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Jonny Clayton gewinnt den Bär: Darts-"Frettchen" verspeist die drei Alphatiere

10.000 Pfund Preisgeld für die Portokasse, 5 Punkte für die Tabelle, einen Berliner Bär für den Trophäenschrank: Der Waliser Jonny Clayton triumphiert beim Gastspiel der Premier League Darts in Berlin und besiegt dabei die drei besten Spieler der Welt.

Der Vorletzte der Tabelle gewinnt nacheinander gegen die drei besten Spieler der Welt. Die Premier League Darts macht das kuriose Kunststück möglich, genauer gesagt Jonny Clayton. Der Waliser, Spitzname "Frettchen", schnappt sich am Donnerstagabend den Tagessieg beim neunten Spieltag der Eliteliga des Pfeilesports in Berlin. Die fast 10.000 Darts-Verrückten in der Mercedes-Benz-Arena haben die Überraschung förmlich herbei geschrien. Clayton, auf sämtlichen Darts-Bühnen dieser Welt, ein Publikumsliebling, hat schon früh am Abend in seinem Auftaktspiel gegen Michael van Gerwen den Großteil der Zuschauer auf seiner Seite.

Ausgerechnet gegen den niederländischen Superstar beendet Clayton seine Durststrecke nach vier Wochen ohne einen einzigen Sieg. Mit 6:5 schickt der Waliser den klaren Tabellenführer frühzeitig ins Hotel. Im Halbfinale schafft Clayton dann die nächste dicke Überraschung: Gegen Landsmann Gerwyn Price, der die letzten zwei Spieltage gewonnen hatte, setzt sich Clayton mit 6:4 durch. Und zum krönenden Abschluss muss im Finale auch noch der amtierende Weltmeister Michael Smith dran glauben.

Clayton-Sieg aus dem Nichts

Die drei Darts-Alphatiere van Gerwen, Price und Smith an einem Abend innerhalb von drei Stunden zu besiegen, das haben noch nicht viele Spieler geschafft.

Der Erfolg von Clayton ist auch deshalb beeindruckend, weil es ein Sieg gegen jeden Trend ist, den man in der Darts-Welt in den vergangenen Wochen hat ausmachen können: Michael Smith, der neue Weltmeister, hat ein paar Probleme, ohne aber in eine echte Krise zu rutschen. Michael van Gerwen, der Premier-League-Titelverteidiger und absolute Superstar der Szene, spielt derzeit teils überragend, selbst dann, wenn er verliert. Gerwyn Price, der mit Abstand formstärkste Spieler, der zwei Tagessiege in Folge holt und am vergangenen Wochenende auch das European-Tour-Event in Leverkusen gewinnt. Sie alle haben sich leistungsmäßig vom Rest abgesetzt, vor allem Spieler wie den zweifachen Weltmeister Peter Wright distanziert. Aber auch den Premier-League-Sieger von 2021, Jonny Clayton, haben die drei Weltklasse-Akteure zuletzt mehrfach alt aussehen lassen.

An diesem Donnerstagabend ist es Clayton, der aus dem Nichts zurückschlägt und am neunten Spieltag zum ersten Mal eines der wöchentlichen Mini-Turniere gewinnt, sich somit in der Tabelle vom vorletzten auf den fünften Platz verbessert. "Ein tolles Gefühl. Ich will unbedingt unter die ersten Vier kommen und der erste Schritt auf dem Weg dahin ist jetzt gemacht", sagt ein erleichterter Clayton auf der Pressekonferenz kurz nach Mitternacht. "Ich habe heute Abend die drei derzeit besten Spieler der Welt besiegt. Gerwyn Price hat mich die letzten Wochen zerstört. Deshalb hat es mich besonders gefreut, auch ihn mal wieder zu schlagen."

Ergebnisse

Viertelfinale:

Dimitri Van den Bergh 3-6 Michael Smith

Nathan Aspinall 6-4 Chris Dobey

Jonny Clayton 6-5 Michael van Gerwen

Peter Wright 3-6 Gerwyn Price

Halbfinale:

Michael Smith 6-4 Nathan Aspinall

Jonny Clayton 6-4 Gerwyn Price

Finale:

Michael Smith 4-6 Jonny Clayton

10.000 Pfund Preisgeld für den Tagessieg, 5 Punkte für die Tabelle, und ein Berliner Bär als Trophäe. Für den 48-Jährigen hätte der Abend definitiv schlechter laufen können. "Fantastisch, der Bär bekommt einen besonderen Plätz in meinem Trophäenschrank. Das ist der bunteste Pokal, den ich je bekommen habe."

Im Eifer der Emotionen lobt Clayton das Publikum in der Arena am Ostbahnhof für die Unterstützung nahezu überschwänglich. "Die deutschen Fans sind die Besten. Sie verfolgen jeden Dart. Sie buhen niemals andere Spieler aus." Zumindest der letzte Satz dürfte bei einigen von Claytons Spielerkollegen Verwunderung auslösen, hatte es doch gerade erst am Wochenende zuvor noch Diskussionen über die deutschen Fans in Leverkusen gegeben. Deutschlands Darts-Überraschung Ricardo Pietreczko appelierte sogar noch auf der Bühne an die Zuschauer, fairer mit allen Akteuren umzugehen.

