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Klimatalk bei Hart aber Fair: Letzte Generation will ausgelostes Volksparlament

Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben weitere Aktionen ab der kommenden Woche angekündigt. Bei "Hart aber fair" fordert eine Aktivistin einen Bürgerrat. Die anderen Gäste der Sendung sind entsetzt.

Vor gut einem Jahr, am 24. Januar 2022, haben Klimaaktivisten der Letzten Generation zum ersten Mal eine Straße in Berlin blockiert. Ab der nächsten Woche wollen sie mit weiteren Aktionen auf die Klimakrise aufmerksam machen - in ganz Deutschland. In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" fordert die Sprecherin der Gruppe, Aimée van Baalen, "andere demokratische Mittel" - und löst damit geteilte Reaktionen bei den anderen Gästen der Sendung aus. Sie reichen von Unverständnis bis Entsetzen. "Wir sehen, dass die Politik gerade versagt, Entscheidungen zu treffen, um uns unter die Zwei-Grad-Grenze zu bringen", sagt sie - und fordert einen Gesellschaftsrat, "wo sich Autofahrer, Veganer und die Mutter mit drei Kindern gegenübersitzen."

FDP ist Tempo 130 auf Autobahnen zu teuer

Fakt ist: Deutschland verfehlt seine Klimaziele. So wird auf den Straßen zu viel CO2 in die Luft geblasen. Nach einem Bericht des Expertenrates für Klimaschutz, den die Bundesregierung eingesetzt hat, hat der Verkehrssektor im Jahr 2021 rund 148 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen - drei Millionen Tonnen zu viel. Um die gesteckten Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen, müsste Deutschland die Geschwindigkeit der CO2-Reduktion mehr als verdoppeln, im Verkehrsbereich müsste der Ausstoß um das 14-Fache sinken.

Laut FDP-Vizefraktionschef Konstantin Kuhle tut Verkehrsminister Wissing sein Möglichstes, um das Ziel zu erreichen. Dazu gehörten die Einführung des 49-Euro-Tickets, die Bahninfrastruktur werde modernisiert, die Zahl der Ladesäulen für E-Fahrzeuge erhöht. Zudem müssten neue Straßen gebaut werden, und dafür will die Regierung die Planungsverfahren beschleunigen. Keinen Sinn würde dagegen ein Tempolimit machen. Kuhle: "Wir haben einen Emissionshandel, der sich auf den Verkehrssektor erstreckt. Der sagt: Wenn ich langsamer fahre und weniger Sprit verbrauche, muss ich draufzahlen."

Das mag Klimaaktivistin van Baalen nicht gelten lassen: Ein Tempolimit auf Autobahnen könne den CO2-Ausstoß um 6,7 Millionen Tonnen pro Jahr senken. Und diese Maßnahme koste kein Geld. "In dieser Klimakrise müssen Sie alles umsetzen, was möglich ist, vor allem, wenn es dann noch kostenlos ist. Wie sollen denn wir als junge Bevölkerung Vertrauen in die Regierung haben, wenn wir sehen, dass nicht einmal diese einfachen Maßnahmen umgesetzt werden?"

Die Vorsitzende des Deutschen Automobilverbandes, Hildegard Müller, glaubt den Zahlen nicht. Ihnen fehle die wissenschaftliche Grundlage, sagt sie. Vor allem stellt sie eine Veränderung des Verhaltens bei vielen Autofahrern fest. Sie führen von sich aus langsamer, um Benzin zu sparen. Außerdem sagt sie: "Wir haben 4.000 marode Autobahnbrücken in Deutschland, die umfahren werden müssen. Der CO2-Ausstoß, der dadurch entsteht, ist viel höher als der, den wir durch das symbolträchtige Tempolimit einsparen." Und die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann hat gleich noch ein paar weitere Sparvorschläge: Zulassung des synthetischen Diesels HVO, bessere Häusersanierung, Weiterbetrieb der drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke.

"Sie treten das Recht mit Füßen"

Von den Aktionen der letzten Generation hält Connemann nichts. "Ich empfinde das als Drohung für die Menschen. Sie treten das Recht mit Füßen. Wer sich wirklich für den Klimaschutz engagieren will, der klebt sich nicht fest. Der engagiert sich, so wie Wissenschaftler und Forscher - oder Heizungsinstallateure, die wirklich was fürs Klima tun." Gleichzeitig kosteten die Aktionen der Aktivisten Akzeptanz, auch für den Klimaschutz.

Tatsächlich besagen Umfragen, gut 80 Prozent der Bundesbürger glauben, die Bundesregierung tue zu wenig für den Klimaschutz. Aber noch mehr Menschen in Deutschland lehnen die Aktionen der letzten Generation ab.

Aber dafür stünden die jungen Leute auf der Seite der Klimaaktivisten, sagt van Baalen. "Und wir werden weiter von unserem Recht auf Widerstand Gebrauch machen, solange die Bundesregierung die Verfassung bricht."

"Das ist nicht zutreffend", kontert Kuhle. Das Bundesverfassungsgericht habe 2021 gerügt, das damalige Klimaschutzgesetz enthielte keinen konkreten Abbaupfad ab 2030. "Den haben wir aber jetzt. Er sagt, dass bis 2045 Klimaneutralität herrschen muss, und bis 2050 muss es Negativemissionen geben."

Van Baalens Gesellschaftsrat

Die Ziele der Letzten Generation seien sofort zu erreichen: Einführung des Neun-Euro-Tickets und Tempolimit, erklärt van Baalen etwas später. Zudem solle es einen Gesellschaftsrat geben. "Das sei eine Art Notfall-Sitzung, wo Bürger*innen zusammenkommen, die werden gelost. Quasi ein kleines Deutschland. Die werden von Expert*innen beraten und diskutieren da über Wochen aus, welche Maßnahmen von der Regierung umgesetzt werden müssen."

"Das macht doch der Bundestag", kontert Konstantin Kuhle. Connemann fügt hinzu: "Und die Abgeordneten da sind auch noch gewählt."

Natürlich werde es die parlamentarische Demokratie weiter geben, erklärt van Baalen, aber in dem Gesellschaftsrat sollten Bürger "wie Du und ich" zusammenkommen und beraten. Bürger seien die Abtgeordneten auch, sagt Connemann. Aber im Bundestag gebe es zu viele Lobbyisten, erklärt van Baalen. "Sie sind auch Lobbyistin", kontert Connemann. Und Kuhle fügt hinzu: "Das öffnet doch dem Willkürstaat Tür und Tor. Das ist undemokratisch. Das hat mit unserem Grundgesetz nichts zu tun." "Das ist Anarchie", flüstert Connemann. Für van Baalen ist klar: Das sei schon Demokratie, aber in einer neuen Form.

Am Ende versucht Kuhle, der Klimaaktivistin ins Gewissen zu reden - ohne sichtbaren Erfolg: "Passen Sie auf, dass Sie sich nicht weiter radikalisieren. Denn so werden Sie ihre Ziele nicht erreichen. Ich bin dafür, dass man sich auf die demokratischen Mittel konzentriert."