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Lars Vollmer: Gasumlage, -bremse oder -deckel? Egal!

Mit staatlichen Eingriffen will die Bundesregierung die Energiekrise in den Griff bekommen. Die Marktwirtschaft bleibt auf der Strecke. Lars Vollmer erklärt, warum der freie Markt das beste Instrument ist zum Lösen komplexer Probleme

Zur Gasumlage und den Alternativen, wie der Effekt der galoppierenden Energiepreise für die Verbraucher abgemildert werden sollen, hat sich in den letzten Tagen so ziemlich jeder in diesem Land geäußert. Es scheint zum guten Ton zu gehören. Also dachte ich: Na gut, dann bin ich jetzt auch mal dran. Obwohl ich es im Grunde egal finde, für welchen dieser Eingriffe in den Energiemarkt sich die Politik sich letztendlich entscheidet. Mit dem eigentlichen Problem haben die nämlich alle nichts zu tun.

Natürlich wollen die Politiker etwas tun. Jeder Ampelianer, der seinen Amtseid ernst nimmt und wiedergewählt werden möchte, kann es nachvollziehbarerweise nicht dabei belassen, die Entwicklung nur zu bewundern. Doch es fängt schon damit an, dass die Politik aus meiner Sicht gar nicht in diesen Markt eingreifen kann. Es gibt ihn einfach nicht.

Der Energiemarkt hierzulande ist – wie in allen anderen europäischen Staaten auch – so maßlos reguliert, dass er mit einem freien Markt sehr wenig zu tun hat. Er ist in hohem Maße zentralistisch und aus politischem Interesse heraus gesteuert. Und die Lösungen, die jetzt diskutiert werden, sind nichts anderes als der staatliche Versuch, Auswirkungen von staatlichen Entscheidungen abzufedern. Dafür wird der ohnehin schon ziemlich kaputte Energiemarkt noch ein bisschen weiter kaputt gemacht. Wäre ich Zyniker, würde ich sagen: Das macht auch keinen Unterschied mehr.

Die Erdgas-Verdichtstation in Werne

Trotz der Nord-Stream-1-Blockade sieht Wirtschaftsminister Habeck die Gasversorgung in Deutschland gut organisiert. Die Speicherbetreiber warnen jedoch vor Optimismus

Nun erkenne ich aber an, dass die zentralistische Steuerung eines volkswirtschaftlich sensiblen Gutes wie der Energie durchaus Vorteile hat.

Das kann ich mir sparen!

Unbestreitbar ist eine solche staatliche Steuerung ungemein effizient. Der erforderliche Ressourceneinsatz ist ungleich geringer. Denn ein freier Markt bedeutet einen unglaublichen Aufwand für die Akteure: Jeder muss dauernd mit jedem sprechen, um zu ermitteln, wer was braucht und wer was will und zu welchem Preis. Diesen ganzen Umstand kann ich mir mit einer zentralistischen Steuerung sparen. Und nicht nur das.

Tatsächlich kann ich auf diese Weise ein Gesamt-Optimum anpeilen, in dem die Interessen aller angemessen berücksichtigt sind. Diese Lösung ist zwar nicht für jeden Einzelnen zufriedenstellend, auf die Gesamtheit gesehen erziele ich damit jedoch ein Optimum. Allerdings nur unter einer Voraussetzung.

Gegen Merkels Raute und Habecks Frisur

Diese Voraussetzung ist, dass ich alle relevanten Kausalitäten des Geschehens kenne. Diese kann ich dann mathematisch abbilden und eine saubere Planung daraus erstellen.

Angesichts der Vielzahl der Kausalitäten ist die Anforderung an die Rechenleistung zwar hoch. Daran mögen Gosplan und SPK, die Komitees für die Wirtschaftsplanung der Sowjetunion bzw. der DDR, noch gescheitert sein, als sie damals ihre Fünfjahrespläne erstellten. Doch mit den heutigen Computern ist das problemlos zu leisten. Der Haken liegt woanders.

Das Problem fängt da an, wo sich Zusammenhänge einmischen, die nicht mehr kausal zu beschreiben sind. Und die gibt es überall, im Kleinen wie im Großen. Nur zwei Beispiele: Wenn der Staat Solardächer mit dem Betrag X fördert, entscheiden sich dann wirklich die Zahl Y der Bürger für den Einbau? Wie lange bleiben die Atommeiler nun am Netz?

