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Klima- oder Kameradenschwein?: Warum Aktivisten lieber nicht nach Bali fliegen sollten

Ab wann bin ich ein Klimasünder? Wenn ich meinen Müll nicht anständig trenne? Wenn ich mit dem Auto zur Arbeit fahre? Wenn ich mit dem Flugzeug in den Urlaub fliege? Wir können ja nicht alle Greta-mäßig segeln, bloß weil wir nach New York wollen.

Bin ich einfach nur ein Pharisäer, wenn ich Wasser predige und Wein saufe? Sprich: Wenn ich mich im normalen Leben an Autobahnauffahrten anklebe um gegen die Klimapolitik der Bundesregierung zu protestieren und darauf aufmerksam mache, dass wir alle dem Untergang geweiht sind, wenn wir so weitermachen. Oder bin ich als KlimaaktivistIn tatsächlich einfach nicht mehr ernst zu nehmen, wenn ich nach Bali in den Urlaub fliege, ansonsten aber ständig sende, was zu tun ist? Und mich selbst dann nicht konsequent daran halte? Und, letzte Frage: Bin ich automatisch ein besserer Mensch, wenn ich mit dem Tourenfahrrad in den Harz radle und dort zelte?

Puh – es ist ein Brett, da einen Konsens zu finden. Der Aufreger ist perfekt: Die Klimaktivisten Louisa S. und Yannik S., 22 und 24 Jahr alt, sind in den Urlaub geflogen, nach Bali. Normalerweise kein Ding, junge Menschen reisen nach Asien, fühlen sich frei und unbeschwert, erweitern ihren Horizont für andere Kulturen. Aber bei den beiden hat es ein Geschmäckle: Im September 2022 noch blockierten die beiden mit anderen sogenannten Klima-Klebern den Berufsverkehr in Stuttgart und hielten ein Transparent mit der Aufschrift "Öl sparen statt bohren" in den Händen, dazu schauten sie sehr betroffen.

Ein paar Monate später saß das Paar in einem Flugzeug nach Bali. Dass auf diesem Flug Zehntausende Liter an Kerosin verballert werden ist keine Frage. Die Frage ist: Wie konnten die beiden mit dieser für viele Außenstehende scheinheiligen Doppelmoral gut schlafen in ihren Bambusbettchen im Urlaubparadies? Da die "Letzte Generation" regelmäßig Flughäfen blockiert und behauptet, Flugreisen seien nur für "Wohlhabend"“, wundert man sich als Bürger, der auf dem Weg zur Arbeit an einer der zugeklebten Autobahnausfahrten blöd rumsteht und versucht, Verständnis aufzubringen, doch ein wenig.

Kein Geld in der Urlaubskasse

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Eine Dornier 328, die mit Kerosin angetrieben wird - das Stuttgarter Start-up H2Fly will ein typgleiches Flugzeug umbauen und mit 2000 Kilometern Reichweite erstmals rein mit Wasserstoff betrieben fliegen. Außerdem soll am Flughafen Stuttgart ein Zentrum für die Entwicklung von Wasserstoffflugzeugen entstehen.

(Foto: dpa)

Die Frage stellt sich ja eh: Geht der Protest nicht auch anders? Niemand wird anderen verbieten wollen, zu demonstrieren, wir sind in diesem Land in der glücklichen Lage, für unsere Anliegen auf die Straße gehen zu dürfen. Der mindestens genauso große Aufreger, wie als Klima-Aktivist in den Urlaub zu fliegen, ist doch die Tatsache, dass die beiden Aktivisten nicht zu einem Prozess erschienen, zu dem sie geladen waren. Das ist dumm.

Laut "Bild"-Zeitung flog alles folgendermaßen auf: Wegen des Tatbestands der Nötigung auf der B 10 sollten Luisa S. (als Zeugin) und Yannick S. (als Angeklagter) vor dem Amtsgericht Bad Cannstatt erscheinen. Beide erschienen wie gesagt nicht. Auf Nachfrage des Richters hieß es, sie seien im Urlaub, in Thailand. Und von dort ging es dann weiter nach Bali, heißt es. Per Flugzeug. Mal abgesehen von dem Affront, zu einem Gerichtstermin nicht zu erscheinen - was ist mit der Klima-Bilanz der beiden Abtrünnigen? Bescheiden: Um die vier Tonnen CO2 pro Person. Mitaktivisten der beiden erschienen zu diesem Termin übrigens und wurden zu Geldstrafen verurteilt. Geld, das in der Urlaubskasse nun fehlen dürfte.

Aber kein Fehlverhalten ohne eine gute Rechtfertigung: Ein Sprecher der "Letzten Generation" verteidigte die beiden Urlauber, sie hätten den Flug als Privatleute gebucht, nicht als Klimaschützer, und das müsse man auseinanderhalten. Mit so einer billigen Erklärung tut man echten Klimaschützern natürlich keinen Gefallen.

Denn es geht um Moral, um Neid, um Aggressionen, eine aufgeheizte Stimmung im Land. Jeder Mensch hat eine gute Erklärung dafür, warum ausgerechnet er oder sie dringend einen Urlaub auf Bali oder an einem anderen Ziel braucht, das theoretisch nur mit dem Flugzeug zu erreichen ist. Ja, wir müssen unser Bewusstsein schärfen, wir sollten dringend auf unsere persönliche Klimabilanz achten. Und ja, da wurde viel von vorherigen Generationen verbockt, die bereits mehrmals auf Bali waren.

Freiheit, die ich meine

Abschließend daher ein paar Gedanken, die ich bei Politikjournalistin Anja Reschke geklaut habe: Sie sieht einen Grundkonflikt unserer Zeit in der Spannung zwischen Einzelinteressen und Gemeinwohl. "Nicht umsonst diskutieren wir viel über den Begriff der Freiheit. Doch um welche Freiheit geht es dabei - die des Individuums oder Freiheit als Gesamtheit" fragt sie. "Was gilt mehr - Einzelinteressen oder Gemeinwohl" Sprich: Darf ich auf der Autobahn so schnell rasen wie ich will, weil das meine Freiheit ist? Oder sollte ich mehr Rücksicht auf Umwelt und Verkehrstote nehmen? "Grundrechte können immer nur solange gewahrt werden, wie es auch eine Gemeinschaft gibt, die diese Grundrechte hochhält", stellt Reschke fest.

Für die beiden Anti-Klimaschutz-Urlauber wäre es tatsächlich besser gewesen, mit einem Fern-Trip zu warten. Bis die Bahn nach Bali fährt. Oder sich zumindest die Wogen geglättet haben und andere Reiseformen gefunden wurden. Ich denke da ans immer noch zu wenig erforschte Beamen.