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Kießlings kurioser Aberglaube: Tiefkühlpizza erfüllt Traum von der Torjägerkanone

Es gibt die abenteuerlichsten Geschichten zum Thema Fußballer und Aberglaube. Was Andreas Brehme, Berti Vogts oder Gerd Müller so alles angestellt haben, um sich gut zu fühlen, ist wahrhaft kurios. Und dann gibt es da noch die Story von Stefan Kießling, der Torjägerkanone und der Tiefkühlpizza.

Fußballer und Aberglaube, das ist schon so eine Sache. Weltmeister Andreas Brehme brauchte früher am Tag vor jedem Spiel den berühmten "mexikanischen Feuertopf" von seiner Frau Pilar, um sich gut zu fühlen. Stürmer Jürgen Wegmann, den sie damals nur "Kobra" nannten, nahm sogar seine Fußballtreter abends mit ins Bett: "Die Schuhe sind meine Freunde. Wenn ich sie nicht nah bei mir habe, verzeihen sie mir das nicht und ich mache ein schlechtes Spiel." Und bei Berti Vogts konnte man schon vor dem Anstoß sehen, wie es um seine Stimmung bestellt war. Jubelte er, dann hatte seine Borussia gerade die Platzwahl verloren: "Das ist immer ein gutes Zeichen. Denn wenn ich die Platzwahl verliere, gewinnt meine Mannschaft in der Regel." Irgendwie gaga - aber wenn es hilft?

Die Bücher der Fußballgeschichte sind jedenfalls prall gefüllt mit herrlich kuriosen Storys abergläubischer Profis. Eine verrückter als die andere. So hatte der damalige St. Pauli-Spieler Rüdiger Wenzel den Tick, immer kurz vor dem Spiel mit einem Kugelschreiber das Ergebnis auf den Ball zu schreiben: "Das mache ich immer - ist halt Aberglaube." Als er sich bei einem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern einmal vertan hatte - er notierte ein 2:0 - sagte er hinterher lächelnd: "Kein Wunder. Der Ball flog ja auf die Zuschauerränge und die Fans rückten ihn nicht mehr raus. Logisch, dass wir nur zu einem 1:1 kamen."

Großartig auch die Geschichte vom Dresdener Detlef Schößler. Der musste bei Abendspielen vormittags nie zum Training erscheinen. Seine Entschuldigung: "Ich bin unter Flutlicht einfach besser, wenn ich vormittags nicht trainiere." Und auch die Bremer Torwartlegende Dieter Burdenski war vom Aberglauben befallen: "Den Rasen habe ich vor jedem Spiel immer mit dem rechten Fuß betreten und auch wieder verlassen. Dazu gehörte auch immer vorm Spiel mit den Händen an die Torlatte - ein Ritual, um sicher und ausgeglichen zu sein. Der Aberglaube gehört bei mir aber auch zum täglichen Leben: donnerstags bin ich nie rausgegangen. Da konnten die schönsten Frauen an die Tür klopfen."

Kaugummi gehört in die gegnerische Hälfte

Aber selbstverständlich sind nicht nur die Bundesligaspieler abergläubisch. Auch internationale Starkicker wie Bobby Moore hatten so ihre Ticks. Seine Mitspieler machten sich einen Scherz daraus, die Marotte des englischen Weltmeisters von 1966 zu torpedieren. Moore hatte als Angewohnheit, stets als Letzter seine Hose anzuziehen. Um ihren Kollegen zu ärgern, warteten seine Kameraden gerne, bis Moore fertig war, um sich dann selbst noch einmal die Hose vom Leib zu reißen. Daraufhin zog auch Moore seine Hose wieder aus und wartete von neuem darauf, dass der Vorletzte sich komplett angekleidet hatte. Dieses Spielchen konnte gerne schon einmal bis direkt vorm Anpfiff der Partie andauern.

Und auch der große Johan Cruyff war ein Mann des Aberglaubens. So zwickte er seinen Torwart Gert Bals geradezu zwanghaft vor jedem Spiel in den Magen. Fast noch wichtiger war es für Cruyff allerdings, dass er sein Kaugummi in die gegnerische Hälfte spuckte. Einmal hatte er es vergessen: Es war im Jahr 1969. Als er mit Ajax im Europapokal-Finale dem AC Mailand mit 4:1 unterlag.

