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Justiz-Reform gestoppt - Netanjahu knickt vor Massen-Demos ein

Von: Eyal Warsavsky (Zzt. in Jerusalem) und Filipp Piatov

Netanjahu knickt ein – die Demonstranten triumphieren!

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (73) hat die umstrittene Justizreform vorerst auf Eis gelegt – das teilte der Regierungschef am Montagabend nach einer dramatischen Eskalation der Proteste mit. Seit dem frühen Morgen hatte Netanjahu mit den Koalitionspartnern seiner Rechtsaußen-Regierung verhandelt – und beugte sich schließlich dem Druck der Straße.

„Wir dürfen keinen Bürgerkrieg haben“, sagte Netanjahu in einer Ansprache an das israelische Volk. Israel sei „inmitten einer Krise“. Er kündigte an, einem „echten Dialog“ über die Reformpläne „eine echte Chance zu geben“. Die Regierung werde die Justiz-Reform nicht in der aktuellen Fassung zur Abstimmung bringen und in Gespräche mit der Opposition treten.

Monatelang demonstrierten hunderttausende Israelis gegen das Vorhaben der Netanjahu-Regierung, den Obersten Gerichtshof zu schwächen. Am Sonntag eskalierte der Justizstreit: Verteidigungsminister Joaw Galant (64), der wie Netanjahu der Likud-Partei angehört, warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft und Schwächung der Armee – und forderte Netanjahu auf, die Reform zu stoppen.

Noch in der Nacht gingen tausende Israelis auf die Straße, um gegen die Entlassung von Verteidigungsminister Gallant durch Ministerpräsident Netanjahu zu demonstrieren

Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Netanjahu schmiss seinen wichtigsten Minister umgehend aus der Regierung und löste eine neue Protestwelle aus. Israels Gewerkschaften riefen den Generalstreik aus, brachten das Land am Montag zum Stillstand. Jetzt ist klar: Netanjahus Regierung hat sich – zumindest vorerst – verzockt, muss die Reform auf Eis legen.

Seit Veröffentlichung der Reformpläne kam es in Israel zu den größten Protesten seit der Staatsgründung. Die Angst vieler Bürger: eine Regierung, deren Gesetze von einer unabhängigen Justiz nicht mehr gestoppt werden können. Sie sprechen einen Angriff auf die israelische Demokratie und unterstellen der Regierung, das Land religiöser und nationalistischer machen zu wollen.

Viele Israelis fürchten die Schwächung der Justiz durch Netanjahus Regierung

Foto: Ohad Zwigenberg/AP

Befürworter von Netanjahus Justiz-Reform kritisieren, dass der Oberste Gerichtshof zu viel Einfluss habe und werfen den Richtern politischen Aktivismus mit linker Schlagseite vor. So wie Aron Milman (37) aus Tel Aviv, der am Montagabend in Jerusalem FÜR die Reform protestierte.

▶︎ Zu BILD sagte der Israeli: „Wir fühlen, dass unsere gewählte Regierung nicht arbeiten kann, weil der Oberste Gerichtshof immer das letzte Wort hat – und eine Macht, die ihm nicht zusteht. Wir wollen hier heute zeigen, dass auch unser Wort gehört wird und dass die Regierung die Reformen durchsetzt, die uns seit vielen Jahren versprochen werden.“ Die Gegenseite werde „von den Medien manipuliert“, so Milman.

Am Montagnachmittag demonstrierten auch Befürworter der Reform in Jerusalem. Mitglieder der Regierung hatten dazu aufgerufen

Foto: AMMAR AWAD/REUTERS

▶︎ Einer der vielen Tausend Netanjahu-Kritiker ist Itay Mautner (49). Er demonstriert gegen die Justiz-Reform und fürchtet um Israels Zukunft als jüdischer und demokratischer Staat. „Ich liebe dieses Land, ich lebe mein ganzes Leben hier, ich bin sehr patriotisch. Es fühlt sich an, als würde ich das Land verlieren, das ich liebe und für das ich kämpfen würde“, so Mautner zu BILD. Die Demonstrationen bezeichnet er scherzhaft als „Gruppentherapie“. Denn: „Man weiß, dass man nicht alleine ist.“

Fest steht: Trotz Netanjahus Ankündigung, die Justiz-Reform zu verschieben, dürfte Israel nicht zur Ruhe kommen. Die Rechtsaußen-Regierung wird erneut versuchen, ihre Reform durch das Parlament zu bringen. Dabei ist fraglich, ob Regierung und Opposition zu weitreichenden Kompromissen bereit sind, um eine erneute Eskalation der Proteste zu vermeiden. Dem israelischen Kabinett gehören zurzeit auch rechtsextreme Politiker an, die ihren Wählern versprochen haben, die jüdische Demokratie grundlegend zu verändern.