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Koalitionsausschuss nun am Tag: Krisentreffen der Ampel geht in die zweite Runde

Vielleicht hilft es ja, wenn man sich wach mit wichtigen Fragen auseinandersetzt. Die Ampel versucht diesmal jedenfalls, tagsüber ihre diversen Streitthemen auszuräumen. SPD-Generalsekretär Kühnert rechnet damit, dass die Ampel in Kürze auch "konkrete Ergebnisse" liefert.

Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und FDP setzen an diesem Dienstagmorgen ihr unterbrochenes Krisentreffen im Kanzleramt fort. Im Koalitionsausschuss suchen sie Kompromisse in diversen Streitfragen. Dem Vernehmen nach geht es dabei vor allem um mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich und einen schnelleren Bau von Autobahnen.

Die Spitzen der Ampel-Koalition hatten ihre Gespräche über eine Reihe von Streitthemen am Sonntagabend aufgenommen, sie am Montag aber am frühen Nachmittag unterbrochen, weil Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD und mehrere Minister zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam reisen mussten. CDU, CSU, AfD und Linke werteten die Unterbrechung als Blamage und Armutszeugnis.

Scholz begründete die Verschiebung mit der Komplexität der zu lösenden Aufgaben. Es gehe um die Modernisierung Deutschlands. "Wir wollen sehr klare, konkrete Festlegungen treffen, die es möglich machen, dass wir das notwendige Tempo erreichen", sagte er in Rotterdam. "Die gemeinsame Überzeugung der Regierung ist, dass die gesetzlichen Regeln, die wir über die letzten Jahrzehnte so allmählich zusammengeschraubt haben, nicht zu der Geschwindigkeit passen, die wir heute benötigen." Er verwies auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Verkehrsinfrastruktur.

Scholz sagte zudem, dass man "sehr, sehr gute Fortschritte erzielt" habe. Die bisherigen Gespräche seien sehr vertraulich und freundlich verlaufen. Die von der Ampel-Koalition in den vergangenen Monaten mehrfach betonte Aussage, man wolle keine Nachtsitzungen, spielte er herunter. Er habe in etlichen Koalitionen an so langen Sitzungen teilgenommen. "Das gehört dazu."

Kühnert rechnet mit konkreten Ergebnissen

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verteidigte ebenfalls die bislang ergebnislosen Beratungen des Koalitionsausschusses. "Es ist besser, zwei Tage lang hart um Lösungen in wichtigen Fragen zu ringen, als zwei Jahre lang ohne Lösungen in diesen Bereichen regieren zu müssen. Das könnten wir dem Land nicht zumuten. Die zwei Tage sind, glaube ich, mit viel Augen-Zudrücken schon zumutbar", sagte Kühnert am Montagabend bei "RTL Direkt".

Auf die Frage, warum das Kabinett nicht wie geplant am Montag zu einer Einigung gekommen sei, sagte der SPD-Politiker: "Es geht um die Klimaschutzziele, es geht darum, dass wir Industriestandort bleiben in Deutschland, also wirklich sehr große Fragen, es geht um das Bewegen von riesigen Milliardenbeträgen in den nächsten Jahren." Vor diesem Hintergrund sei es gerechtfertigt, "lieber noch eine Nacht" über die Konfliktpunkte zu schlafen, so Kühnert. Er rechne damit, dass die Ampelparteien an diesem Dienstag konkrete Ergebnisse vorstellten.

Kritik von der Opposition

CDU-Generalsekretär Mario Czaja stellte im "Tagesspiegel" dagegen die Regierungsfähigkeit der Ampel in Frage. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Mediengruppe Bayern: "Aus der Streit-Ampel wird jetzt auch noch die Streik-Ampel, weil es ja an Arbeitsverweigerung grenzt, wenn es nach so vielen Stunden kein einziges Ergebnis gibt." Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das Ampel-Bündnis im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als "Blockadekoalition".

Die Spitzen des Bündnisses wollten im Kanzleramt eine lange Liste von Streitpunkten abarbeiten. Als größtes Konfliktthema deutete sich vorab der Klimaschutz im Verkehr an - denn hier muss die Bundesregierung eine Trendwende schaffen. Laut Umweltbundesamt stiegen die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich zuletzt, anstatt zu sinken, wie es eigentlich nötig wäre. Vor allem die Grünen verlangen von Verkehrsminister Volker Wissing mehr Anstrengung. Dessen FDP lehnt aber nicht nur ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen und eine Reform der Dienstwagenbesteuerung strikt ab.

Zahlreiche Streitpunkte in Ampel

Auch bei anderen Fragen war der Ton in der Koalition zuletzt rau geworden: dem Austausch von Öl- und Gasheizungen. Die Grundidee ist in der Koalition eigentlich längst vereinbart: Ab 2024 sollen möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. De facto bedeutet das ein Aus für konventionelle Öl- und Gasheizungen. Habeck goss das in einen Gesetzentwurf. SPD und FDP betonen beide, Hausbesitzer und Mieter dürften nicht überfordert werden.

Ab 2025 soll die Kindergrundsicherung die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder bündeln. Umstritten ist, was alles dazugehören soll. Familienministerin Lisa Paus von den Grünen will eine Aufstockung, weil die bisherigen Hilfen ihrer Meinung nach Kinderarmut nicht ausreichend bekämpfen. Sie hat deshalb einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro angemeldet. Lindner hält das Aufstocken nicht für zwingend, weil die Koalition gerade das Kindergeld angehoben habe.

FDP-Politiker mahnten vor dem Koalitionsausschuss wiederholt Disziplin bei den Finanzen an - vor allem mit Blick auf den ausstehenden Bundeshaushalt für 2024. "Alle Koalitionsparteien müssen die aktuellen finanzpolitischen Realitäten anerkennen", sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Allerdings hätten die drei Parteien kein gemeinsames Grundverständnis in dieser Frage.