Sei's drum, Claytons Erinnerungen an Leverkusen scheinen an diesem Donnerstagabend in Berlin sehr verblasst gewesen zu sein. Anders wäre eine derartige Leistungssteigerung innerhalb weniger Tage auch kaum zu erklären zu gewesen. Im Rheinland hatte das "Frettchen" am Samstag noch eine seiner schlechtesten Partien in den vergangenen Jahren abgeliefert, fünf Tage später spielt Clayton in Berlin plötzlich wie ausgewechselt.

van Gerwen? "Aktuell bei 90 bis 95 Prozent"

Bis zu den Playoffs - für das Finalturnier in London Ende Mai qualifizieren sich die vier punktbesten Spieler nach 16 Spieltagen - ist es für Clayton & Co. noch ein weiter Weg, die Tabelle hat nach 9 von 16 Spieltagen aber gewiss schon eine Aussagekraft. Michael van Gerwen thront mit drei Tagessiegen und zwei weiteren Finalteilnahmen an der Spitze. "Aktuell bin ich bei 90 bis 95 Prozent meines Topniveaus, ich kann schon noch ein bisschen besser spielen, in manchen Spielen verpasse ich momentan zu viele Doppel. Aber das wird schon, bis zu den Playoffs sind es ja noch ein paar Wochen", sagt Michael van Gerwen im Interview mit ntv.de.

Auch für Gerwyn Price sollte es mit den Playoffs klappen. Der "Iceman" hat ebenfalls bereits drei Premier-League-Abende gewonnen. "Gezzy hat eine richtig gute Form, aber er lebt auch häufig von den Chancen, die ihm seine Gegner geben. Er dominiert Spiele nicht so häufig, aber reagiert extrem gut auf Fehler der anderen. Das ist natürlich auch eine große Stärke", äußert sich van Gerwen über seinen Konkurrenten.

Tabelle nach 9 Spieltagen

1. Michael van Gerwen (25 Punkte)

2. Gerwyn Price (20)

3. Michael Smith (15)

4. Nathan Aspinall (15)

5. Jonny Clayton (12)

6. Chris Dobey (10)

7. Dimitri Van den Bergh (9)

8. Peter Wright (2)

Zittern muss dagegen Stand jetzt Weltmeister Michael Smith, der mit der Finalteilnahme in Berlin aber zumindest an Nathan Aspinall vorbei auf Platz drei zieht und nur um einen Millimeter am Neun-Darter scheitert, nachdem er im Verlauf der Hinrunde der Premier League spürbar mit der Belastung und kleineren Verletzungen zu kämpfen hatte. "Ich hatte Schmerzen in beiden Händen, in meinem Fuß, wusste nicht, was es war. Vielleicht hängt es mit dem Reisestress zusammen. Ich habe jetzt aber angefangen, gesünder zu leben, trinke keine Softdrinks mehr, sondern nur noch Wasser. Wirkt so, als würde ich meinen Körper ausspülen, das tut gut", offenbart Smith gegenüber ntv.de.

Nächste Woche soll es für den Engländer dann aber auch endlich mit dem ersten Tagessieg nach sieben titellosen Premier-League-Wochen klappen. Die Chancen stehen gut, wenn die Formkurve weiter nach oben steigt. Zumal Smith im ersten Spiel von Birmingham auf den abgeschlagenen Tabellenletzten Peter Wright trifft, der punktetechnisch, aber derzeit oft auch leistungsmäßig, außer Konkurrenz spielt.

Peter Wright in der Krise

An acht der neun Spieltage ist der zweifache Weltmeister in der ersten Runde ausgeschieden, nur ein Spiel hat Wright gewinnen können. "Die Premier League hat viele Spieler ruiniert, mich wird sie aber nicht ruinieren", gibt sich Wright am Abend seiner nächsten Niederlage, diesmal gegen Price, kämpferisch. "Ich bin gerade dabei, mir einen neuen Wurfstil anzutrainieren. Ich stelle meinen Fuß nicht mehr quer zum Oche, sondern stehe zentral davor. Es ist für mich so, als würde ich das Dartspiel neu erlernen. Aber ich bin sicher, dass sich das in der Zukunft auszahlen wird, weil es Schulter und Rücken entlastet."

Die nächste Chance auf Besserung hat Wright schon an diesem Wochenende, wenn die Profidartorganisation PDC mitsamt fast all ihrer Spitzenspieler in Riesa gastiert. Das dritte Turnier auf der European Tour steht an, der Reisestress nimmt nicht ab.

Klagen will aber keiner so recht. Auch Wright nicht, trotz Niederlagen am laufenden Band. Vor allem aber nicht Jonny Clayton, der die Reise nach Sachsen mit Selbstvertrauen und Berliner Bär im Gepäck antreten wird. "Ich freue mich sehr auf die 2.000 Fans in Riesa, die werden genauso für super Stimmung sorgen. Wir können ja nicht jeden Tag vor 10.000 Leuten spielen."