Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Keine »Gespensterdiskussion«: Marineinspekteur schlägt Wehrpflicht nach dem Modell Norwegens vor

Vizeadmiral Jan Christian Kaack: »Kommt die Erhöhung des Verteidigungshaushalts nicht, dann war das Sondervermögen eine Palliativmaßnahme«

Vizeadmiral Jan Christian Kaack: »Kommt die Erhöhung des Verteidigungshaushalts nicht, dann war das Sondervermögen eine Palliativmaßnahme«

Foto: Christophe Gateau / dpa

Als »Gespensterdiskussion« bezeichnete FDP-Chef Christian Lindner die Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht und erteilte dem Vorhaben eine Absage. Aus Sicht des Marineinspekteurs Jan Christian Kaack ist dies allerdings keine »Gespensterdiskussion«: Er sei immer ein Anhänger der Wehrpflicht gewesen und in seiner über zweijährigen Tätigkeit in Norwegen darin bestärkt worden, sagte der Vizeadmiral der Deutschen Presse-Agentur.

»Ich glaube, dass eine Nation, die in diesen Zeiten auch resilienter werden muss, ein besseres Verständnis hat, wenn wir eine Durchmischung mit den Soldaten haben«, so Kaack. In Norwegen würden alle jungen Männer und Frauen gemustert. Das seien etwa 70.000 pro Jahr. Die Streitkräfte definierten dann, wie viele sie nehmen wollen. Das seien rund 15.000 pro Jahr.

»Während bei uns die Diskussion nur darüber geht, wie sollen wir denn 200.000 junge Menschen unterbringen. Das kann man auch anders regeln.« In Norwegen rede niemand über Wehrgerechtigkeit. Es sei weitgehend Konsens, dass diese jungen Menschen einmal in ihrem Leben etwas für den Staat tun könnten. Kaack war von 2019 bis 2021 Kommandeur des Zentrums für gemeinsame Kriegsführung der Nato (Joint Warfare Centre) in Stavanger (Norwegen), seit rund einem Jahr ist er Marineinspekteur.

Mit Blick auf die personellen Ressourcen der Bundeswehr sagte er: »Ich bin der festen Überzeugung, dass wir bei der zu erwartenden demografischen Entwicklung die Basis derer, die wir bewerben können, verbreitern müssen. Es ist nun mal Fakt, dass wir früher 70 Prozent unser Längerdiener aus der Wehrpflicht gezogen haben.«

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte die Aussetzung der Wehrpflicht durch die schwarz-gelbe Bundesregierung im Jahr 2011 zuvor als Fehler bezeichnet – und damit eine neuerliche Debatte zum Pflichtdienst an der Waffe ausgelöst. Er habe damit mitnichten die Wiedereinführung ins Gespräch gebracht, sagte Pistorius nun in der Feldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf. Er habe lediglich »im Kontext einer Dienstpflicht im Allgemeinen« über die Wahrnehmung der Bundeswehr in der heutigen Gesellschaft gesprochen. »Die Wehrpflicht würde uns in den nächsten zwei, drei Jahren überhaupt nicht helfen.«

Sondervermögen ohne Etaterhöhung »palliativ«

Die Bundeswehr kann ihre Aufgaben nach Worten von Kaack langfristig nur mit einer deutlichen Aufstockung des Verteidigungsetats bewältigen. Ein Großwaffensystem über das im vergangenen Jahr aufgelegte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zu kaufen, sei wichtig, aber es müsse auch betrieben werden. Dafür müsse der Einzelplan 14, wie der Verteidigungshaushalt auch bezeichnet wird, erhöht werden. »Kommt die Erhöhung des Verteidigungshaushalts nicht, dann war das Sondervermögen eine Palliativmaßnahme«, sagte Vizeadmiral Kaack.

Die Staaten des Verteidigungsbündnisses Nato haben sich in Friedenszeiten das Ziel gesetzt, ihre Verteidigungsausgaben auf etwa zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu steigern. »Das Sondervermögen allein wird es nicht richten«, so Kaack. Nur das Sondervermögen und eine Erhöhung des Etats ergäben ein Gesamtbild für das angestrebte Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Notwendig seien auch schnelle Entscheidungen für Forschungsgelder, damit zukünftige Waffensysteme entwickelt werden könnten.

Er gehe davon aus, dass der Posten des Verteidigungsetats, der zurzeit rund 50 Milliarden Euro pro Jahr vorsieht, erhöht werde. »Und wir machen unsere Projekte wasserdicht, damit sie sofort abholbereit sind, wenn Mittel fließen können«, so der Marineinspekteur. Von der ursprünglichen Liste des Sondervermögens seien einige Projekte bei der Marine auf die Warteliste gesetzt worden. »Das hätte ich mir anders vorstellen mögen.«