Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Karte zur Lage bei Cherson: Ukrainer rücken am Dnipro vor

AP22274614127499.jpg

Massiv unter Druck: Die russische Armee verliert in der Ukraine - wie hier bei Kupjansk - an Boden.

(Foto: AP)

Im Süden der Ukraine droht Putins Invasionsarmee das nächste militärische Debakel: Bei Cherson geraten die russischen Linien ins Wanken, die Ukrainer weiten die jüngsten Frontdurchbrüche aus. Details aus Kiew ermöglichen einen neuen Blick auf den Frontverlauf.

Das russische Militär ist an der Front bei Cherson im Südwesten der Ukraine massiv in Bedrängnis geraten: Ukrainische Einheiten rücken auf breiter Linie vor, die russischen Kräfte sehen sich zum Rückzug in Richtung der Stadt Cherson gezwungen.

Nach dem Fall von Isjum, Kupjansk und Lyman im Osten des Landes sehen sich die Truppen des Kreml nun auch am westlichen Dnipro-Ufer mit einer zunehmend schwierigeren Lage konfrontiert. In der Region Cherson kämpfen russische Verbände seit Wochen mit dem Rücken zum Dnipro. Die russischen Nachschubwege über den mächtigen Strom sind weitgehend gekappt. Die Chancen für rasche Verstärkung stehen schlecht.

"Die ukrainische Armee dringt ziemlich schnell und kraftvoll vor bei der gegenwärtigen Verteidigungsoperation im Süden unseres Landes", erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Ansprache am Abend des 4. Oktober. Abweichend von der bisher geübten Praxis der Geheimhaltung zählte er dabei eine ganze Reihe von Siedlungen auf, die kürzlich befreit worden seien, darunter strategisch bedeutsame Ortschaft wie Davydiv Brid am Fluss Inhulez, die beiden benachbarten Dörfer Mala und Welyka Olexandriwka sowie die Ortschaft Solota Balka am westlichen Dnipro-Ufer.

Damit ist offiziell bestätigt, was westliche Beobachter schon seit Tagen vermuten: Den Ukrainern ist es nach wochenlangen Vorbereitung offenbar gelungen, die russischen Frontlinien nun auch in der Region Cherson zu durchbrechen und die russischen Einheiten in die Flucht zu schlagen. Damit nimmt die Ende August groß angekündigte Cherson-Offensive der Ukrainer an Fahrt auf. Russland muss sich auf eine weitere Kesselschlacht einstellen.

Militärisch wirkt die Lage für die russischen Besatzungstruppen bei Cherson nahezu aussichtslos: Schon ein Blick auf die Karte zeigt, wie bedrohlich sich die Situation im Raum Cherson für Putins Soldaten entwickelt. Ihre Nachschub- und Rückzugswege über den Fluss Dnipro sind versperrt. Dabei drängen sich im Raum Cherson kampfstarke russische Einheiten, die zur Abwehr der ukrainischen Cherson-Offensive noch im August in die Region verlegt worden waren. Dank westlicher Militärtechnik können die Ukrainer die wenigen verbliebenen Fährverbindungen über den Dnipro gezielt unter Beschuss nehmen.

An der Frontlinie westlich, nördlich und nordöstlich von Cherson konnten die Russen den Vorstöße der Ukrainer bisher weitgehend standhalten. Übereinstimmenden Berichten zufolge waren die Gefechte der vergangenen Wochen für beide Seiten verlustreich. Ein ukrainischer Frontvorsprung am Inhulez-Fluss südlich von Davydiv Brid konnte zeitweise sogar wieder zurückgedrängt werden. Auch an der Fernstraße von Cherson nach Mykolajiw kam die Offensive kaum voran.

Die plötzlichen Geländegewinne der Ukrainer bei Davydiv Brid und am Dnipro-Ufer deuten jetzt allerdings auf einen größeren Zusammenbruch der russischen Verteidigung hin. Binnen weniger Tage konnten Dutzende Dörfer in der Region befreit werden. Die Frontlinie scheint plötzlich sehr beweglich. Tatsächlich begünstigen die Bedingungen vor Ort schnelle Bewegungen der Angreifer: Die Landschaft am westlichen Dnipro-Ufer ist weitgehend flach.

In der von Agrarflächen geprägten Region gibt es nur wenige natürliche Hindernisse und kaum größere Ortschaften, in denen sich die Russen festsetzen könnten. Dazu bekommen die ständigen Bedrohungen in der Flanke: Auf dem flachen Land können die motorisierten Einheiten der Ukrainer die russischen Stellungen schnell umgehen.

Um der Gefahr der Einkreisung zu entgehen, fallen die russischen Kräfte in Richtung der Stadt Cherson zurück. Möglicherweise versuchen die Russen, die ukrainischen Vorstöße am Unterlauf des Inhulez aufzuhalten. Der stark gewundene Flusslauf zieht sich wie eine natürliche Barriere von Norden kommend bis zur Mündung in den Dnipro quer durch das Kampfgebiet. Die Stadt Cherson selbst und der Flughafen in den westlichen Außenbezirken scheinen weiterhin fest in russischer Hand zu liegen.

Wie lange sich die russischen Besatzungstruppen in der Großstadt nahe der Dnipro-Mündung halten können, ist noch unklar. Eine Versorgung aus der Luft scheint schwierig. Aussicht auf umfangreichere Verstärkung besteht nicht: Der mächtige Dnipro-Strom lässt sich derzeit nur noch mit Ponton-Fähren überwinden. Damit hindert der Fluss die russischen Soldaten auch am weiteren Rückzug ins sichere Hinterland. Ein beträchtlicher Teil der russischen Invasionsarmee sitzt bei Cherson in der Falle.