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Kurz vor der Wahl liefert sich das Linksbündnis einen Showkampf

Am Morgen der letzten großen TV-Debatte hatte der rot-grün-rote Senat noch einmal Einigkeit gezeigt. Die Eckpunkte für eine große Verwaltungsreform hatten die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und ihre Stellvertreter Bettina Jarasch von den Grünen und Klaus Lederer von der Linkspartei am Dienstag nach der Senatssitzung präsentiert. Eine Reform, die endlich die organisierte Verantwortungslosigkeit und das Behörden-Pingpong zwischen Senat und den mächtigen Berliner Bezirken auflösen soll, mit klaren Zuständigkeiten und einer gesamtstädtische Steuerung der Verwaltung.

Seht her, dieser Senat arbeitet effizient bis zum Schluss, das war die Botschaft, die die regierende Linkskoalition vor der Wiederholungswahl am Sonntag aussenden wollte. Man könne es sich in der Krise nicht leisten, das Regieren einzustellen, sagte Jarasch. Und auch Lederer bemühte sich um Harmonie. Es sei „schon verrückt“, im Senat ordentliche Arbeit zu machen und sich dennoch „allabendlich im Wahlkampf zu streiten“.

Genau das aber sollten die Spitzenkandidaten der Parteien am Dienstagabend wieder tun: Streiten um den besten Weg für Berlin. Die Zuschauer wurden dabei den Eindruck nicht los, dass es sich hierbei zunehmend um einen Showkampf handelt. Denn die Wechselstimmung, die die Umfragen nunmehr seit Wochen suggerieren, wird sich möglicherweise nur schwerlich in einen Politikwechsel umsetzen lassen. Die Union unter Spitzenkandidat Kai Wegner liegt zwar solide vorn. Doch es scheint immer unwahrscheinlicher, dass es ihm gelingen kann, daraus eine echte Machtoption zu machen.

Franziska Giffey, die weiterhin unverdrossen auf Sieg setzt, vermeidet routiniert jede Koalitionsaussage. Und Grünen-Frontfrau Bettina Jarasch hat gerade erst im WELT-Interview deutlich gemacht, dass sie sich eine Fortsetzung der Linkskoalition auch bei einem Wahlsieg der Union gut vorstellen kann. Dafür gebe es genügend historische Beispiele. „Die stärkste Kraft hat immer einen Auftrag, aber eben auch die Herausforderung, eine stabile Regierung zu schmieden. Das müsste die CDU erst einmal schaffen.“ Das bisherige Team, so die Botschaft, funktioniert ja doch ganz gut.

Im RBB-Duell vermeiden die beiden Frontfrauen, die sich in den zurückliegenden Wochen oft heftig beharkt hatten, die offene Konfrontation. Lediglich in der Verkehrspolitik scheint leichter Dissenz zwischen den Regierungspartnerinnen auf, als Jarasch einmal mehr fordert, den städtischen Raum konsequent umzuverteilen – zulasten von Autoverkehr und Parkplätzen. Ja, man brauche sichere Fuß- und Radwege, sagt Giffey. „Aber ich möchte auch, dass Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, auch in der Innenstadt unterwegs sein können. Wir brauchen auch in Zukunft einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen.“ Nun gut.

Der CDU-Mann reagiert allergisch auf Jarasch

Wegner hingegen, der lange mit einem schwarz-grünen Bündnis kokettiert hat, reagiert im RBB-Duell regelrecht allergisch auf Jarasch. „Ich kann mir eine Koalition mit den Grünen nach der Wahl nicht vorstellen“, sagt er klipp und klar. Flächendeckendes Tempo 30, eine Reduzierung der Parkplätze um die Hälfte, einen Stopp des Weiterbaus der A100 – all das werde es mit ihm nicht geben.

FDP-Spitzenkandidat Sebastan Czaja schlägt in dieselbe Kerbe. „Wer Jarasch zuhört, hat den Eindruck, das Auto gehört bei ihr zwar dazu, aber nur in der Garage, nicht auf der Straße.“ Jarasch kontert scharf: „Extrem unredlich“ und „Heuchelei pur“ sei es, was Wegner und Czaja da sagten. „Sie können nicht allen in der Stadt alles versprechen.“ Spätestens da wird klar: Jamaikanische Träume kann man für Berlin getrost begraben.

Franziska Giffey hingegen weiß sich in der Sechserrunde als souveräne Führungskraft zu präsentieren: erfahren, machtbewusst, tatkräftig. „Es geht um Ausgleich, es geht um pragmatische Politik. Ich bringe 20 Jahre Erfahrung mit und würde diese gerne auch weiter als Regierende Bürgermeisterin für diese Stadt einbringen.“ So bewirbt sie sich für eine Fortsetzung ihrer Regentschaft.

Denn auch das hat Giffey im Wahlkampf immer wieder klargemacht: nach eineinhalb Jahren hat sie zwar vieles auf den Weg gebracht, vom Wohnungsbaubündnis über das Krisenbewältigungspaket bis hin zum 29-Euro-Ticket. Aber fertig ist sie noch lange nicht. Gelingt es ihr, zumindest an zweiter Stelle durchs Ziel zu gehen, stehen die Chancen gut, dass sie Regierungschefin bleibt. Ihre Partei will das Bündnis mit Grünen und Linken ohnehin fortsetzen.

Brachte der Abend irgendetwas, was die Zuschauer noch nicht wussten über die sechs Spitzenkandidaten? Mario Czaja isst lieber Bratwurst als Tofu. Klaus Lederer hat FKK lieber als die Badehose. Kai Wegner geht lieber ins Berghain als ins Cafe Keese. Bettina Jarasch trinkt lieber Selters als Sekt. Kristin Brinker von der AfD zieht den Christopher Street Day dem Festival der Volksmusik vor. Und Franziska Giffey? Geht lieber ins Hotel als auf den Campingplatz.