grenzen von Staaten nicht mit Gewalt und Terror verschoben werden. Was heute in Moskau passiert ist, hat nicht mehr Gewicht als die geifernde Hetze der Propagandashows im russischen Staatsfernsehen: Gefährlich ist es, mit der Realität hat es aber nichts zu tun.