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Künstliche Intelligenz: Die Revolution hat begonnen

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

auch heute ist wieder Krise. Wie eigentlich jeden Tag. Die Corona-Krise hatten wir gerade erst hinter uns gebracht, da stürzten wir wegen dem Typen im Kreml in die Energie- und die Inflationskrise und stellten erschrocken fest, dass sich auch die Bundeswehr in der Krise befindet. Klimakrise ist sowieso, Bildungskrise dito. Auch die Bankenkrise ist wieder da, und die Flüchtlingskrise schwillt wieder an. Die Demokratiekrise (Populisten!) und die Umweltkrise (Artensterben!) nicht zu vergessen. Wegen der hohen Kakaopreise warnen Süßwarenhersteller nun vor Ostern auch noch vor der Schokoladenkrise. Es kommt echt knüppeldick.

"Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da?", hat mein Kumpel Jürgen schon vor 36 Jahren geträllert, aber heute ist's echt alles noch viel ärger: Wohin man auch schaut oder klickt, überall Krise. Auch wir bei t-online schreiben täglich über Krisen; mitunter wittern wir selbst da eine, wo vielleicht noch gar keine ist. Immer mehr Menschen sind von dem Daueralarm in Politik, Wirtschaft und Medien abgeschreckt, sie flüchten ins Private, machen die News-Apps zu und zappen weg, wenn die Nachrichten beginnen. "News Fatigue", die "Nachrichten-Müdigkeit", wird bereits an Universitären erforscht. Die Leute wollen die ständigen Hiobsbotschaften nicht mehr hören.

Schauen wir heute also mal etwas anders auf die Dinge. Nicht mit Scheuklappen und nicht, indem wir dunkle Dinge rosarot färben. Schreiben wir ruhig über Krisen, aber nicht über deren schlimme Seiten. Sondern über die Chancen, die in Krisen liegen. "Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen", hat Max Frisch gesagt. Der musste es wissen, schließlich litt er jahrelang unter persönlichen Krisen. Tatsächlich zeigt ein Blick in die Geschichte, dass Krisen auch viel Gutes auslösen können. Weil sie uns dazu bringen, Gewissheiten zu überdenken und Neues voranzutreiben. Beispiele gefällig? Bitte sehr:

Krisen sind schlimm, aber sie können auch schöpferische Kräfte entfalten. Sie beschleunigen Innovationen, weil Menschen gezwungen sind, unter Hochdruck zu improvisieren. Auch die Corona-Krise hat die Welt verändert, und damit meine ich nicht Homeoffice und Videokonferenzen. Welchen gewaltigen Schub die Digitalisierung in den Monaten des Stillstands erfahren hat, als Millionen Menschen monatelang zu Hause saßen und vor Computern brüteten, offenbart nun der raketenhafte Aufstieg der künstlichen Intelligenz (KI).

Gut, das ist ästhetisch noch nicht astrein, aber in ein paar Monaten wird es das sein. Und falls Ihnen das alles unheimlich vorkommt, lassen sie mich ergänzen, dass KI natürlich nicht nur seltsame Bildchen malen, sondern auch sehr viele sinnvolle Dinge tun kann. Schon jetzt kann sie Proteinstrukturen genauer beschreiben als jeder Mensch und Kombinationen gegen Krankheitserreger entwerfen. Schon in 10, 15 Jahren werden wir als Patienten wohl individuell hergestellte Medikamente bekommen, exakt auf unsere Beschwerden abgestimmt und frei von Nebenwirkungen. KI kann Verkehrsströme berechnen und helfen, viel CO2 einzusparen. Sie kann Wetterphänomene kalkulieren und vor Orkanen warnen. Sie kann Texte in jede x-beliebige Sprache übersetzen, was nicht nur im Urlaub, sondern auch in der Diplomatie und der Wissenschaft von Nutzen ist. Sie kann riesige Datenmengen binnen Sekunden durchforsten und uns so dabei helfen, neue Schlüsse zu ziehen und klüger zu werden. Auch im Kampf gegen all die Krisen.

Es ist wie so oft im Leben: Innovationen wirken oft zunächst bedrohlich, haben aber auch viele gute Seiten. Und dass die Maschinen uns Menschen irgendwann unterwerfen, ist eher nicht zu erwarten. "Künstliche Intelligenz kann nur so gut sein wie die Menschen", sagt der Dresdner KI-Forscher Richard Socher, den ich vor ein paar Tagen in New York traf. Er hat eine Suchmaschine gebaut, die mit KI arbeitet, ohne Nutzerdaten abzusaugen. Das könnte ein besseres Google werden. In den kommenden Wochen will er sie auf den deutschen Markt bringen, vor ein paar Tagen hat er Olaf Scholz und dessen Ministern erzählt, was Deutschland tun sollte, um nicht von der digitalen Entwicklung abgehängt zu werden. Informatik als Pflichtfach an Schulen einführen zum Beispiel und Investitionen in Startups erleichtern, um Wagniskapitalgeber anzulocken. Schließlich steht nirgendwo geschrieben, dass Digitalkonzerne nur aus Amerika und China kommen dürfen.

Wir erleben eine Revolution, und Deutschland hat gute Chancen, gewaltig von ihr zu profitieren. Dafür müssen wir allerdings schnell sein und die Gelegenheit beim Schopfe packen, statt uns ängstlich wegzuducken. Wäre doch schön, das Google von morgen würde von einem Sachsen erfunden.

Krachkoalition

Apropos Bundesregierung: Nach einem guten Jahr im Amt liegen die Nerven in der Ampelregierung blank. Nach fast 20-stündigen Verhandlungen vertagten sich SPD, Grüne und FDP gestern Nachmittag, weil der Kanzler mit mehreren Ministern zu deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen nach Rotterdam aufbrechen musste. Heute Vormittag geht es im Kanzleramt in die Verlängerung beim Versuch, die Streitthemen abzuräumen.

Ob die Zerschlagung des Gordischen Knotens heute gelingt? Der Einigungsdruck ist hoch, wenn die Ampelleute CDU-Chef Friedrich Merz Lügen strafen wollen, der die Bundesregierung bereits "stehend k.o." wähnt. Immerhin können die Streithähne diesmal nicht bis in die Puppen disputieren: Um 16 Uhr hat der Kanzler seinen nächsten unaufschiebbaren Termin, dann empfängt er den kenianischen Präsidenten William Ruto. "Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn alle Parteien damit gleich unzufrieden sind", zitiert unserer Chefreporterin Miriam Hollstein das Orakel Henry Kissinger.