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Knalliges Unikat Jörg Schmadtke: Ein Typ, so schillernd wie seine Trikots

Auf 38 Jahre Jahre im Fußball blickt Jörg Schmadtke nun zurück. Einst gestartet als Torwart in bunten Trikots hat er sich später als Manager und "Meinungsmacher" einen Namen gemacht. Doch für die ganz große Karriere war er stets etwas zu anders, zu knallig und zu direkt!

"Der Schmadtke kann nie Nationaltorwart werden. Der trägt viel zu bunte Trikots und Hosen." Diesen Satz hat einst der Weltmeister-Keeper Bodo Illgner über Jörg Schmadtke gesagt – und damit eigentlich die komplette Karriere dieses außergewöhnlichen Typen, der nach 38 Jahren im Fußball diese Woche seine Laufbahn (vorerst) beendete – auf den Punkt gebracht. Jörg Schmadtke war stets etwas zu anders, zu knallig, zu direkt, um die ganz große Karriere zu machen. "Bayern München und Borussia Dortmund haben sich für mich nicht interessiert", meinte der scheidende Manager die Tage so auch in einem Interview. Es hätte wohl auch einfach nicht gepasst. Denn wie schreibt der Sender Sport1 in seinem "Doppelpass"-Buch über einen der absoluten Lieblingsgäste: "Jörg Schmadtke vertritt oftmals die Meinung der Andersdenkenden."

Seine Zeit als Profi begann durchaus vielversprechend. Am 28. September 1985 startete er seine Karriere im Tor der Düsseldorfer Fortuna mit einem 4:0-Erfolg über den großen FC Bayern München. Weiße Weste gleich im ersten Spiel. Was will man mehr? Doch dann ging es nach Stuttgart. 5:0 hieß es am Ende für die Schwaben. Ein Desaster, besonders auch für den jungen Keeper der Fortuna, Jörg Schmadtke. Doch, dass es noch weitaus schlimmer kommen kann, sollten die Düsseldorfer und Schmadtke nicht einmal ein halbes Jahr später, wieder gegen den VfB, erfahren. Denn am 15. März 1986 schoss mit Stuttgarts Jürgen Klinsmann erstmals ein Akteur fünf Tore in einem Auswärtsspiel. Beim 7:0-Sieg in Düsseldorf haute er Fortuna-Torhüter Schmadtke die Bälle zwischen der 36. und 78. Spielminute ins Netz – ein lupenreiner Hattrick war dabei natürlich inklusive. Düsseldorfs Trainer Dieter Brei sprach hinterher ganz andächtig: "Die Stuttgarter haben uns aufgekegelt."

Mangelnde Disziplin, mehrere Tribünenplätze

Doch diese sportliche Demütigung konnte Schmadtke nicht aus der Ruhe bringen. Innerhalb kürzester Zeit war er bereits zu einem Spitzenkeeper gereift, der selbst alte Hasen wie Gladbachs Winfried Hannes schon aus dem Konzept bringen konnte. Mit einem für Schmadtke typischen Satz hatte er nach einem gehaltenen Elfmeter bei einem Sieg über die Fohlenelf gemeint: "Ich habe ihm die rechte Ecke angeboten. Aber ich wusste, dass er nach links zielen würde." Wenn man sich diese Aussage mal länger auf der Zunge zergehen lässt, versteht man bereits eine Menge von der speziellen Denkweise des Mannes, den der Fortuna-Biograf Michael Bolten vollkommen zurecht als "Meinungsmacher" bezeichnet. So kam es während seiner Zeit als Torwart auch nicht von ungefähr, dass sich Schmadtke das eine oder andere Mal aus disziplinarischen Gründen auf der Tribüne wiederfand.

So fiel Schmadtke also bereits als Spieler von Fortuna Düsseldorf und dem SC Freiburg nicht alleine wegen seiner unverwechselbaren und vielfarbigen Trikots und Hosen auf, sondern auch, weil er den Mund aufmachte und aneckte. Nicht selten waren damals allerdings auch schon feine Bonmots dabei, wie dieses hier nach einem Spiel seines SC: "Die Freiburger hatten einen erstklassigen Mann im Tor." Man braucht wohl nicht sagen, dass natürlich er selbst im Kasten gestanden hatte.

Nach seinem endgültigen Karriere-Ende als Fußballprofi im Jahr 1998 bis zu seinem Start als Sportdirektor Anfang Dezember 2001 bei Alemannia Aachen absolvierte Schmadtke auch ein berufsbegleitendes Praktikum bei Sport1. Vielleicht war dieser Blick "auf die andere Seite" auch stets ein wenig dafür verantwortlich, dass sein Umgang mit Journalisten eher von Respekt und Verständnis, als von Argwohn und Zurückhaltung geprägt war. Seine Jahre bei der Alemannia, die in seiner Zeit als Manager ins DFB-Pokalfinale und in den UEFA-Cup einzog und zudem die Bundesliga-Rückkehr schaffte, waren der Grundstein für Schmadtkes heutigen Ruf, dass er Vereine unter seiner Führung besser machen kann.

