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Künstliche Intelligenz: Das steckt hinter den Regulierungs-Forderungen der KI-Branche

Mehrere hundert KI-Entwickler haben einen Statement unterschrieben, in dem auf die Gefahren von Künstlicher Intelligenz hingewiesen wird. Wollen Sie etwa ihr eigenes Geschäft zerstören?

Es sind nur 23 Wörter. Die aber verraten ziemlich viel über die Stimmung einer Branche: „Das Risiko einer Vernichtung durch KI zu verringern sollte eine globale Priorität neben anderen Risiken gesellschaftlichen Ausmaßes sein, wie etwa Pandemien und Atomkrieg“, heißt es in am Dienstag veröffentlichte Stellungnahme. Zahlreiche bekannte KI-Entwickler haben unterschrieben, etwa ChatGPT-Erfinder Sam Altman oder Demis Hassabis, der Chef von Googles KI-Schwesterfirma DeepMind. Künstliche Intelligenz (KI) könnte zum globalen Sicherheitsrisiko werden, meinen die Urheber des Aufrufs, deshalb brauche sie mehr Aufmerksamkeit, möglicherweise auch Regulierung. Erst dann sollte an ihr weitergeforscht werden. 

Mögliche konkrete Gefahren, vor denen der Thinktank Center for AI Safety (CAIS) auf seiner Website warnt, sind etwa chemische Waffen, die die KI entwickeln könnte. Oder auch eine Emanzipation der KI vom Menschen – bis hin zur Machtübernahme durch die Maschinen. 

Kannibalisierung des eigenen Geschäfts?

Die Unterzeichner tragen sich nur in eine lange Liste von Personen ein, die zuletzt vor ähnlichen Risiken durch KI gewarnt haben – vor allem aus der Unternehmerwelt. Auch Tesla-Chef Elon Musk hatte sich vor einigen Wochen ähnlich geäußert und ein sechsmonatiges Moratorium gefordert. Politiker, Juristen und Ethiker haben die Probleme längst erkannt, und arbeiten bereits an Gesetzen und neuen Aufsichtsbehörden. Interessant bleibt aber eine Frage: Warum fordern Unternehmen selbst offensiv nach Regulierung, obwohl diese ihre Arbeit potenziell erschwert? Wollen die Unternehmer etwa ihr eigenes Geschäft kaputtmachen? 

„Nein“, sagt ein hochrangiger deutscher Beamter zu Capital. „Es geht um Verantwortungsdiffusion. Wenn ich nur früh genug sage, dass ich Regulierung haben will, kann ich mich immer darauf zurückziehen und der Politik die Schuld für Fehler geben.“  

Künstliche Intelligenz: Inzwischen schreiben fast alle Firmen KI auf ihr Geschäftsmodell. Doch nur selten ist die dahinter stehende Technologie ihren Namen wert

Mit dem vielbeachteten Projekt Chat GPT hat der Hype um Künstliche Intelligenz kräftig Schub erfahren und wurde an der Börse gefeiert. Es geht um viel Geld und Fantasie. Wer hier einsteigen möchte, sollte einige Anfängerfehler vermeiden

Die Frage sei ohnehin, ob die dystopischen Szenarien realistisch sind. Yann LeCun, KI-Chef der Facebook-Mutter Meta, hält beispielsweise nichts davon. Für ihn sind Warnungen vor neuen Chemiewaffen durch KI oder ultimativen Abhängigkeiten reine Panikmache. Aktuell gebe es noch nicht einmal eine KI, die „cleverer als ein Hund“ sei. Warnungen vor übermenschlicher KI seien entsprechend verfrüht. Die Linguistin Emily Bender meint, dass die Warnungen vor der Apokalypse an den wahren Problemen vorbeiführten. Noch sei nämlich gar nicht klar, ob die KI überhaupt selbst denke, oder nur Stereotypen aus dem Datenmaterial ableite. Das könnte dazu führen, dass schwarze Menschen in den USA geringere Jobchancen hätten – da sich dies aus den historischen Daten ableiten ließe.  

Sprachmodelle als Blackbox

Tatsächlich wird aus den 23 Worten nicht klar, wie aus vergleichsweise harmlosen KI-Programmen wie Chat-GPT eine gefährliche Killermaschine werden soll. Die Technologie, vor allem die von großen Sprachmodellen, sei viel mehr eine Blackbox, bei der auch die Entwickler vom Ergebnis überrascht werden. Es stellt sich die Frage, inwiefern die KI tatsächlich denkt oder nur das ausspuckt, was für sie nach logischem menschlichen Denken klingt. Kritiker bezeichnen Chat-GPT deshalb auch als Papagei – und ein Papagei plappere nur das nach, was sein Besitzer ihm erzählt, und baue keine Chemiewaffen. 

Ein Denker, inspiriert von Rodin – aber erschaffen von der KI-Anwendung Midjourney

Künstliche Intelligenz hat erstaunliche Fortschritte gemacht. Viele fragen sich: Wann kann sie besser denken als der Mensch? Mindestens genauso wichtig aber ist: Kann Europa bei der Entwicklung mit den USA und China mithalten?

Unterstützer der Stellungnahme weisen hingegen darauf hin, dass das nicht so bleiben muss. Das aktuelle Innovationstempo sei bereits jetzt so hoch, dass viele Unternehmen ihre Anwendungen nicht mehr verstehen. KI-Pioniere wie Geoffrey Hinton bezeichnen die aktuelle Phase daher als „gefährlich“. Firmen wie Google und Microsoft „sollten die Entwicklung neuer Produkte nicht weiter vorantreiben, bis sie verstanden haben, was sie kontrollieren können.“ Auch er sprach sich für Regulierung und ethische Leitplanken aus. 

Tatsächlich könnte Regulierung aber nur ein Modewort im Fall von KI werden. Denn selbst wenn sich die EU und die USA auf einen einheitlichen Rahmen festlegen und beispielsweise militärische Zwecke ausschließen, müssten autokratische Staaten sich nicht anschließen. Dadurch wären Europa und die USA allerdings gezwungen, nachzuziehen – und es beginnt das, was Experten als „Rattenrennen“ bezeichnen. Ein hochrangiger Beamter meint zwar gegenüber Capital, dass schon viel erreicht sei, wenn sich die G7 auf einen Weg einigen. „Aber politisch sehe ich die Chancen hierfür bei weniger als zehn Prozent. Dafür muss erst ein Unfall passieren.“ Nichtsdestotrotz sei eine globale Regulierung notwendig. Denn, so sagt der Experte: „Sowohl das Potenzial als auch die Risiken sind unvorstellbar.“ 

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