Ben Redelings

Ben Redelings ist ein leidenschaftlicher "Chronist des Fußballwahnsinns" und Anhänger des ruhmreichen VfL Bochum. Der Bestseller-Autor und Komödiant lebt im Ruhrgebiet und pflegt sein legendäres Anekdoten-Schatzkästchen. Für ntv.de schreibt er montags und samstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Weitere Informationen zu Ben Redelings, seinen aktuellen Terminen und seinem aktuellen Buch ("60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum") gibt es auf seiner Seite www.scudetto.de.

Interessanterweise sind es nicht selten die Stürmer, die in ihren Teams die größten Marotten haben. So hat die Legende Gary Lineker einmal gemeint: "Beim Warmmachen habe ich niemals aufs Tor geschossen, denn ich wollte keinen Treffer vergeuden. Ich wollte mir die Tore fürs Spiel aufsparen." Und immer wenn Gary Lineker in der ersten Halbzeit keinen Treffer erzielt hatte, wechselte er zur Pause sein Trikot. Half alles nichts und der englische Nationalspieler schoss über Wochen kein Tor, dann ging er zum Friseur. Umgekehrt galt die Regel übrigens auch: Das wissen alle, die in ihren Panini-Alben Lineker mit einer wallenden Haarpracht verewigt haben.

Rummenigge als Spielverderber

Einer der größten Stürmer aller Zeiten, Gerd Müller, lebte den Aberglauben selbstverständlich auch. So meinte er im Jahr 1976 einmal: "Ich wärme mich immer mit Uli Hoeneß auf dem Nebenplatz auf. Beim 0:7 gegen Schalke war der Rummenigge dabei. Das erste und das letzte Mal!" Der arme Kalle. Aber um den Seelenfrieden des "Bombers der Nation" nicht zu gefährden, hielt sich Rummenigge anschließend in der Spielvorbereitung von Müller fern.

Die Tage nun erzählte der Gewinner der Torjägerkanone der Saison 2012/13, Stefan Kießling, eine wahrhaft kuriose Geschichte aus seiner erfolgreichsten Spielzeit, als er mehr Treffer erzielte als jeder andere Spieler in der Bundesliga. Vorweg muss man vielleicht noch schicken, dass Rudi Völler dies hier einst über Kießlings zweite große Leidenschaft gesagt hat: "Wäre Stefan nicht erfolgreicher Bundesligaprofi geworden, wäre er heute sicherlich ein gefeierter Chefkoch!" Und so begab es sich, dass Kießling vor dem Heimspiel des zwölften Spieltags gegen den FC Schalke 04 alleine zu Hause war und nicht wusste, was er essen solle. Nach einem Blick ins Tiefkühlfach hellte sich sein Gesicht auf. Und so verspeiste er vor dem Fernsehgerät sitzend genüsslich eine Tiefkühlpizza, die er - wie er einmal in einem Interview verriet - als begeisterter Koch mit Oregano, Zwiebeln und Rucola verfeinert hatte. Am nächsten Tag erzielte der Bayer-Stürmer gegen die Königsblauen einen Treffer.

Das wäre jetzt auch schon das Ende der Geschichte, wenn Stefan Kießling nicht aus einer Laune heraus dieses neue Ritual zwei Wochen später vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg wiederholt hätte. Natürlich schoss er ein Tor. Und weil es so gut lief, schob er auch vor der Partie in der heimischen BayArena gegen den Hamburger SV wieder eine Tiefkühlpizza in den Ofen - und traf dieses Mal sogar doppelt. Heute sagt Stefan Kießling: "Die Tiefkühlpizza hat mich zur Torjägerkanone geschossen." Natürlich zwinkert er bei diesem Satz belustigt mit beiden Augen, denn der erfolgreichste Schütze der Saison 2012/13 hat einen feinen Humor. So wie auch bei diesem Satz, den ein Journalist einmal unkommentiert als echten "Geheimtipp" von Stefan Kießling anpries: "Zur Geschmacksverbesserung der Pizza die Plastikfolie entfernen."