"Lieber FC-Fan, ruhig, ganz ruhig bleiben"

Ben Redelings

Ben Redelings ist ein leidenschaftlicher "Chronist des Fußballwahnsinns" und Anhänger des ruhmreichen VfL Bochum. Der Bestseller-Autor und Komödiant lebt im Ruhrgebiet und pflegt sein legendäres Anekdoten-Schatzkästchen. Für ntv.de schreibt er montags und samstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Weitere Informationen zu Ben Redelings, seinen aktuellen Terminen und seinem aktuellen Buch ("60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum") gibt es auf seiner Seite www.scudetto.de.

Seine vielleicht besten Jahre feierte der gebürtige Düsseldorfer ausgerechnet beim 1. FC Köln. Kurz nachdem er im Sommer 2013 den damaligen Zweitligisten übernommen hatte, lächelte Schmadtke auf unvergessliche Art und Weise bereits für ein legendäres Video in eine FC-Kamera. Die Kölner hatten die ersten acht Partien nach Saisonstart nicht verloren, standen auf Platz zwei der Tabelle und hatten soeben den Erstligisten FSV Mainz 05 aus dem DFB-Pokal geworfen. Die Euphorie kannte in der Domstadt keine Grenzen mehr. Und was macht Schmadtke? Er ging in den japanischen Garten und sprach vor betörenden Klängen in einer mantramäßigen Endlosschleife von 1:10 min. Länge ins Mikro: "Lieber FC-Fan, ruhig, ganz ruhig bleiben ... ruhig, ganz ruhig bleiben ... ruhig, ganz ruhig bleiben!" Am Ende der Saison war der 1. FC Köln als Tabellenerster aufgestiegen – und mit der Ruhe war es längst vorbei.

Zusammen mit seinem Trainer Peter Stöger bildete Schmadtke ein schillerndes wie geniales Paar, das laut Ansgar Brinkmann deshalb so erfolgreich war, weil nun "Stöger und Schmadtke die Mannschaft" aufstellten, "und nicht mehr der ‚Kölner Express‘". Und tatsächlich schwammen beide lange Zeit auf einer Welle des Erfolges. Auch kleinere verbale Entgleisungen – "Ich habe den Schiedsrichter Eierkopp genannt. Im Rheinland, wo ich herkomme, ist das keine Beleidigung" (Schmadtke) und "Ich habe dem Linienrichter meine Brille angeboten. Aber auch das hat er nicht gesehen" (Stöger) – wurden den beiden in den vielen Monaten des Erfolges nachgesehen. Doch dann, zur Spielzeit 2017/18, wendete sich das Blatt.

Um ehrliche Worte nie verlegen

Der FC startete katastrophal in die Saison und schon recht bald reagierte Schmadtke auf die zunehmend aufkommende Kritik ausfallend. So blaffte er einen Reporter an: "Willst du jetzt von mir eine Bewertung der Saison haben, am dritten Spieltag? Die Saison ist scheiße!" Und sie wurde auch nicht mehr besser. Bereits im Oktober trennten sich, nach vielen guten Jahren, die Wege des FC und von Jörg Schmadtke. Eine Trennung allerdings, die nicht ohne Widerhall blieb. Noch ein Jahr später – Schmadtke war damals längst bei seiner letzten Station in Wolfsburg angekommen – meinte der Manager: "Wenn sogenannte Fans glauben, mich beleidigen zu müssen, dürfen wir ihnen die Plattform gar nicht geben. Da werden Unwahrheiten verbreitet. Ich finde es schade und es tut mir weh, dass der alte oder neue Kölner Vorstand sich davon nicht distanziert hat. Da sind bei diesem Traditionsverein einige Werte durcheinandergeraten." Um ehrliche Worte war Jörg Schmadtke nie verlegen.

Nun, wo er aufhört, meinte der Mann, der einst mit seinen bunten Trikots und Hosen die Bundesliga eroberte, in einem Interview gegenüber der "Süddeutschen Zeitung": "Ich will nicht verhehlen, dass mir Teile des Geschäfts mehr und mehr zuwider sind." Leider ein Allgemeinplatz, wie man ihn häufig von Menschen hört, die dem Profifußball den Rücken zukehren. Typisch Schmadtke ist da eher eine Aussage, die er vor ein paar Jahren traf, als sein Stürmer Anthony Modeste nach zwei Treffern noch einige weitere Chancen vergeben hatte und die Fans und Journalisten murrten: "Wenn ein Stürmer zwei Tore macht, kann er immer zufrieden nach Hause gehen. Aber der Mensch will immer mehr. Er will ein halbes Schwein für 50 Euro – und artgerecht gehalten soll es auch noch sein."

Ein Satz, den man durchaus einmal sacken lassen kann. Mal schauen, ob Jörg Schmadtke nun endgültig zufrieden nach Hause gegangen ist – oder ob er noch einmal zurückkommt. Ganz ausschließen will er das selbst nicht. Hängt wahrscheinlich davon ab, wie "bunt" sein Leben in Zukunft auch ohne den Fußball sein wird.