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Kalter Entzug von russischem Gas: Putins Energie-Hammer trifft Deutschland am härtesten

Kalter Entzug von russischem Gas Putins Energie-Hammer trifft Deutschland am härtesten

Russlands Masterplan für den Energiekrieg mit Europa geht nicht auf: Statt dem wirtschaftlichen Armageddon kommt nur eine kleine Winterrezession. Grund zum Aufatmen gibt es aber nur bedingt: Auch in diesem Jahr wird Deutschland der Bremsklotz in Europa bleiben.

Die gute Nachricht zuerst: Der gefürchtete Weltuntergang fällt aus. Als Wladimir Putin im Sommer begann, Europa schrittweise den Gashahn zuzudrehen, überschlugen sich die düsteren Prognosen. Von Deindustrialisierung war die Rede, von großflächigen Blackouts, vom Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft. Das wird - sollte nichts Außergewöhnliches dazwischenkommen - in diesem Winter nicht passieren. Die schlechte Nachricht: Obwohl der ganz große Crash ausbleibt, sind die Flurschäden von Putins Energiekrieg unter den wirtschaftlichen Schwergewichten Europas in Deutschland am schlimmsten.

Im vierten Quartal hat die deutsche Wirtschaft überraschend in den Rückwärtsgang geschaltet. Von Oktober bis Dezember schrumpfte die Wirtschaftsleistung nach Zahlen des Statistischen Bundesamts um 0,2 Prozent zum Vorquartal. Im Rest Europas sieht es zwar auch nicht wirklich rosig aus. Aber in den anderen großen Volkswirtschaften lief es dennoch etwas besser.

In Italien ging es laut Statistikbehörde Eurostat nur 0,1 Prozent abwärts. Frankreich blieb unterm Strich ein kleines Plus von 0,1 Prozent. Spanien steckte Putins Energie-Schock mit einem Zuwachs von 0,2 Prozent ebenfalls besser weg als Deutschland. Das deutlich kleinere Irland wuchs zum Jahresende sogar 3,5 Prozent, in Litauen ging es mit minus 1,7 Prozent dagegen noch stärker abwärts. Und auch insgesamt schaffte die Wirtschaft der Eurozone immerhin noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent - während in Deutschland Flaute herrschte.

Hauptgrund für die Rezession ist die Kaufzurückhaltung der Verbraucher angesichts von Putins Energiekrieg. "Die hohen Inflationsraten haben die deutsche Wirtschaft in die Winterrezession getrieben", sagte der Konjunkturchef des Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Im aktuellen Quartal sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem weiteren Rückgang zu rechnen, der sogar noch etwas größer ausfallen dürfte als Ende 2022. "Damit wird die Wirtschaftsleistung wieder niedriger sein als noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2019".

Abschwung milder als erwartet

Dass es Deutschland härter erwischt hat als andere große Euro-Länder, liegt unter anderem an der massiven Abhängigkeit von russischem Öl und Gas bis zu Putins Angriff auf die Ukraine. So konnte Russland die Konjunktur hierzulande mit dem Drehen am Gashahn stärker drosseln als anderswo. Trotzdem wuchs die deutsche Wirtschaft 2022 immer noch um 1,8 Prozent. Die Horrorszenarien, die angesichts des Ukraine-Kriegs lange Zeit herrschten, haben sich nicht erfüllt. Auch wenn es in der Eurozone insgesamt mit einem Plus von 3,5 Prozent aufs Gesamtjahr gerechnet deutlich besser lief als in ihrer größten Volkswirtschaft.

Dass Deutschland überraschend gut durch diese Jahrhundertkrise gekommen ist, liegt vor allem an den bemerkenswerten Verhaltensänderungen seiner Einwohner: Unternehmen und Haushalte haben allen Widrigkeiten zum Trotz den kalten Entzug von russischer Energie geschafft und massiv Gas gespart. Mit rund 80 Prozent sind die Gasspeicher zurzeit etwa 20 Prozent mehr gefüllt als im Durchschnitt der letzten Jahre. Zudem sattelte Deutschland mit dem Bau neuer LNG-Terminals und neuen Lieferanten wie Norwegen und Katar schnell um. Hinzu kommt ein ungewöhnlich milder Winter.

Die Aussichten für das neue Jahr sind daher längst nicht mehr so trüb wie beim russischen Überfall auf Kiew im Februar. "Es handelt sich wirklich nur um eine technische Rezession - also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit schrumpfendem BIP - und nicht um einen bis vor Kurzem befürchteten Wachstumsrückschlag", meint etwa Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Stefan Schneider. Weil der Staat Privathaushalte und Unternehmen mit Milliardensummen bei den kräftig gestiegenen Energiekosten entlastet, erwarten manche Ökonomen sogar ein leichtes Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr.

Deutschland als Bremsklotz in Europa

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Entscheidend ist, was im nächsten Winter passiert. Die Risiken bleiben hoch: Werden nach den LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Lubmin auch die Flüssiggas-Importplattformen in Brunsbüttel und Stade rechtzeitig ans Netz gehen? Klar ist jetzt schon, dass die Gaspreise deutlich höher bleiben werden als früher, weil LNG deutlich teurer ist als russisches Pipeline-Gas. Das dämpft die Wachstumsaussichten.

Hinzu kommen die absehbaren Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hat 2022 den Leitzins in nur wenigen Monaten viermal in Folge auf 2,5 Prozent erhöht. Die Währungshüter haben angekündigt, 2023 im gleichen Tempo weitermachen zu wollen. Schon am Donnerstag wird es wohl soweit sein: Eine weitere Erhöhung um 0,5 Prozent gilt als sicher. Auch das dürfte die Konjunktur weiter abwürgen.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigt Deutschland für 2023 das schwächste Wachstumspotential unter den großen Euro-Volkswirtschaften. In der aktuellen Prognose sagt der IWF hierzulande nur ein mageres Plus von 0,1 Prozent fürs Gesamtjahr voraus. Damit wird Deutschland weit unter dem Durchschnitt in der Eurozone liegen (+0,7 Prozent) - und weit hinter allen anderen größeren EU-Staaten. Nicht nur Frankreich (+0,7 Prozent), sondern auch Italien (+0,6 Prozent) und Spanien (+1,1 Prozent) ziehen demnach in diesem Jahr noch fast genauso deutlich an Deutschland vorbei wie im letzten Jahr.