Beide Fragen werden nicht nach kausalen, weil rationalen Gesichtspunkten entschieden. Weil Menschen, und damit meine ich Politiker wie Bürger, sich eben oft nicht nach rationalen Gesichtspunkten entscheiden. Da spielen Ideologien, politische Taktiken und schlichte Wankelmütigkeit eine Rolle. Manch einer entschied und entscheidet sich sogar rein aus Trotz gegen jede staatliche Empfehlung, nur weil er die Raute von Frau Merkel oder die Frisur von Herrn Habeck nicht mag.

Ich will die Komplexität aber nicht auf den menschlichen Faktor beschränken: Auch die technologische Entwicklung von Kraftwerken lässt sich, was zum Beispiel Emissionen und Wirkungsgrade angeht, einfach nicht zuverlässig voraussagen.

Die Fassade der Uniper-Zentrale in Düsseldorf. 

Deutschlands größter Gasimporteur Uniper wird verstaatlicht. Für den Düsseldorfer Wettbewerbsökonom Jens Südekum entfällt damit aber auch der Sinn für eine Gasumlage

Für eine kausale Rechnung muss ich mich aber nun mal auf eine Zahl verlassen, also nehme ich eine an. Trifft auch nur eine von diesen vielen angenommenen Zahlen nicht so ein wie erwartet, kollabiert schnell meine ganze schöne Rechnung.

Zusammengefasst heißt das: Sobald es wirklich komplex wird – und nicht einfach nur sehr kompliziert –, dann wird zentrale Steuerung zwangsläufig versagen. Immer. Nicht weil die Akteure zu blöd oder die Computersysteme zu schwach auf der Brust sind, sondern weil komplexe Systeme eben nicht steuerbar sind.

Für den erfolgreichen Umgang damit braucht es einen anderen Ansatz.

Leistungsfähig bei Komplexität

Theoretiker nennen diesen Ansatz „selbstorganisiertes System“. Das bekannteste dieser selbstorganisierten Systeme läuft unter dem Namen „freier Markt“. Und tatsächlich ist der dramatisch viel leistungsfähiger im Lösen von komplexen Problemen als alle anderen Herangehensweisen.

Deshalb bin ich – jenseits von allen ideologischen oder politischen Erwägungen – weiterhin der Meinung: Je mehr Selbstorganisation wir in Gesellschaft und in Unternehmen zulassen, umso besser wird es möglich, mit den komplexen Teilen der Welt umzugehen.

Ich will nicht behaupten, dass die Lösungen des freien Marktes stets zur Zufriedenheit jedes einzelnen Akteurs führen. Natürlich nicht. Dazu ist ja nicht einmal ein zentrales Planungsinstitut in der Lage. Dennoch machen die Unzufriedenen gerne den Koordinationsmechanismus für ihre Lage verantwortlich – das verstehe ich und daher ist der Markt auch nicht sehr gelitten. Doch der freie Markt ist nicht das Problem, sondern das beste Instrument, das wir zum Lösen der komplexen Probleme haben, vor denen wir unter anderem im Energiebereich stehen.

Ein Wall aus Badeentchen

Staatliche Eingriffe haben in der Vergangenheit stets einen Hydra-Effekt erzeugt: ein Problem bekämpft, zwei neue erzeugt. Das wird auch diesmal nicht anders sein, egal ob es statt der Umlage nun eine Bremse oder ein Deckel wird.

Plakativ gesagt: Es sieht vielleicht hübsch aus, wenn ich den staatlich beauftragten Installateur um meine überlaufende Badewanne einen gelben Wall aus Badeentchen bauen lasse. Ich denke aber, ich mache mich lieber selbstorganisiert auf die Suche nach dem aufgedrehten Wasserhahn.

Lars Vollmer ist Unternehmer, Vortragsredner und Bestsellerautor. In seinem Buch Der Führerfluch – Wie wir unseren fatalen Hang zum Autoritären überwinden stellt er den aktuellen Krisen die Idee einer Verantwortungsgesellschaft entgegen.

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