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Kein Glückwunsch: Dies ist hoffentlich Putins letzter Geburtstag als Präsident

Putin begleitet mich fast mein ganzes Leben. Bislang sah es nicht so aus, als würde sich daran auf absehbare Zeit etwas ändern. Mittlerweile jedoch scheint sein System zu zerfallen - nicht zuletzt durch seine eigenen Fehler.

Nur einmal habe ich Wladimir Putin im echten Leben gesehen, aus der Ferne bei einer Militärparade in meiner Heimatstadt Sewastopol. Er ist ja auch nicht der Präsident meines Landes und sollte nichts mit der Ukraine zu tun haben. Dennoch hat kaum jemand mein Leben so beeinflusst wie Putin. Er ist ganz direkt für zwei der schlechtesten Momente verantwortlich, die ich jemals erlebt habe.

Zum einen war das die Annexion der Krim, die selbst in meiner Umgebung von vielen gefeiert wurde, für mich aber eine Tragödie war. Seit vielen Jahren kann ich meine Eltern in Sewastopol wegen Putin nicht mehr besuchen. Zum anderen ist es der Beginn der großen Invasion Russlands in die Ukraine am 24. Februar - der Tag, an dem meine Welt zusammenbrach.

Als Putin 1999 von Boris Jelzin zu seinem Nachfolger ernannt wurde, war ich sechs Jahre alt. Und obwohl ich nie in Russland lebte, habe ich das Gefühl, dass der russische Präsident mich mein ganzes Leben begleitet - auch weil meine Eltern wie fast alle Menschen auf der Krim überwiegend russische Medien konsumierten. Ich erinnere mich daran, dass sie ihn sympathisch fanden, als er an die Macht kam, und wie sie während der Präsidentschaftswahl 2004 ironisch darüber scherzten, dass kein anderer Präsident werden könne - oder dürfe.

Zehn Jahre später, im März 2014, stand ich während seiner Rede zur Krim-Annexion im Studentencafé der Sewastopoler Filiale der Moskauer Lomonossow-Universität. Putin erlebte seinen größten Triumph, und andere Studenten feierten mit ihm. Ich dagegen fühlte mich wie ein großer Verlierer. Ich wusste, dass dies nicht gut enden würde. Dass sein Regime aber einen derartig sinnlosen Krieg anfangen wird, lag außerhalb meiner Vorstellungskraft.

Drei gravierende Fehler hat Putin gemacht

In all den Jahren danach habe ich mich nicht nur mit der ukrainischen, sondern auch mit der russischen Politik beschäftigt. Ich habe streng versucht, die Lage in Russland möglichst zurückhaltend zu betrachten und wegen einer halbwegs erfolgreichen Demonstration oder einer kleinen, begrenzten Krise im Kreml nicht zu optimistisch in Bezug auf demokratische Veränderungen im Nachbarland zu werden. "Das Ende von Putin" wurde schon oft angekündigt. Dabei war stets klar: Putins Regime steht fest auf zwei Beinen und kann noch viele, viele Jahre weiterexistieren.

Das hat sich verändert. Wenn Putin heute seinen 70. Geburtstag feiert, kann ich nicht mehr ernsthaft ausschließen, dass dies vielleicht sein letzter Geburtstag als russischer Präsident sein könnte. Ich wünsche ihm das von ganzem Herzen, es ist aber kein reines Wunschdenken mehr.

Das System, welches Putin sorgfältig aufbaute, wird von ihm persönlich gerade zerstört. In den letzten sieben Monaten hat er gleich drei gravierende Fehler gemacht. Er hat einen wahnsinnigen Krieg angefangen, den er nicht gewinnen kann. Von der derzeit zunehmenden öffentlichen Kritik an der Militärführung in Russland wird irgendwann auch Putin selbst nicht verschont bleiben. Die Mobilmachung brach seinen sogenannten "Sozialvertrag" mit der eigenen Bevölkerung. Er besagte, dass Putin seine geopolitischen Träume ausleben darf, wenn die Russen sich nicht selbst an ihrer Verwirklichung beteiligen müssen.

Fehler Nummer drei war die "Annexion" der vier ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Die Großmacht Russland weiß nun selbst nicht mehr, wo ihre Grenzen liegen - und faktisch werden sie von den ukrainischen Streitkräften definiert. Das wird Konsequenzen für die russische Staatlichkeit haben, die wir uns heute zum Teil noch gar nicht vorstellen können.

Putin kämpft für die Vergangenheit

Es gibt noch einen anderen Grund, warum Putin nicht gewinnen kann, abgesehen davon, dass der aktuelle Verlauf der Mobilmachung keinesfalls dafür spricht, dass sich die Lage an der ukrainischen Front groß verändern wird. Wer sich seine Annexionsrede vom letzten Freitag anhörte, weiß spätestens jetzt, was eigentlich schon seit geraumer Zeit klar sein sollte: Putin führt seinen Krieg nicht nur gegen die Ukraine und den Westen, er führt ihn für die Vergangenheit und gegen die Zukunft. Er will die sich rasend schnell verändernde Welt zurück in die 70er Jahre führen, vielleicht noch weiter zurück. Und er hat keine Ahnung von den Realitäten der Gegenwart, geschweige denn eine einzige Zukunftsidee.

Die Ukraine ist in diesem Krieg nicht zuletzt deswegen so erfolgreich, weil ihre Anführer in Politik und Armee im Schnitt viel jünger sind als der Kremlherrscher. Sie verstehen die heutige Welt in ihren unterschiedlichen Aspekten viel besser als er. Es ist unmöglich, die Zukunft zu besiegen. Aber natürlich kann Putin in seiner Agonie immer noch großen Schaden anrichten. Und so ist mein großer Wunsch an seinem 70. Geburtstag nicht nur, dass er in einem Jahr weg ist, sondern auch, dass möglichst viele Menschen hier in der Ukraine das Ende seines Regimes überleben.