Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

„Kaum kompromissbereit“ – der Kanzler lässt die Länder auflaufen

Immerhin. Einem hat diese Ministerpräsidenten-Konferenz (MPK) mit dem Bundeskanzler genutzt an diesem Dienstag. Stephan Weil (SPD), Niedersachsens Ministerpräsident, bekam als neuer Vorsitzender dieses Ländergremiums ein paar Fernsehminuten gleich rechts neben dem Bundeskanzler geschenkt. Fünf Tage vor einer absehbar knappen Landtagswahl, bei der es um die eigene Wiederwahl geht, ist das kein schlechter Deal.

Jenseits dieses kleinen persönlichen Vorteils aber kam die Runde an diesem Dienstag nicht so richtig voran mit dem Retten von Wirtschaft und Wohlstand, dem sich alle 17 Regierungschefs ja wortreich verschrieben haben in dieser historischen Krise. Das lag zum einen daran, dass der wichtigste Baustein der geplanten staatlichen Rettungstaten, der von der Ampel-Koalition in der vergangenen verkündete „Abwehrschirm“, zwar schon ein Preisschild hat – 200 Milliarden Euro – aber noch keine rechte Struktur. Niemand weiß bisher, wem mit diesem Geld unter welchen Umständen, in welcher Höhe unter die Arme gegriffen werden soll – und wem eben nicht. Der ersehnte Vorschlag einer Expertenkommission wird für das Wochenende erwartet.

Zum anderen aber, das wurde in der an die Sitzung der Regierungschefs anschließenden Pressekonferenz schnell deutlich, sind sich Bund und Länder schlicht und ergreifend noch uneinig über die genauen Modalitäten der Finanzierung ihrer Rettungstaten. Auch über das, was eigentlich alles noch nötig sein wird, um durch diese historische Wirtschaftskrise zu kommen. Ob es nach drei Entlastungspaketen und einem „Doppelwumms“, dem geplanten Abwehrschirm, womöglich noch weitere Maßnahmen zu finanzieren gilt. Die Länder hatten dem Bund eine ganze Liste von Notwendigkeiten und möglichen Mehrbelastungen auf den Tisch gelegt. Der Bundeskanzler mochte diesen im Einzelnen – zumindest noch – so gar keine Beachtung schenken mochte.

Olaf Scholz beschränkte sich in der auf die gut vierstündige Sitzung der Regierungschefs folgende Pressekonferenz lieber auf ein paar grobe Linien, zählte längst bekannte Fakten auf und rechnete vor, dass von rund 295 Milliarden Euro, die Bund und Länder insgesamt derzeit für Nothilfen einplanen, 240 bis 250 Milliarden aus der Bundeskasse finanziert würden. „Eine ordentliche Nummer“, wie Scholz betonte. Im Übrigen sei es seine „zuversichtliche Zusammenfassung des heutigen Gesprächs“, dass der Schulterschluss zwischen Bund und Länder schließlich doch gelinge.

„Nur ganz wenige Schritte vorangekommen“

Von dieser Einschätzung sind zumindest die unionsgeführten Länder weit entfernt an diesem Abend. Man sei, so fasste es deren Sprecher, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), zusammen, „nur ganz wenige Schritte vorangekommen und längst noch nicht am Ziel“. Die Bundesregierung habe „trotz der konstruktiven Einstellung der Länder kaum Kompromissbereitschaft in ganz wesentlichen Fragen erkennen lassen“. Ähnlich äußerten sich der Kieler Regierungschef Daniel Günther, der hessische Ministerpräsident Boris Rhein sowie Friedrich Merz. Der CDU-Parteichef sprach von einem „Abend der verpassten Chancen, der die Bürgerinnen und Bürger verunsichert zurücklässt“.

Auch diese, für das Format „Ministerpräsidentenkonferenz“ sehr drastischen Formulierungen haben womöglich ein wenig mit dem kommenden Wahlsonntag in Niedersachsen zu tun – SPD und Union könnten sich dort durchaus ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Aus der Luft gegriffen ist die Skepsis der Unionisten deshalb nicht.

Zwar sprach SPD-Regierungschef Weil in deutlichem Kontrast zu seinem Kollegen Wüst von einen „großen Schritt“, den man an diesem Dienstag vorangekommen sei. Aber auch Weil räumte ein, dass man weder bei der Finanzierung des Wohngeldes, die aus Länder Sicht künftig allein der Bund übernehmen soll, noch beim Thema Nahverkehrs-Ticket noch bei den Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge vorangekommen sei. Von möglichen weiteren Kosten für „Wirtschaftshilfen und Härtefallregelungen“, für Krankenhäuser und Pflegeheime, kommunale Energieversorger, Kulturveranstaltungen und Sport, über die die Länder auch gerne gesprochen hätten, mal ganz zu schweigen.

Es bleibt also vieles, fast alles im Vagen nach diesem Treffen im Kanzleramt. Die nächste, womöglich entscheidungsfähige Krisensitzung von Bund und Ländern, soll spätestens Anfang November stattfinden. Einen Vorteil gibt es: Landtagswahlen stehen dann nicht mehr an.