Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Kenia: Das Mysterium der Sekte, die Menschen köpft

Trotz wirtschaftlichem Aufschwung lebt ein großer Teil der Kenianer in bitterer Armut. Davon profitiert vor allem eine Terrorgruppe.

Traumstände am Indischen Ozean und Wildtiersafaris, dafür ist Kenia bei vielen europäischen Touristen bekannt. Außerdem ist es aus westlicher Perspektive eine afrikanische Demokratie, die zumindest halbwegs funktioniert. Die Korruption ist zwar hoch, immerhin jedoch gibt es in dem westafrikanischen Land freie Wahlen und eine funktionierende Verfassung.

Von Wohlstand ist das Land dennoch weit entfernt: Die Klimakrise führt zu Dürren, fehlende Getreideexporte durch den Ukraine-Krieg zu Hunger. Trotz Versprechungen und guter Beziehungen zu den USA und nach Europa leben viele Menschen in Kenia in bitterer Armut. Eine Folge: viel Gewalt auf den Straßen und in den Slums. Immer wieder herrscht große Angst, dass es zu einem Bürgerkrieg kommen könnte.

In diesem gesellschaftlichen Chaos ist in den vergangenen Jahrzehnten eine Mischung aus religiöser Sekte und radikaler Terrorgruppe entstanden: die Mungiki, die selbst für Einheimische ein Mysterium bleibt. Ihre Mitglieder sollen die Armenviertel kontrollieren und dabei höchst brutal vorgehen. Das grausame Markenzeichen der Mungki: Angeblich sollen sie ihren Gegnern auf offener Straße den Kopf abschlagen. Doch was steckt wirklich hinter dem brutalen Ruf der Sekte?

Mord, Folter, Erpressung

Wer diese Frage klären will, muss zurückblicken und landet dabei unweigerlich bei der britischen Kolonialzeit, unter deren Folgen Kenia noch immer leidet. Mehr als 40 verschiedene Volksgruppen leben in dem Land, die mehr als 50 verschiedene Sprachen und Dialekte sprechen. Sie alle sind gefangen in einem künstlichen Staatsgebilde, das von Stämmen dominiert wird, die um die politische Vorherrschaft kämpfen. Trotz wirtschaftlichen Fortschritts leben mehr als ein Drittel der Kenianer in extremer Armut, die Kluft zwischen den vielen armen und den wenigen reichen Menschen ist extrem groß.

Genau das ist der perfekte Nährboden für Gruppen wie die Mungiki.

Die Mungiki-Sekte entwickelte sich aus einer spirituellen und sozialen Bewegung der 1980er-Jahre, die vor allem junge Menschen in Kenia anzog und für Sicherheit, für den Kampf gegen Korruption und für Hilfen für die ärmere Bevölkerung auf dem Land stand. Durch die unterschiedlichen Erzählungen über die Mungiki lässt sich für Außenstehende nur schwer zwischen Fiktion und Realität unterscheiden.

Fest steht: Die Mungiki gehören zum Kikuyus-Stamm – der größten Volksgruppe in dem Land mit knapp 48 Millionen Einwohnern. Geistlich berufen sich die Mungiki auf die Traditionen und Werte der Kikuyu, das Christentum lehnen sie ab.

"Die Kikuyus-Führer verließen sich auf die Mungiki, um ihre Drecksarbeit zu erledigen und die Bevölkerung zu kontrollieren", schreibt die Kriegsreporterin Maria Ferreira nach einer Recherche über die Sekte für die spanische Zeitung "El Confidencial". "So ist die Sekte zu einer terroristischen und mörderischen Gruppe geworden, die viele Gebiete in Kenia kontrolliert."

Bis zu vier Millionen Mitglieder

Mungiki bedeutet "Vielzahl". Nach eigener Aussage hatte die Gruppierung nach der Jahrtausendwende bereits vier Millionen Mitglieder. Gemeinsam haben sie in den vergangenen Jahren viele der Ghettos und Slums unter ihre Kontrolle gebracht.

Überall hat die Sekte dabei für Angst und Terror gesorgt: Mord, Schutzgelderpressung, Folter – die Mungiki-Anhänger sind dafür berüchtigt, die Leichen ihrer Gegner zu zerstückeln und zu häuten. Das Kalkül: Wenn zehn Menschen auf so brutale Weise sterben, leben die restlichen Bewohner der Viertel in Angst.

Durch ihre bloße Mitgliedermasse gewannen die Mungiki auch an politischer Schlagkraft. Nach der Jahrtausendwende gerieten sie ins Fadenkreuz des kenianischen Staates und wurden als kriminelle Vereinigung bezeichnet. Daraufhin zog sich die Sekte in den Untergrund zurück und fing an, die Slums zu kontrollieren.

Nach Ungereimtheiten bei der Präsidentschaftswahl 2007 stand Kenia kurz vor einem Bürgerkrieg und es gab extreme Gewalt auf den Straßen – Schätzungen zufolge starben nach dieser Wahl über 1.500 Menschen. An der Front kämpften die Mungiki, die versuchten, das Machtvakuum für sich und den Kikuyus-Stamm zu nutzen.